KCEC Virtual Round Table

Das digitale Zeitalter braucht Handknüpfteppiche


In einer Videokonferenz sprachen acht Experten aus Handel, Großhandel und den Fachmedien über die Zukunft des internationalen Handels mit Handknüpfteppichen, auch unter den Vorzeichen von Corona. Das Fazit: Der Handknüpfteppich wird bleiben, die Branche muss sich aber zunehmend mit neuen Techniken und dem Online-Handel auseinandersetzen - und sich insgesamt neuen Ideen öffnen.

Die Idee: Internationale Experten im Handel mit Handknüpfteppichen sollten sich virtuell zusammenfinden und Informationen über den Teppichmarkt in Zeiten von COVID-19 austauschen.

Der Organisator: Das Kabul Carpet Export Center (KCEC), eine internationale Organisation, die von den Teppichexperten Rob Leahy, Richard Ringrose, Alex Zahir und Stephen Landrigan ins Leben gerufen wurde. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, zwischen den sehr kreativen afghanischen Teppichproduzenten und den internationalen Märkten zu vermitteln und dabei Arbeitsmöglichkeiten für Frauen, junge Menschen und Geflüchtete in Afghanistan zu schaffen. "Unser Team für Qualitätskontrolle sorgt vor Ort dafür, dass internationale Einkäufer genau das erhalten, was sie benötigen", so Najlla Habibyar (Projektleiterin Afghanistan).

In einer Videokonferenz Ende August schilderten Experten aus acht Ländern den Teilnehmern aus 13 Zeitzonen Ihre Einschätzung der derzeitigen Lage.

Graham Head, ehemaliger Geschäftsführer das New Yorker Fachgeschäfts ABC Carpet and Home, sagte eine Bewegung vom Digitalen, Hochtechnisierten hin zum Analogen, Handgemachten voraus - weg von der allzu perfekten Massenware. Und: Man solle sich bewusst sein, dass sich alles Revolutionäre, Neue nicht auf Anhieb leicht verkaufen lasse, das sei auch bei Patchworkteppichen und Teppichen aus Sari-Seide so gewesen.

Herstellung, Verkauf und Designtrends: Das waren die drei Schwerpunkte der Round-Table-Diskussionen; jede wurde von einem Medienvertreter geleitet.

Herstellung
Teppichproduktion gleich
mehrfach getroffen

Blogger und Redakteur Michael Christie ("The Ruggist" / Rug Insider Magazine) moderierte die Diskussion zum Thema Herstellung in Indien, Nepal und Afghanistan. Aus Indien berichtete Obeetee-Geschäftsführer Gaurav Sharma, dass die gesamte Teppichproduktionskette von COVID-19 getroffen wurde. Bestellungen wurden heruntergefahren oder komplett storniert; für die Knüpfer, Färbereien und Garnspinnereien gab es vorerst keine Arbeit mehr; weder die Rohmaterialien für bestehende Aufträge noch die fertigen Teppiche konnten geliefert werden. Die Konsequenz: Exporteure ziehen andere Produktkategorien als Handknüpf in Erwägung, weichen zum Teil auf Handloom und Jacquardweberei aus.

Was nun? Auf dieses Frage hat Sharma zwei Antworten. Erstens: "Wir müssen uns technisch weiterentwickeln." Nicht um die Handarbeit zu ersetzen, sondern um sie noch besser zu vermitteln: durch professionelle Präsentation, Service, Kundenpflege. Der zweite Punkt: "Wir brauchen neue Ideen, müssen das Produkt Teppich ganz anders denken, Konzepte wie Nachhaltigkeit und Sonderausstattungen stärker einbinden, zum Beispiel antibakterielle Ausrüstungen."

Tamarian-Geschäftsführer Ryan Higgins, der den Großteil seiner Ware aus Nepal bezieht, beklagt in erster Linie die Lieferungsverzögerungen; die Luftfracht sei zurzeit sehr kostspielig. In Sachen Kundenkommunikation könne die moderne Technik einiges auffangen, aber: "Messen und reale Begegnungen lassen sich nicht ersetzen. Und gerade hochwertige Teppiche muss man eben live sehen und fühlen."

Handel
Trend zum Cocooning kommt
auch Teppichen zugute

Tim Steinert (Chefredakteur Carpet! Magazine) führte durch die Diskussion zum Thema Einzel- und Großhandel in Europa und Nordamerika: Hier wurden erstaunlich hohe Umsätze mit abgepassten Teppichen gemacht, trotz - oder gerade wegen - Corona. Im April und Mai gingen vor allem Anbieter, die am Online-Business beteiligt waren, als Gewinner hervor; der stationäre Handel konnte in den Folgemonaten leicht nachziehen. Fazit: "Es wird weniger gereist und auswärts gegessen - das verstärkt den Trend zum Cocooning, der auch den Teppichen zugute kommt."

Oritop-Inhaber Fritz Langauer schilderte die Lage aus Sicht eines Großhändlers mit afghanischen Teppichen. Das Besondere an dem Knüpfland sei die Tatsache, dass hier noch Teppiche mit Seele und Individualität entstünden. Entsprechend müsse man beim Online-Verkauf auch jeden Teppich einzeln abfotografieren. Gleichzeitig ist das Land schwer zugänglich; hinzu kommt, dass die meisten Einzelhändler keine Containereinkäufe mehr tätigen. Als umso wichtiger sieht Langauer seine Rolle als Großhändler, der fließend Farsi spricht und regelmäßig vor Ort ist.

Stefan Amstad, Category Manager beim Schweizer Hochwert-Möbler Pfister, verzeichnete große Zuläufe nach Ende des Lockdowns Mitte Mai ... und stellte überrascht fest, dass die auch nach einigen Wochen nicht abbrachen. "Wir verkaufen über die ganze Sortimentsbreite hinweg sehr gut, besonders aber im Hochwertbereich", erklärte er.

Jack Simantob, Miteigentümer von Art Resources und der Motor hinter der Rug Show New York, berichtete ergänzend über die Situation im US- Großhandel. Sam Presnell, Inhaber der Rug Gallery in Cincinnati, verkauft Teppiche zurzeit nur mit Termin - und das sehr erfolgreich.•
aus Carpet! 04/20 (Teppiche)