Coaching für eine bessere Nachtruhe

Schlafen will gelernt sein

Wuppertal. Vom Bettenfachhändler zum Schlafcoach: Björn Steinbrink stellt nicht mehr das Produkt in den Fokus seiner Aktivitäten, sondern das Thema Regeneration und Schlaf. Das Schlafcoaching wird mittlerweile bundesweit angeboten. Mit Vorträgen, Seminaren und gezielten Trainings sollen Spitzensportler wie Bewegungsmuffel lernen, wieder in einen gesunden Rhythmus zu kommen. Das Motto: Deutschland lernt schlafen.

Haustex: Herr Steinbrink, Schlaf gilt
als ein gesundheitlicher Megatrend.
Wie wichtig ist er für das persön-
liche Wohlbefinden?

Björn Steinbrink: Schlaf und Regeneration gehören zusammen. Der Schlaf sorgt nachts für Regeneration, aber tagsüber werden die Weichen hierfür gestellt. Die Entwicklungen der vergangenen 200 Jahre haben dazu geführt, dass nahezu alle Menschen deutlich schlechter schlafen als sie es von der Evolution her eigentlich könnten oder müssten. Das bedeutet: Rein gesundheitlich geht es uns heute deutlich schlechter als den Menschen vor 500 Jahren, weil wir nicht artgerecht leben. Und weil wir viel zu wenig regenerieren ist unser Schlaf heute deutlich schlechter.

Haustex: Was genau haben die
Menschen vor 500 Jahren besser
gemacht?

Steinbrink: Unser Hauptthema ist der zirkadiane Rhythmus, also die innere Uhr. Mit der Einführung der öffentlichen Beleuchtung haben sich die Lebensgewohnheiten der Menschen vollkommen verändert. Unsere Körper hatten überhaupt keine Gelegenheit, sich darauf einzustellen, was an Alarmreizen seither auf sie einprasselt. Licht beziehungsweise die Lichtverschmutzung ist ein ganz wesentliches Problem. Wenn der Körper eigentlich im Modus ist, Melatonin auszuschütten, runterzufahren und sich auf die Nacht einzustellen, setzen wir uns noch viel zu viel Licht aus, seit einigen Jahren auch verstärkt mit dem Smartphone.

Haustex: Welche weiteren Ursachen
sorgen für gestörten Schlaf?

Steinbrink: Da sind die Einflüsse aus der Arbeitswelt, eine schlechte Ernährung, zu wenig Training und Bewegung. Die Menschen haben verlernt, richtig zu atmen, das gehört auch dazu. All diese Faktoren wirken sich negativ auf Regeneration und Schlaf aus.

Haustex: Muss Deutschland
tatsächlich neu lernen zu schlafen?

Steinbrink: Nicht nur zu schlafen, sondern auch zu regenerieren. Unser Programm "Deutschland lernt schlafen" hat zum Ziel, dass wir unsere Kunden bestmöglich wieder in den richtigen Rhythmus zurückbringen, individuell angepasst an die persönlichen Lebensumstände.

Haustex: Sind Sie jetzt der
Schlaflehrer der Nation?

Steinbrink: Nein! Wir greifen in unserer Arbeit auf das zurück, was wissenschaftlich seit Jahren erforscht ist. Mittlerweile wird den Menschen zunehmend klar, dass wir ein generelles Problem mit dem Schlaf haben. Sie haben das Thema verstanden und fragen sich nun: Wo kann ich hingehen, wer kann mir helfen? Wer ist mein Ansprechpartner - mein Psychotherapeut, mein Hausarzt? Hier setzen wir an.

Haustex: Sie haben sich bei Ihrem
Schlafcoaching zunächst mit
Spitzensportlern beschäftigt.
Warum?

Steinbrink: Sportler sind deshalb so spannend, weil sie verstanden haben, wie wichtig Regeneration tagsüber und nachts tatsächlich ist. Aber auch ihnen fehlt es noch an Ansprechpartnern, die das Thema ganzheitlich betrachten. Das, was wir für Profi- und Leistungssportler anbieten, kann ich eins zu eins auf den Breitensport runterbrechen. Wenn jemand beispielsweise zweimal in der Woche Sport macht, sei es Laufen oder ein Rückentraining, dann verpuffen mindestens 30 Prozent des Trainingseffektes durch mangelnde Regeneration. Aber auch Menschen, die keinen Sport machen oder sich nicht viel bewegen, gehören dazu, denn auch sie müssen wieder in den richtigen Rhythmus kommen.

Haustex: Wie lernt der Endkunde
schlafen?

