Mehr konservierungsmittelfreie Lacke und Farben im Sortiment

Manche Menschen reagieren allergisch auf Inhaltsstoffe in Farben und Lacken, etwa das als Konservierungsmittel eingesetzte Biozid Isothiazolinon. Die steigende Nachfrage bei konservierungsmittelfreien Produkten verändert die Sortimente.

Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Lacken und Farben steigt bereits seit Jahren kontinuierlich an. Mittlerweile nimmt auch die Zahl der Menschen zu, die nicht nur den Verzicht von Lösemitteln fordern, sondern auch Produkte ohne Konservierungsmittel - vor allem Allergiker, die empfindlich auf diese Stoffe reagieren, und Planer, die für die Einrichtung sensibler Bereiche zuständig sind. "Der Wunsch des Endverbrauchers nach konservierungsmittelfreien Produkten wird spürbar größer", sagt Christian Engel, Leiter der Anwendungstechnik beim Farbenhersteller Jonas in Wülfrath, und verweist damit auf eine Tendenz, die von den übrigen von BTH Heimtex befragten Produzenten bestätigt wird.

Nach Angaben des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) enthalten die meisten Wandfarben heute keine Lösemittel mehr, sondern hauptsächlich Wasser. Dadurch seien unter anderem die umweltschädlichen VOC-Emissionen erheblich gesenkt werden. Auch bei den Lacken sei der Lösemittelanteil erheblich reduziert worden. Allerdings habe diese Entwicklung eine Kehrseite: Farben und Lacke auf Wasserbasis seien anfällig für mikrobiellen Befall. "Ohne Konservierungsmittel würden rund ein Drittel der Farben in kurzer Zeit im Eimer verderben, noch bevor sie den Verbraucher erreichen. Eine verdorbene Farbe darf nicht mehr verwendet werden", teilt der Verband mit.

Eines dieser Konservierungsmittel ist das Biozid Isothiazolinon. "Die Gruppe der Isothiazolinone gehört zu den wenigen Konservierungsmitteln, die gegen eine Vielzahl von Schadorganismen einsetzbar sind und sich auch kombinieren lassen, um Resistenzen vorzubeugen", heißt es beim VdL. Aber: Gegen Isothiazolinon entwickeln viele Menschen eine Allergie.

Betriebshygiene ist das A und O

Trotz der Kraftanstrengung, die nötig ist, um wasserbasierte Farben und Lacke ohne Isothiazolinone und andere Konservierungsstoffe herzustellen, verzichtet die Industrie zunehmend auf diese Stoffe. Ein wichtiger Faktor ist daher die Betriebshygiene im gesamten Herstell- und Abfüllungsprozess, um das Eindringen von Keimen in die Farbe zu verhindern. Nach Auskunft von Jonas sind optimierte Rezepturen, streng kontrollierte Rohstoffe und ein perfektes Hygienekonzept erforderlich. Durch physikalische Verfahren werde ein keimunfreundliches Milieu erreicht, wodurch die biozidfreien Produkte die gleiche Haltbarkeit gewährleisteten wie ihre Vorgänger. "Durch unsere jahrelange Erfahrung ist das bei uns keine Schwierigkeit mehr", meint Christian Schubert, Produktmanager bei Südwest Lacke + Farben.

Aber die Hygiene ist noch nicht alles. Darüber hinaus spielt nach Aussage von Rainer Troppmairm, Leiter Entwicklung Fenster- und Bautenlacke, und Alexander Ringler, Leitung Verkauf Sparte Handel bei Adler, der ph-Wert eine große Rolle. Er müsse über 10 liegen, damit sich keine Bakterien bilden.

Keimfarben verwendet als Bindemittel Kaliwasserglas, durch das die Farben einen sehr hohen ph-Wert erhalten. "Wir liegen hier im Schnitt bei 11. In diesem alkalischen Milieu fühlen sich Bakterien und Pilze nicht wohl", heißt es aus dem Produktmanagement bei dem Diedorfer Unternehmen.

Bei Caparol wird auf die E.L.F.-Technologie gesetzt, die ihre Erfolgsgeschichte in Ober-Ramstadt 1985 mit der ersten emissionsminimierten und lösemittelfreien Innendispersion E.L.F. begann und kürzlich um E.L.F. Plus ergänzt wurde. "Die fortschrittliche neue und patentierte Technologie macht es möglich, die Haltbarkeit der Produkte auch ohne Konservierungsstoffe zu gewährleisten", macht Marketing-Managerin Wiebke Melzig deutlich. Die Lagerstabilität der Farben sei gegeben und stehe der einer konservierten Farbe in nichts nach.

