Gerflor Mipolam GmbH

Gerflor setzt "einen Meilenstein für Linoleum"

Gerflor investiert in das 2018 von DLW übernommene Linoleumgeschäft. Die Produktion wurde erhöht, die Lieferfähigkeit wiederhergestellt und im Herbst 2020 kommt die erste neue DLW-Kollektion seit acht Jahren - inklusive der selbst entwickelten Beschichtung Neocare.

Linoleum ist ein Klassiker unter den Bodenbelägen. Diesen Status hat der Fußboden aus mehreren Gründen: Das 1863 vom englischen Chemiker Frederick Walton erfundene Produkt ist der älteste elastische Bodenbelag der Welt. Viele Architekten lieben Linoleum bis heute wegen seiner zeitlosen Uni-Farben - Uni Walton genannt nach seinem Erfinder. Der Belag punktet außerdem mit seinen Ausgangsmaterialen; genauer gesagt, weil er ohne einen Stoff auskommt, der immer wieder in der Diskussion steht: PVC. Linoleum-Bodenbeläge bestehen fast komplett aus natürlichen und zum größten Teil aus schnell nachwachsenden Rohstoffen. Seine Rezeptur macht den Boden nachhaltig. Linoleum beeinträchtigt nicht die Raumluft mit schädlichen Emissionen. Und das Produkt ist mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Last but not least: Linoleum ist auch preislich attraktiv.

Entscheider wählen aufgrund dieser positiven Eigenschaften bis heute häufig Linoleum als Bodenbelag für Krankenhäuser, Schulen, Kitas und Universitäten. Ein Großteil der schätzungsweise rund 10 Mio. m2 Linoleumbeläge, die jährlich in der D/A/CH-Region verlegt werden, finden sich in diesen Gebäuden. Im Wohnungsbau hingegen musste Linoleum erst an CV und in der jüngeren Vergangenheit an Designbeläge Absatzvolumen abgeben.

Wunder Punkt:
Verschmutzungen und Kratzer

Neben der im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten etwas schwergängigen Verlegung hat Linoleum auch immer mit dem Thema Reinigung und Pflege zu kämpfen: Wird der Belag nicht regelmäßig und richtig gereinigt und gepflegt, schmutzt er vergleichsweise schnell an und sieht aufgrund von Gehspuren, Verstrichungen, Kratzern und Verschleiß nicht mehr attraktiv aus.

DLW, seit 2018 im Besitz von Gerflor, hatte im Gegensatz zum Wettbewerb immer versucht, dieses Problem - unter großem Lageraufwand - mit zwei unterschiedlichen Beschichtungen zu lösen. Eine für das Bildungswesen, also hauptsächlich Schulen und Kitas. Und eine zweite für das Healtcare-Segment, das heißt vor allem Krankenhäuser. Die Variante LPX auf Acryl-Basis ist beispielsweise bei Kratzern leicht zu renovieren - sowohl vollflächig als auch partiell - und damit gut geeignet für Flächen im Bildungswesen. Sie hat aber Grenzen in Bezug auf Chemikalienbeständigkeit und Hygiene. Auch die Reinigung ist etwas aufwändiger.

PUR, die zweite Beschichtung von DLW, bietet sich mit ihrer guten Beständigkeit gegenüber Chemikalien und hohem Hygieneniveau für Flächen im Healthcare-Sektor an. Der Nachteil: Die PUR-Beschichtung kann bei Beschädigungen nicht renoviert werden und muss komplett abgetragen werden, bevor neu eingepflegt werden kann.

Neocare ist universell

Der Gerflor-Konzern hat dieses Dilemma jetzt mit einer nach eigenen Angaben "echten Innovation für die Produktgattung" gelöst. Die neue Kollektion ist mit einer neuen Beschichtung ausgestattet. "Ein Meilenstein für Linoleum", sagt Johannes Felker mit Stolz. Der Leiter Entwicklung bei der Linoleum-Produktionsgesellschaft Gerflor DLW in Delmenhorst hat rund zwei Jahre zusammen mit seinen Gerflor-Kollegen aus Troisdorf und Frankreich entwickelt und getestet: Die neue Variante heißt Neocare und verbindet die Vorteile der beiden bisherigen Varianten, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen (siehe Kasten Seite 28). Alle Linoleumbodenbeläge der neuen DLW-Kollektion, die im Oktober 2020 in den Markt geht, sind mit Neocare ausgestattet. Die beiden Varianten LPX und PUR laufen mit den alten Produkten nach und nach aus und werden dann eingestellt.

