PVC-freie Designbeläge

Gibt es überhaupt "gute" Kunststoffe?

Es hat eine Weile gedauert, bis der Siegeszug der Designbeläge die Diskussion um Schadstoffe in PVC-Produkten wiederbelebt hat. Debatten um Emissionen, Gesundheit, Plastikmüll und Recycling treiben in der Industrie alternative Entwicklungen voran. Die Grenzen lotete Volker Kettler (Meisterwerke) auf dem Fußbodenkolloquium aus.

PVC ist ein starres Material, es braucht rund 40 % Weichmacheranteil, damit ein Bodenbelag elastisch wird. Oft handelt es sich um längerkettige Phthalate, die nach EU-Kriterien nicht kennzeichnungspflichtig sind. Hersteller kombinieren auch phtalatfreie Weichmacher, die für Mensch und Umwelt deswegen jedoch nicht als unbedenklich gelten. "Der sicherste Weg ist daher, bei PVC weitgehend auf Weichmacher zu verzichten", sagt Volker Kettler, Leiter Produktentwicklung Meisterwerke. Ein Schritt in diese Richtung sind PVC-Bodenbeläge mit der Bezeichnung Rigid SPC (solid polymer core) und Rigid EPC (expanded polymer core). Denn sie enthalten deutlich weniger Weichmacher, sind daher zwar nicht elastisch, haben aber den zusätzlichen Vorteil, bei schwimmender Verlegung geringer auf Wärmeeinfluss zu reagieren. Zudem können Rigid-Platten vollständig in den Recycling-Kreislauf gehen.

Alternativen zu PVC-Belägen gibt es schon seit Jahrzehnten. Nur ist ein Stoff wie etwa Polyurethan viel teurer - und deshalb haben solche Angebote Schwierigkeiten, sich am Markt durchzusetzen. "Als Material für Rigid-Platten werden wir bald Polyester sehen", meint Kettler. "Damit lässt sich die Recycling-Idee besser verwirklichen als mit PVC."

Weitere PVC-freie Bodenbeläge am Markt sind Holzträger mit Direktdruck oder PET/PE/PP-Dekorfolien, hochgefüllte SPC-Trägerplatten mit Direktdruck, Ecuran-Produkte (bei denen petrochemische Polyole in der Polyurethanrezeptur durch natürliche Öle ersetzt werden) und zementgebundene Trägerplatten mit Direktdruck. Jedoch gibt es derzeit nicht viele Anbieter derart konstruierter Bodenprodukte. Übrigens macht Kunststoff selbst vor Holzböden nicht halt: Nach neuer Terminologie-Norm sind polymere Holzkonstruktionen zugelassen.

Sortenreinheit hilft der Verwertung

Ein Bodenbelag kann aus einem Material bestehen. Dann ist er sortenrein und könnte, theoretisch, gut recycelt werden. Rigid-Platten wurden schon genannt. Auch Dryback-LVT ist solch ein Belag. Er besteht zu 100 % aus PVC. Allerdings muss er geklebt werden und der Klebstoff verunreinigt eine spätere Rückgewinnung. Multilayer-Beläge verbuchen derzeit das größte Wachstum am Markt und gelten als technisch führend. Ihre Wiederverwertung ist allerdings problematisch, da der Aufbau aus verschiedenen Materialien besteht, die sich nur schwer voneinander trennen lassen.

Wie steht es um die Möglichkeit der thermischen Verwertung? Beim Verbrennen von PVC werden hochgiftige Stoffe (Dioxine) freigesetzt. Deswegen wendet sich Volker Kettler auch gegen ein Bodenprodukt, das einen PVC-Oberbelag auf einen Holzwerkstoffträger kaschiert: "Das ist in der Entsorgung kritisch und nicht mehr zeitgemäß. Für diese wood-based Multilayer-Konstruktionen sollten PVC-freie Dekorfilme zum Einsatz kommen. Die sind bei der energetischen Entsorgung problemlos und haben einen hohen Heizwert."

Es geht übrigens auch umgekehrt: Holzdeckschichten, die auf PVC-Träger geklebt werden. Wasserfestigkeit ist hier einer der Aspekte. In China werden solche Kombinationen produziert. Volker Kettler hält wenig davon. Er setzt auf die Weiterentwicklung wasserunempfindlicher Holzwerkstoffplatten. "Holzwerkstoffplatten erreichen schon Quellwerte unter 5 % - wenn sie perfektioniert sind, ist die Zeit der PVC-Träger in Deutschland vorbei, weil diese dann durch einen nachwachsenden Rohstoff ersetzt werden können."

"Brüssel redet eher
über Mikroplastik"

Aber stehen die Hersteller von PVC-Bodenbelägen überhaupt unter ökologischem Druck? Aktuell nicht in starkem Maße, meint Volker Kettler. "Auf EU-Ebene ist die Diskussion um PVC-Freiheit von Produkten derzeit untergeordnet. Brüssel redet eher über Mikroplastik. Hier werden wir neue Auflagen bekommen." Insgesamt also stehen die Zeichen durchaus auf Sturm.

Das alles mündet in der Frage: Gibt es überhaupt gute Kunststoffe im Vergleich zu PVC? Folgt man der öffentlichen Diskussion, dürfte ein Nein die Antwort sein. Deshalb ist die Industrie in Bewegung. "Neue Entwicklungen erlauben in absehbarer Zeit völlig weichmacherfreie Nutz- und Dekorschichten", sagt Kettler. "Die Unterschiede müssen für Anwender und Händler aber auch erklärbar sein." Chancen sieht er in Trägermaterialien auf Holz-Basis. Aber auch für sogenannte MGO-Konstruktionen (Magnesiumoxid/Steinholz).

Trotzdem wird PVC in absehbarer Zeit nicht vom Markt verschwinden. Kettler: "Bleibt PVC sortenrein und ist weitgehend von Weichmachern reduziert, sind viele Argumente, die gegen PVC-Bodenbeläge sprechen, obsolet." Allerdings müssten zügig Konzepte zur Sammlung von Altmaterialien und für das Recycling vorangebracht werden. Der Herstellerverband MMFA widmet sich dieser Thematik in seinen Arbeitsgruppen. | Henrik Stoldt
aus Parkett Magazin 01/20 (Bodenbeläge)