Steinbrink: Wir beginnen mit einer Ist-Analyse. Hier führt der Schlafcoach auf der Grundlage eines zertifizierten Fragebogens ein Gespräch und erfasst, wie der Kunde lebt, sich ernährt oder bewegt, wie er aktuell schläft und auch, worauf er schläft. Daraus wird analysiert, wie ein Programm aussehen kann, das ungefähr drei bis vier Monate dauert. Diese Bausteine setzt der Kunde dann step by step um, damit er wieder in seinen Rhythmus findet.

Haustex: Sie haben auch das
Endkunden-Programm FitForSleep
entwickelt. Was hat es damit auf sich?

Steinbrink: Hier geht es vor allem um das Thema Ergonomie und Schlaf. Es gibt viele Menschen, die aufgrund von Muskelverkürzungen oder Fehlhaltungen gar nicht ergonomisch richtig liegen und deshalb auch nicht schmerzfrei schlafen können. Sie haben mit dem physiotherapeutischen Programm FitForSleep die Möglichkeit, diese Fehlhaltungen oder Muskelverkürzungen zu bekämpfen.

Haustex: Wollen denn die Endkunden
tatsächlich gleich ein umfang-
reiches Schlafcoaching absolvieren,
wenn sie eigentlich nur eine neue
Matratze suchen?

Steinbrink: Die Menschen haben ein Interesse daran, leistungsfähiger zu werden, egal ob sportbezogen oder nicht. Sie wollen ihre Schlafstörungen beseitigen. Es gibt auch Menschen, die durch den zirkadianen Rhythmus ihre Gewichtsreduktion in den Griff bekommen, was sie vorher nicht geschafft haben. All diese Menschen sprechen wir an. Das genau ist die Trennung, die wir vollzogen haben: Die Kunden sollen zu uns kommen, damit sie über Regeneration, Schlaf- und Stressmanagement zu mehr Wohlbefinden gelangen.

Haustex: Das setzt voraus, dass dem
Endkunden die Wichtigkeit von
Regeneration bewusst ist.

Steinbrink: Wir haben unser Programm ins Leben gerufen, weil wir wissen, dass die Nachfrage immer stärker wird und sich die Menschen immer stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Nach dem Fitness- und Ernährungsboom kommt jetzt allmählich das Thema Schlaf und Regeneration. Und sie wissen, dass sie hier allein vom Produkt her nicht unbedingt weiterkommen. Sie suchen hier den passenden Ansprechpartner.

Haustex: Wird der klassische Betten-
fachhandel den Anforderungen,
die hier gestellt sind, gerecht?

Steinbrink: Ich bin der festen Überzeugung, dass der ganz klassische Bettenfachhandel für dieses Thema zu produktverliebt ist. Den Fehler habe ich selbst auch über Jahre begangen: zu denken, man könne über Bettausstattung und Matratze bestimmte Dinge verbessern und optimieren, auf die wir tatsächlich gar keinen Einfluss haben. Ergonomisches Liegen ist wichtig und die Basis, keine Frage. Aber in unserem Programm steht das ganz hinten an.

Haustex: Vom Produktverkauf
hin zum Coaching - das ist aber
auch ein radikaler Schnitt

Steinbrink: Das ist eine andere Dienstleistung, richtig. Wir bewegen uns auf einer ganz anderen Beratungsebene, und die Kunden sind dazu bereit, für diese Beratung Geld zu bezahlen. Die Frage ist doch, warum der Bettenhändler, als Experte für Ergonomie, seine Beratungsleistung ohne Berechnung anbietet. Der Kunde ist es so gewohnt, dass sich der Händler mal eben zwei Stunden kostenlos für ihn Zeit nimmt. Hier ist es anders: Bei uns zuckt der Kunde nicht mit der Wimper, wenn er für die Ist-Analyse 180 Euro bezahlt. Für ihn ist es so, als ob er einen Personal Trainer engagiert.

Haustex: Und wenn ein Betten-
händler als Schlafcoach trotzdem
wie gewohnt verkaufen möchte?

Steinbrink: Der Schlafcoach darf kein Matratzenverkäufer sein. Es gibt mittlerweile schon Händler, die Kontakt zu Therapeuten gesucht haben, denen sie die Ausbildung zum Schlafcoach finanzieren. Die Coaches führen dann wieder die Kunden zu ihnen. Wir haben aber auch das Konzept Schlafcoach Plus entwickelt. Hier wird auf einer kleinen Fläche von 100 Quadratmetern das Schlafcoaching mit Seminaren angeboten, aber auch eine kleine Produktauswahl der Hersteller, die mit im Boot sind, beispielsweise Rummel, Optimo oder Ergosleep.

Haustex: Die Ausbildung zum
Schlafcoach können aber nicht nur
Bettenhändler absolvieren, oder?