"Mit Neocare ist DLW sozusagen ,ready for future’, weil wir endlich eine Beschichtung für alle Anwendungen anbieten können und unsere Position beim Thema Reinigung und Pflege gegenüber anderen Herstellern und Produkten stärken", erklärt Michael Stein, Gerflor-Geschäftsführer Vertrieb und Marketing für Deutschland, Österreich und Schweiz vor Ort in Delmenhorst. Gleichzeitig gehörten der immens hohe Lageraufwand sowie die damit verbundenen Kosten der Vergangenheit an.

Millionenbetrag investiert

In die Entwicklung von Neocare hat Gerflor viel Geld investiert. Seit der Übernahme der Linoleumproduktion von DLW im Februar 2018 hatte der französische Konzern bereits eine Menge Geld in die Hand genommen für Optimierung und Ausweitung der Produktion sowie die Wiederherstellung der vollen Lieferfähigkeit von DLW in der D/A/CH-Region.
Diese massiven Investitionen sind ein klares Statement der Franzosen, dass sie es mit ihrem ausgegebenen Ziel ernst meinen: mittel- bis langfristig will Gerflor die an Weltmarktführer Forbo Flooring verlorene Marktführerschaft bei Linoleum in der Region D/A/CH zurückerobern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss mit DLW der Rückstand aufgeholt werden, der durch zwei Insolvenzen zwischen 2014 und 2017 entstanden ist. Ein Beispiel: Ein beträchtlicher Teil der laufenden Kollektion war in dieser Zeit nicht mehr ab Lager verfügbar.

Neue Kollektion hat 159 Farben

Mit der Wiederherstellung der Lieferfähigkeit von DLW-Linoleum hat Gerflor sicherlich verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können. Von der neuen Oberflächenbeschichtung versprechen sich die Verantwortlichen einen weiteren Schub.

Gleichzeitig meldet sich das Unternehmen mit der aktualisierten und erweiterten DLW-Linoleumkollektion auch produktseitig voll und ganz zurück auf dem Markt. Die Serie mit dem Motto "Creative by nature" ist die erste neue Gesamtkollektion aus Delmenhorst seit 2012. Zur BAU 2019 hatte das Unternehmen das aus 18 Betonoptiken bestehende Kompaktbuch Lino Art Urban herausgebracht.

Im Oktober 2020 nun also eine neue Gesamtkollektion: "Sie bietet nicht nur mit der neuen universellen und robusten Beschichtung mehr Möglichkeiten; mit ihren 159 Farben in neun Designlinien ist die Kollektion Ausgangspunkt für die Planung von kreativen und anspruchsvollen Bodenflächen im Objekt", wirbt Frank Selbeck, Geflor-Marketingleiter Handel und Objekt Deutschland.

Mutiges und modernes Lino

Die Kollektion besteht zu einem großen Teil aus bewährten, klassischen Lino-Produkten wie Uni Walton sowie Marmorette- und Colorette-Designs. Die Gerflor-Mannschaft hat jedoch veraltete Farben herausgenommen und die Serie gleichzeitig mit neuen und überarbeiteten Designs attraktiver und zeitgemäßer gestaltet. "Wir haben dabei bewusst auf Pastell- und auch mutigere, lautere Töne und poppige Akzentfarben gesetzt", beschreibt Selbeck den Entwicklungsprozess.

Ganz neu ist Lino Art Flow - ein expressionistisches Streifendesign mit einer holzähnlichen Anmutung. Ein weiterer Eyecatcher der Kollektion ist das Design Arabesque. Die Weiterentwicklung interpretiert den Klassiker Marmorette neu. Seine marmorierte Optik ist nach oben ins Weiße und bewusst heller "gedreht" worden. Sie besticht durch eine sanfte marmorierte Struktur in der Optik auf dem Meer tanzender Schaumkronen.

"Mix und Match" möglich

Die Kollektion wurde inhaltlich so modifiziert, dass sie dem Gestaltungsprinzip "Mix and Match" folgt. Das bedeutet: Farbtöne tauchen in unterschiedlichen Qualitäten in den einzelnen Design- und Farbwelten immer wieder auf, so dass sich die einzelnen Designs miteinander kombinieren lassen.

