Marktplätze für lokale Händler

Hier werden stationäre Händler online sichtbar

Freilassing. Der Startschuss fiel in Wuppertal, Corona verlieh dann einen kräftigen Schub: Das bayerische Unternehmen Atalanda hat in mittlerweile 24 Städten lokale Online-Marktplätze etabliert. Das frühere Start-up verknüpft die Händler vor Ort mit der digitalen Welt - und kann als David gegen die Online-Riesen bestehen.

Die Konstellation erinnert ein wenig an den biblischen Kampf zwischen David und Goliath. Auf der einen Seite: Internet- Giganten wie Amazon, Google und eBay, deren globale Marktführerschaft im Online-Handel ungebrochen scheint. Auf der anderen Seite: kleinere Firmen, die nur lokalen Akteuren ein Begriff sind. Atalanda im oberbayerischen Freilassing zum Beispiel, das inzwischen 14 haupt- und mehrere nebenberufliche Mitarbeiter beschäftigt.

Das von Roman Heimbold 2012 als klassisches Start-up gegründete Unternehmen schafft lokale Online-Marktplätze für stationäre Einzelhändler. Bestellt wird die gewünschte Ware von den Endkunden zwar im Internet, aber der Händler bleibt dabei nicht anonymer Lieferant, dessen Namen man nicht einmal kennt, sondern er bleibt erkennbar. Und zwar nicht nur beim Kauf des Produkts, sondern bei allen weiteren Service- und Dienstleistungen, sowie als persönlicher Ansprechpartner im After-Sales-Bereich.

Er ist für den Kunden und die Kundin im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar. "Bei den großen Internet-Händlern wird versucht, den Händler ganz nach hinten zu rücken oder gar nicht in Erscheinung treten zu lassen", schildert Heimbold. "Wir hingegen geben ihnen eine Plattform, auf der sie sich mit ihren Produkten präsentieren können. Wir fördern den direkten Kontakt zwischen Kunden und Händlern."

Atalanda bietet die Möglichkeit, Produkte von lokalen Händlern einfach und schnell online zu bestellen. Der Kunde kann sich das Sortiment online anschauen und sich die Ware dann bequem nach Hause liefern lassen. Dies noch am selben Tag - wenn er im gleichen Ort wohnt. Alternativ kann er den gewünschten Artikel aber auch - und das unterscheidet Atalanda von der Konkurrenz - in seinem Wohnort selbst abholen. "Einfach online aussuchen und die Ware dann im jeweiligen Geschäft persönlich entgegennehmen", so Heimbold.

Inzwischen präsentieren viele teilnehmende Händler aus ganz Deutschland, von Hamburg über Wuppertal bis nach Günzburg und Pfaffenhofen, ihr Sortiment im Online-Schaufenster von Atalanda. Die Firma ist derzeit deutschlandweit in 24 Städten vertreten - neben den genannten unter anderem in Heilbronn, Monheim am Rhein, Ettlingen, Bochum und vielen anderen. Immer wieder kommen neue hinzu. Dabei war der Anfang alles andere als leicht. Heimbold ging ein hohes Risiko ein: Er warf eine sichere und gut dotierte Anstellung als Geschäftsführer einer Medienagentur in München hin. Zunächst war da nur die Idee, Städte, Gemeinden und andere Ortschaften als "dezentrales Warenlager" zu begreifen und ihnen ein umfassendes Forum für die Produkte ihrer Händler zu geben. "Im Grunde sind ja alle Strukturen schon da, man muss nur einen übergeordneten Marktplatz schaffen."

Heimbold machte sich 2012 ans Werk - und landete erst einmal einen Flop. In Hamburg und Salzburg klopften er und sein Team bei den unterschiedlichsten Händlern an. Weit über zwei Drittel bekundeten sogleich ihr Interesse, einzusteigen und ihre Waren über die neue Plattform zu präsentieren. Doch als es dann an die Umsetzung ging und die Geschäfte ihre Daten, Bilder und Fotos hätten liefern sollen, war die Zahl derjenigen, die anfangs zugesagt hatten, auf 20 Prozent zusammengeschmolzen. "Es ist einfach nichts passiert. Das war frustrierend." Heimbold wollte schon hinschmeißen.