Doch für Harald Kranz, Marketingleiter bei Zero-Lack, steht gleichwohl fest: "Die Herstellung ist anspruchsvoller und auch kostenintensiver." Dennoch steht die konservierungsmittelfreie Rezeptur bei Zero-Lack wie auch bei allen anderen Farbenherstellern auf der Agenda. Produziert wird aber in unterschiedlichem Umfang. Jonas teilt mit, dass bereits 95 % der Innenprodukte des Unternehmens frei von Konservierungsmitteln sind. In diesem Herbst erhalten auch die Grundierungen den "o.K-Button", der für "ohne Konservierungsstoffe" steht. "Inzwischen verzichten wir bei zahlreichen Produkten aus unserem Kernsortiment auf Konservierungsmittel uns sind intensiv dabei, den Anteil konservierungsmittelfreier Produkte weiter auszubauen, um unser Sortiment sukzessive auf konservierungsmittelfrei umzustellen", erläutert Wiebke Melzig von Caparol.

Bei Keim kommt fast das komplette Produktsegment heute schon ohne Zusätze von Konservierungsmitteln aus.Und auch bei der Decor-Union ist der Anteil im Eigenmarken-Sortiment "sehr groß": "Unter Meistergold Casulan haben wir sogar eine Produktlinie, die schadstofffrei und frei von Konservierungsmitteln ist", hebt Jan Diehlmann hervor, Leiter Einkauf und Produktmanagement Farben. Adler erwartet für dieses Jahr einen Anteil von rund 35 %, bei Südwest liegt er derzeit bei 20 % im Innenfarben-Sortiment. "Sie entwickeln sich deutlich stärker als die konventionellen Farben", sagt Schubert von Südwest. "Bei den Innenputzen bieten wir sogar nur noch konservierungsmittelfreie Produkte. Seit der Umstellung auf die konservierungsmittelfreie Bio-Qualität hat sich unser Innenputz-Absatz fast verdoppelt." Nach Angaben von Patrick Lühr, Gruppenleiter Anwendungstechnik der Mega, "sind konservierungsmittelfreie Produkte zwar noch in der Unterzahl, führen aber schon länger kein Nischendasein mehr".

Hohe Akzeptanz beim Profimaler

Zwar ging die Initiative für die Produktion konservierungsmittelfreier Produkte vom Endverbraucher aus. Aber auch der Profimaler zieht mit. "Er hat seine anfänglichen Vorbehalte mittlerweile weitestgehend abgebaut", ist Lühr überzeugt. "Aber da diese Produkte in der Regel hochpreisiger sind, muss der Handwerker dies natürlich in seiner Angebotskalkulation berücksichtigen und seinen Kunden den Mehrwert wohngesünderer Produkte vermitteln", rät er den Malern. Lediglich Adler bemängelt, dass einem Großteil der Maler die konservierungsmittelfreien Produkte noch nicht so wichtig seien und nur eine Rolle spielten, wenn der Kunde sie verlange.

Dennoch ist Akzeptanz insgesamt inzwischen groß, was sicherlich auch auf die guten Verarbeitungseigenschaften zurückzuführen ist. "Für die Forschung und Entwicklung lag die besondere Herausforderung darin, eine neue Farbe zu entwickeln, die trotz der konservierungsmittelfreien Technologie die bisherigen positiven Eigenschaften beibehält", beschreibt Wiebke Melzig. Nach ihre Worten ist Caparol bei der Entwicklung keine Kompromisse in puncto Verarbeitung, Deckvermögen, Weißgrad, Offenzeit, Füllkraft und Oberfläche eingegangen.

Die Farbenanbieter bestätigen die hohe Qualität der Produkte. "Konservierungsmittelfreie Anstriche stehen Anstrichen mit Konservierungsmitteln in der Verarbeitung in nichts nach", ist man bei Keim sicher. Und Patrick Lühr von der Mega setzt noch eins darauf: "Heutige konservierungsmittelfreie Qualitäten sind absolut gleichzusetzen und zum Teil sogar besser als vergleichbare Produkte mit Konservierungsmitteln."

Auch wenn immer mehr Hersteller den Anteil an konservierungsmittelfreien Farben und Lacken in ihrem Sortiment sukzessive erhöhen, ganz ohne die gängigen Konservierungsmittel werden sie in absehbarer Zeit nicht auskommen. "Ein kompletter Verzicht auf Konservierungsmitteln in allen Farben und Lacken ist nach dem aktuellen Stand der Technik nicht möglich", teilt der VdL mit. Die Lack- und Druckfarbenindustrie würde die Entwicklung neuer toxikologisch unbedenklicher Konservierungsstoffe sehr begrüßen, doch sprächen drei Gründe gegen die Marktreife neuer Konservierungsmittel. Zum einen sei eine gezielte Forschung nach Wirkstoffen, die die notwendige Bandbreite haben, schwierig. Zudem seien nur wenige Konservierungsmittel mit der Farbe kompatibel. Und schließlich seien die Entwicklungskosten sehr hoch - auch aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben.
| Cornelia Küsel
aus BTH Heimtex 10/21 (Farben, Lacke)