Das neue DLW-Linoleum ist insgesamt matter als früher. Gerflor bietet es in zwei Akustikversionen an, aus Korkment sowie einem speziellen Schaum: Das schafft 15 beziehungsweise 19 dB Schallreduktion. Auch eine leitfähige Ausführung wird produziert. Das noch unter Armstrong DLW entwickelte modulare Naturcore hat Gerflor vom Markt genommen. Es müsse komplett neu entwickelt werden, da es nicht zukunftsfähig sei, heißt es vom jetzigen Eigentümer.

Punkten mit Nachhaltigkeit

In der Vermarktung zieht Gerflor auch die Nachhaltigkeits-Karte. Das seit 1882 in Deutschland hergestellte DLW Linoleum besteht aus bis zu 98 % organischen und mineralischen Rohstoffen wie Leinöl, Holz, Kalkstein, Jute und Harz, von denen 76 % innerhalb eines Jahres sehr schnell nachwachsen.

Gerflor sagt zudem über sich selbst, dass es seine Bodenbeläge grundsätzlich unter strenger Bewertung einer Lebenszyklus-Analyse entwickelt. Werden die ersten drei von insgesamt sechs Phasen des Lebenszyklus zusammengefasst, also von den Rohstoffen bis zur Bereitstellung des fertigen Produktes ab Werk - das so genannte "cradle to gate" -, dann wird DLW-Linoleum
CO-neutral hergestellt.

Linoleum unter der Marke DLW wird nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft entwickelt und erfüllt die Bewertungskriterien der "Cradle to Cradle"- Zertifizierung in Silber. Diese bestätigt den Einsatz umweltsicherer und wiederverwertbarer Materialien, die Nutzung regenerativer Energien, den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser sowie das sozial verantwortliche Handeln bei Gerflor. Nicht zuletzt stellen die marktweit einzigartig niedrigen TVOC-Emissionen von weniger als 10 g/m3 nach 28 Tagen eine hohe Raumluftqualität sicher, erklärt das Unternehmen. Und auch Gerflor kann für seinen Linoleumbelag das Umweltzeichen Blauer Engel vorweisen.

| jochen.lange@snfachpresse.de


Die Deutschen Linoleum-Werke Eine wechselvolle Geschichte
1882 Beginn der DLW-Linoleum-Produktion in Deutschland unter Vorgänger-Firmen.

1926 Die Firma DLW entsteht durch das Zusammengehen von fünf Linoleumfabriken.

1998 Armstrong Industries übernehmen DLW. Die US-Amerikaner wollen damit ihr Geschäft in Europa entwickeln, was aber nicht gelingt.

2007 Armstrong DLW macht 40,4 Mio. EUR Minus. Die Mutter investiert rund 135 Mio. USD (heute ca. 114 Mio. EUR), aber die Tochter schreibt bei einem Umsatz von 160 Mio. EUR (2013) weiter rote Zahlen.

2014 In den ersten drei Quartalen fällt ein operativer Verlust von 18,7 Mio. EUR an; im Dezember wird Insolvenz beantragt. Armstrong hatte angekündigt, das europäische Geschäft mit Bodenbelägen aufzugeben.

2015 Im Sommer übernimmt der branchenfremde niederländische Investor Fields das Unternehmen. Das Insolvenzverfahren wird beendet und ab Juli trägt der Hersteller den neuen Namen DLW Flooring.

2017 Fields geht das Geld aus, DLW Flooring beantragt im Oktober erneut Insolvenz, dieses Mal in Eigenverwaltung. Der Betrieb mit 730 Mitarbeitern läuft weiter bei einem Jahresumsatz von rund 133 Mio. EUR.

2018 Der französische Bodenbelagskonzern Gerflor übernimmt im Februar den Linoleum-Produktionsstandort Delmenhorst mit allen 270 Beschäftigten, 35 Angestellten in den Auslandsgesellschaften von DLW sowie 42 Mitarbeitern in Bietigheim-Bissingen. Geschlossen werden muss hingegen der Standort Bietigheim-Bissingen. Dort wechseln 180 weitere Beschäftigte in eine Transfergesellschaft.

2020 Gerflor hat kräftig investiert, eine neue universelle Beschichtung entwickelt und bringt im Oktober eine neue DLW-Linoleum-Kollektion heraus - die erste seit 2012.
aus BTH Heimtex 10/20 (Wirtschaft)