Steinbrink: Nein, auch Pysiotherapeuten, Heilpraktiker oder Ernährungsberater zum Beispiel. Auch für Fitnesstrainer ist das interessant. Sie erlernen in der Ausbildung das Thema Schlafergonomie und Bettklima und können dann in der Betreuung ihrer Kunden auch das Thema Ergonomie beraten - und dann mit einem Bettenfachhändler in der Region zusammenarbeiten oder das Sleep-Kit aus Matratze, Unterfederung, Kissen und Bettdecke verkaufen, das wir anbieten. So erweitern die Trainer durch die Ausbildung ihre Kompetenz und sind in der Lage, ihren Kunden ein ganz neues Angebot zu machen.

Haustex: Heißt das, es gibt in
absehbarer Zeit Fitnessstudios oder
Praxen mit integriertem Matratzen-
Showroom?

Steinbrink: Das ist schon sehr weit gedacht. Aber die Frage ist: Wieviel Aufwand müssen wir tatsächlich betreiben, um einen Kunden ergonomisch richtig hinzulegen? Es gibt Kollegen, die mit einem einzigen, ergonomisch einstellbaren Schlafsystem eines Herstellers siebenstellige Umsätze machen. Ich glaube, die Branche muss sich damit abfinden, dass nicht nur der Fitnesstrainer demnächst ein Schlafsystem verkauft, sondern auch der Physiotherapeut, der Orthopäde, der Ernährungtrainer und der Heilpraktiker. Alle jene, die auch Interesse daran haben, bei uns den Lehrgang zu absolvieren.


Björn Steinbrink und "Der Schlafraum 2.0"
Ursprünglich war Der Schlafraum in Wuppertal ein reines Bettenfachgeschäft. Mittlerweile versteht Inhaber Björn Steinbrink es als eine Art CoWorking-Space rund um Schlaf und Regeneration. Zum Team gehören Therapeuten, Präventologen, Ernährungsberater und Trainer. Es gibt auch weiterhin die termingebundene ergonomische Beratung, wenn Kunden eine neue Matratze suchen. Steinbrink bietet sie sogar an sieben Tagen die Woche von 7 bis 21 Uhr an. Wer mehr für seine Gesundheit tun möchte, sportliche Ziele hat oder Gewicht reduzieren muss, findet ebenfalls die richtigen Ansprechpartner.

Mit seinem Konzept "SchlafcoachPlus" ist Steinbrink darüberhinaus deutschlandweit für Vorträge, Workshops und Seminare unterwegs, die er bei Firmen, Verbänden oder Sportorganisatoren hält. Er betreut außerdem Leistungssportler und hochklassige Sportmannschaften rund um das Thema Regeneration und Schlaf. Einmal im Moment talkt er via YouTube und Spotify in seinem Studio mit erfolgreichen Sportlern. Für diese hat er gemeinsam mit Dr. Michael Coll das Projekt "Die Regenerationstrainer" ins Leben gerufen, das Leistungs- wie Breitensportler in der Erreichung ihrer Trainingsziele unterstützen soll. Auch hierbei stehen guter Schlaf und optimale Regeneration im Fokus.


Die Ausbildung zum zertifizierten Schlafcoach
In Kooperation mit der SteinbeisPlus-Akademie haben Björn Steinbrink und Dr. Michael Coll die Ausbildung zum zertifizierten Schlafcoach entwickelt. Sie sollte am 18. März mit den ersten Präsenztagen starten. Corona hat das verzögert, aber mittlerweile hat die erste Ausbildungsgruppe mit 32 Teilnehmern den Lehrgang abgeschlossen und ihre Abschlussarbeit bei der SteinbeisPlus-Akademie eingereicht. Darunter sind 25 Bettenfachhändler. Steinbrink geht davon aus, dass perspektivisch 80 Prozent der Teilnehmer von außerhalb der Bettenbranche kommen.

Die Ausbildung beginnt mit den Präsenztagen, danach startet das Online-Lernsystem. Schließlich erhalten die Teilnehmer einen Musterkunden für eine Ist-Analyse, bevor es schließlich an die Prüfungsarbeit geht. Diese wird an die Akademie gegeben, die am Ende bei positivem Ergebnis das Zertifikat als Schlafcoach überreicht. Wer schnell ist, kann die Ausbildung berufsbegleitend in drei Monaten absolvieren. Sie kostet 1.990 Euro plus Mehrwertsteuer und wird mittlerweile auch für die Schweiz und Luxemburg angeboten. Der VDB und der MZE unterstützen das Projekt mit Rabatten für die Verbandsmitglieder.
aus Haustex 11/20 (Handel)