Hygiene am Boden: Aktuelle Umfrage in der Industrie

"Ein Fußboden ist kein klassischer Risikobereich"


Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, ist Hygiene mit der Corona-Pandemie zu einem zentralen Anliegen geworden. Nicht mehr nur Gesundheitseinrichtungen, sondern auch Gastronomie, Hotellerie, Friseure und Fitnessstudios mussten sich auf die Auflagen des jetzt geforderten Infektionsschutzes einstellen. Parkett Magazin hat die Industrie gefragt, was die gestiegenen Anforderungen an den Schutz vor Viren und Bakterien für die Ausrüstung, Pflege und Reinigung von Bodenflächen in hygienesensiblen Bereichen bedeuten.

Hat das Thema Desinfektion/Infektionsschutz seit Corona in der Kundenberatung an Bedeutung gewonnen?


Helmut Valenta, Leitung Anwendungstechnik Bauwerk Österreich: Ja, die Anfragen häufen sich, vor allem, wenn es um die Eignung von Desinfektionsmitteln geht.

Franziska Herrmann, PR- und Marketingleitung Objekt Kährs: Die Nachfrage nach funktionalen Bodenbelägen, die Bakterienwachstum minimieren können, ist kontinuierlich auf hohem Niveau. Die Konsumenten sind durch das Thema weiter sensibilisiert worden.


Welche Bodenbeläge eignen sich unter funktionalen Aspekten für hygienesensible Bereiche?


Bernhard Grewing, Leiter Anwendungstechnik Windmöller: Insbesondere Bodenbeläge mit einer geschlossenen Oberfläche eignen sich für hygienesensible Bereiche, da sie Keimen wenig bis keine Verkrallungsmöglichkeit bieten. Offene oder auch strukturierte Oberflächen hingegen begünstigen die Ansiedelung und Vermehrung von Keimen. Deckschichten aus Polyurethan (Differenzierung zu PU-vergüteten PVC-Deckschichten) sind hochverdichtet bzw. geschlossen und bieten somit sehr gute Keimresistenz sowie sehr hohe Beständigkeit gegen Abrieb, womit sie auch bei hoher Nutzungsfrequenz gepaart mit häufigem Reinigen eine lange Lebensdauer bis in die leicht industriellen Einsatzbereiche bieten.

Helmut Valenta: Dort, wo erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Hygiene gefordert werden, sollten glatte Flächen eingesetzt werden, also keine gebürsteten oder gefasten Parkettdielen. Hochwertige Werksversiegelungen weisen eine sehr hohe Chemikalienbeständigkeit auf, auch gegenüber den meisten Händedesinfektionsmitteln. Bei der Verwendung von Flächendesinfektionsmitteln, die defacto nur im Krankenhausbereich eingesetzt werden, sollten immer Vorversuche oder Abklärungen mit dem Hersteller erfolgen.

Eine mögliche Schwachstelle sind der Einsatz von einigen Pflegeprodukten, die im Regelfall auch wieder im Zuge einer Grundreinigung entfernbar sein müssen. Dies geschieht üblicherweise mit einer alkoholbasierten Lösung. Genau diese Alkohole sind aber auch in Handdesinfektionsmitteln enthalten. Das kann zu unschönen Fleckenbildungen führen.

Tobias Saurugger-Pölzl, Leitung Kundenservice Weitzer Parkett: Wir haben bereits vielfach in hygienerelevante Bereiche Parkettböden geliefert. Aufgrund unserer Erfahrungen und Referenzen sehen wir grundsätzlich keine Einschränkungen in Krankenhäusern, Altenheimen, Privat-, Kur- und Rehakliniken. Unsere lackierten und werksversiegelten Oberflächen sind desinfektionsmittel- und urinbeständig sowie schweißecht.

Ein Problem ist eher, dass viel zu feucht und ungeeignet gereinigt wird. In hygienerelevanten Bereichen wird mitunter aus hygienischen Gründen mehrmals täglich mit Wasser und leichten Desinfektionsmitteln gereinigt. In diesem Zusammenhang sind nicht die relativ gering dosierten Desinfektionsmittel auf Alkohol- und Acetatbasis problematisch, es sollte aber nur nebelfeucht ohne große Wassermengen gereinigt werden, denn diese sind nachteilig für das Erscheinungsbild eines Parkettbodens. Auch Flüssigkeiten wie Urin sollten nach Möglichkeit wieder von der Oberfläche entfernt werden. Ein Holzboden ist kein fugen- bzw. wasserdichter Belag.


Schlägt jetzt die Stunde von Bodenbelägen mit antibakterieller Ausrüstung? Welchen Schutz bieten diese Produkt konkret - und wie dauerhaft?


Volker Kettler, Mitglied der Geschäftsleitung Meisterwerke: Wir denken schon, dass sich die Verbraucher aus gegebenem Anlass stärker für das Thema interessieren. Unsere Laminat- und Designböden made in Germany sind antibakteriell getestet und bieten Bakterien keinen Nährboden, ähnlich wie Küchenarbeitsplatten oder Labortische. Deswegen können wir auf antibakterielle Zusatzstoffe verzichten, die zum Teil nur für eine begrenzte Zeit eine entsprechende Wirkung haben und im Widerspruch zu den "Blauer Engel"-Kriterien stehen.

Bernhard Grewing: Antibakterielle Oberflächenausrüstungen kommen in erster Linie gegen multiresistente Keime zum Einsatz, bieten hinsichtlich Corona-Viren aber keine 100 %-ige Sicherheit. Die größte Sicherheit hat man mit dem Paket aus gleichmäßig geschlossener, belastbarer Oberfläche und einer regelmäßigen, fachgerechten Reinigung, die auf die individuellen Anforderungen des Objektes und der Bewohner abgestimmt ist.