Doch wie so oft im Leben kommt der Erfolg dann, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Im Fall von Atalanda waren das der Local-Commerce-Experte Andreas Haderlein und die Wirtschaftsförderer der nordrhein-westfälischen Stadt Wuppertal. Sie waren von der Idee fasziniert - und boten an, bei möglichst vielen Händlern der Stadt vorstellig zu werden. Zahlreiche von ihnen stiegen ein und schufen so das erste breite Fundament der neuen Plattform im Netz. Seitdem weiß Heimbold, dass es für seinen Unternehmenserfolg auf zwei Dinge ankommt: "Es muss jemanden geben, der die Beziehungen vor Ort herstellt, also eine Art sozialen Kümmerer, und die Händler müssen motiviert sein. Sonst klappt es nicht. Der Wunsch nach einer solchen Plattform, wie wir sie bieten, muss von innen herauskommen. Von ganzem Herzen."

Inzwischen arbeitet das Team rund um die Uhr daran, die Vorteile des lokalen Handels mit den Vorzügen des Online-Shoppings zu verbinden. Auch in Luxemburg ist Atalanda inzwischen aktiv. Die Corona-Krise hat dem Unternehmen noch einmal einen Schub nach oben gegeben: Die Umsätze sind in den vergangenen Monaten wegen des Lockdowns deutlich gewachsen. "Die Menschen kaufen immer mehr von Zuhause aus. Davon profitiert unser Dienst natürlich."

Die Produktvielfalt ist beachtlich. Über Atalanda kann beim örtlichen Händler eine ganze Menge gekauft werden, doch nicht nur regionale Geschäfte, sondern auch ortsansässige Dienstleister bieten ihre Leistungen an. Ein Termin beim Friseur, Steuerberater oder Physiotherapeuten kann online genauso schnell angefragt werden wie ein Wochenendausflug mit der Familie. Außerdem können sich die Nutzer zentrale Informationen zu neuen Restaurants, Hotels oder Eisdielen in ihrer Stadt verschaffen und einen Überblick über anstehende Veranstaltungen in der Region bekommen. Auch hier gilt wieder die Devise: online kaufen, doch auf den Service und die Dienstleistungen des Händlers vor Ort nicht verzichten müssen.

Ein Markenzeichen der Firma ist dabei, dass die Ware noch am gleichen Tag geliefert wird. "Damit sind wir in vielen Städten schneller als Amazon Prime", unterstreicht Heimbold. Für diesen Erfolg wurde Atalanda bereits 2015 von der Rid Stiftung mit dem Sonderpreis des Innovationswettbewerbs "Handel im Wandel" ausgezeichnet. Das Beispiel zeigt: Einen Goliath herauszufordern, ist gar nicht so schwer. Man muss nur ein kleiner David sein, eine zündende Idee haben - und sie im richtigen Augenblick gemeinsam mit anderen umsetzen.
Hier werden stationäre Händler online sichtbar
Foto/Grafik: Rid Stiftung/Jan Schmiedel
Roman Heimbold gegründete Atalanda 2012 als klassisches Start-up.
Hier werden stationäre Händler online sichtbar
Foto/Grafik: Rid Stiftung/Jan Schmiedel
Deutschlandweit in 24 Städten vertreten: die Online-Marktplätze von Atalanda. Die Corona-Krise hat dem Unternehmen noch einmal einen Schub nach oben gegeben.
Hier werden stationäre Händler online sichtbar
Foto/Grafik: Rid Stiftung/Jan Schmiedel
Beispiel Pfaffenhofen: Hier finden Kunden im Netz das Angebot lokaler Händler.
aus Haustex 04/21 (Handel)