Helmut Valenta: Grundsätzlich muss dazu beachtet werden, dass ein Fußboden kein klassischer Risikobereich ist. Das Robert Koch Institut (RKI) schreibt dazu: Für Flächen ohne häufigen Hand- oder Hautkontakt kann auf eine routinemäßige Desinfektion verzichtet werden.

Holzzböden weisen aufgrund der natürlichen Inhaltsstoffe im Holz bereits antibakterielle Eigenschaften auf. Natürlich können Parkettoberflächen auch mit anitviruellen Eigenschaften ausgestattet werden. Dies hat aber immer einen nicht unwesentlichen Nebeneffekt, wenn es um Nachhaltigkeit, Wohngesundheit oder mögliche Wassergefährdung geht. Derzeit werden im Übermaß chemische Wirkstoffe wie Silberverbindungen, Ammonium, Wasserstoffperoxid etc. eingesetzt. Parkettoberflächen können durchaus mit derartigen Substanzen auch in Verbindung mit speziellen Pflegemitteln dauerhaft eine antibakterielle Wirkung aufweisen. Wie sinnvoll das auf Dauer für Mensch und Umwelt ist, darf ernsthaft angezweifelt werden.


Was ist bei der Verlegung von Böden in hygienesensiblen Bereichen zu beachten?


Franziska Hermann: Bahnenware sollte unter hohen Temperaturen verschweißt werden, um eine dichte Bodenfläche zu schaffen und somit jegliche Keimquelle zwischen den Bahnen auszuschließen. Im Fugenbereich bieten dichte Oberflächen somit perfekte Hygiene und Keimen keine Chance. Hygiene- und baulich-funktionale Gestaltungen zu erfüllen, wird auch durch eine Wannenverlegung möglich. Das Prinzip der fugendichten Sockelausbildung mit weniger Angriffsfläche für Bakterien, erfüllt nicht nur die Empfehlungen (IfSG Infektionsschutzgesetz) des Robert-Koch Instituts (RKI), sondern ist auch kosteneffizienter gegenüber einer herkömmlichen Sockelgestaltung.

Bernhard Grewing: Möglichst geschlossene Fugen. Keine Rückstände von Reinigungsmitteln. Hohlkehlen oder auch Hochzüge bieten als Wandabschluss durch die Biegung keine Keimnester in Form von Ecken.

Helmut Valenta: Fugenbildungen bei Holzböden können durch Einhaltung eines gesunden Raumklimas verhindert werden. Bei der Oberflächenbehandlung sind Ausführungen ohne Bürstung oder Fasen vorzuziehen.


Was ist bei der Reinigung und Pflege von Böden hinsichtlich Desinfektion/Infektionssschutz zu beachten?


Bernhard Grewing: In hygienerelevanten Bereichen ist mit dem Hygienebeauftragten abzustimmen, welche Flächen, Möbel, Gegenstände etc. wie häufig zu desinfizieren sind. Dies ist abhängig vom Objekt und dessen Bewohnern (z.B. Krankenhaus). Zuständig ist entweder das Gesundheitsamt oder die Hygienekommission der Einrichtung.

Häufiges Reinigen und Desinfizieren empfiehlt sich dort, wo Erkrankungen auftreten können, so dass Keimen der Nährboden entzogen wird. Unnötiges Desinfizieren hingegen schadet eher der Umwelt und kann resistente Keime erzeugen. Möglichst trocken bzw. staubbindend reinigen, um wenig Feuchtigkeit zu hinterlassen. Wenn man nass reinigt, dann möglichst mit Multinetzer der gute Oberflächenvernetzung bietet. Rückstände (klebende) von Reinigungsmitteln können auch Nährboden für Keime bieten. Feucht imprägnierte Reinigungstücher (Einweg) werden direkt entsorgt und können so keine weitere Kontaminierung hervorzurufen.

Helmut Valenta: Aufgrund der Vielzahl an Produkten zur Desinfektion kann keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden. Geeignet sind in der Regel Desinfektionsmittel auf Basis von Alkoholen oder Acetaten. Eine trockene Oberfläche und eine regelmäßige Unterhaltsreinigung geben den Viren auf der Parkettflächen nur eine sehr kurze Überlebenszeit. Bei geölten Oberflächen muss auf eine regelmäßige Ölpflege geachtet werden. Eine gute Ölsättigung erhöht auch die Hygieneeigenschaften.


Unter welchen Bedingungen sind Parkett/Holzböden eine gute Wahl in hygienesensiblen Bereichen? Welche Oberflächenausrüstung sollten sie haben?


Helmut Valenta: Es gibt besonders sensible vor allem medizinische Bereiche, wo Parkett an seine Grenzen stößt. Diese Bereiche müssen flächig mit hochaggressiven Mitteln häufig und sehr nass behandelt werden. Das kann bei Parkett zu dauerhaften Schäden führen. Im Wohn- oder gewerblichen Bereich sind sowohl geölte als auch lackierte Oberflächen möglich. Bei geölten Oberflächen muss allerdings die regelmäßige Ölpflege gewährleistet sein.
"Ein Fußboden ist kein klassischer Risikobereich"
Foto/Grafik: shutterstock/mariakray
Hygiene am Boden: Aktuelle Umfrage in der Industrie
aus Parkett Magazin 06/20 (Bodenbeläge)