Tapete ist mehr als Druck

Laut Michael Caspar hat der Digitaldruck aus seinem Unternehmen einen Dienstleister gemacht, der den Kunden dabei hilft, eigene Ideen in Wandgestaltung zu übersetzen. Die neue Technologie sei aber nur ein Element in der Produktion von Tapeten.

Digitaldruck ist aus Sicht eines Tapetenherstellers nur ein Druckverfahren. Für ihn sind Druckmaschinen Mittel zum Zweck. Denn Tapeten erfordern darüber hinaus Spezialwissen. Druckvorstufe, Materialkenntnisse, Kundenbetreuung, Druckveredelung, Kenntnisse über Vertriebswege, Begleitung von Kundenanfragen vor, während und nach der Anbringung sind das tägliche Brot und haben wenig mit der Druckart zu tun. Kernkompetenz eines Tapetenherstellers ist das Wissen um Wandgestaltung und deren Umsetzung.

Die Firma Caspar produziert seit 1886 Tapeten. Die klassischen Verfahren Leim-, Flexo- und Tiefdruck haben mehr als 100 Jahre die Produktion bestimmt. 2001 hat Caspar als erster Tapetenhersteller eine digitale Produktionsanlage installiert. 2005 wurde komplett auf digital gedruckte Wandgestaltungen umgestellt. Damit ist und bleibt Caspar trotzdem Tapetenhersteller.

Der Digitaldruck hat allerdings fundamentale Veränderungen mit sich gebracht. Vorher war man gewohnt, eigene Motive am Markt anzubieten und auf Lager zu nehmen. Der Digitaldruck bietet die Möglichkeit, gemeinsam mit Kunden deren individuelle Vorstellungen umzusetzen. Sie bestimmen, was auf die Maschine kommt. Produziert wird "on demand", das heißt ohne Lager. Heute versteht Caspar sich als Dienstleister, der Kunden hilft eigene Ideen, Motive und Konzepte in Wandgestaltung zu übersetzen.

Prinzipiell kann jeder Kunde sein, der eine Wand schmücken will. Produziert wird ab Auflage "1". Die Umsetzung einer Wand kann bedeuten, dass aufwändige Vorarbeiten mit Farb- und Motivanpassungen bis zum freigegebenen Andruck in kleine Druckaufträge münden. Um diese anbieten zu können, gibt es beispielsweise Webseiten, die es Privatleuten ermöglichen, Motive hochzuladen und am Bildschirm so zu konfigurieren, wie sie es für ihre Wand benötigen. Wenn der Auftrag ausgelöst wird, geht es darum, die vom Kunden konfigurierten Daten direkt in die Produktion zu leiten. So können Kleinaufträge effizient umgesetzt werden.

Größere oder von diesem Standard abweichende Aufträge werden direkt mit dem Atelier von Caspar besprochen. Vom individuellen Spezial-Einzelauftrag über Projekte wie Hotel- oder Shop-Einrichtungen bis zu Kollektionen: Das erworbene Know-how und die Lust, die Grenzen des Machbaren immer weiter zu verschieben, helfen dabei, alles "erdenkliche" umzusetzen.

Zwei Verfahren: Tonerdruck und Tintendruck

Alle Druckdaten werden auf die dem Auftrag entsprechende Druckmaschinen gerippt. Das heißt, die Motivdaten werden in die Einzelfarben zerlegt. Wir haben im Haus das Tonerdruck- und das Tintendruckverfahren. Beim Tonerdruckverfahren wird Toner gemäß den Druckdaten auf Tapetenvlies aufgebracht. Bei uns wird dieser Druck klassisch geprägt. Dadurch erhält der Druck die für Tapeten übliche Abriebfestigkeit und den typischen Tapetencharakter.

Das in den Daten angelegte Übermaß wird auf ein Zehntel Millimeter genau geschnitten. So ist gewährleistet, dass die Bahnen, die hintereinander gedruckt werden, an der Wand zu 100 % auf Stoß zusammen passen. Das Tonerdruckverfahren ist für Digitaldruckverhältnisse relativ schnell. Es erlaubt de Abwicklung auch größerer Aufträge in kurzer Zeit.

Das Tintendruckverfahren ist weiter verbreitet. Aber es hat lange gedauert, bis es das passende Tintendruckverfahren für Tapete gab. Dies liegt daran, dass das Produkt geruchsneutral sein sollte. UV-trocknende und lösemittelhaltige Tinte kann das nicht leisten. Die Maschinen sind zwar langsamer als beim Tonerdruck, aber was Material und Bahnbreiten betrifft, ist das Verfahren flexibler und sorgt ebenfalls für exakt passende Schnitte.

Um die hohen Standards sicher zu stellen, haben wir verkürzte Wartungsintervalle. Bei Tapeten kann der Druck an der Maschine zwar auf den ersten Blick in Ordnung sein, aber die Anwendung als Bahnen nebeneinander an der Wand macht die kleinste Abweichung im Druck sichtbar. Deshalb finden bei uns Probetapezierungen statt. War es in den Anfangsjahren fast ein Wunder, dass technisch fast jedes Material ohne Größenbegrenzung möglich war, geht es heute um Qualität.

Es wird nicht mehr in Rapporten gedacht

Am Anfang der digitalen Tätigkeit hat ein Tapetendesigner gesagt, dass er damit keine Tapete macht, sondern "nur" Wand-Bilder. Unser Eindruck war, dass die traditionelle Tapete das Thema mehr einschränkt: Es wird stark in Rapporten gedacht. Der Digitaldruck bietet dagegen die Möglichkeit der freien Wandgestaltung.

Caspar hat von Anfang an seinen Digitaldruck auch "klassisch" geprägt. Es wurden und werden Prägungen eingesetzt, die möglichst vielseitig nutzbar sind. Inzwischen werden vermehrt Materialien mit unterschiedlichen Texturen und Veredelungen eingesetzt. Strukturierte Materialien ergeben sehr edle Oberflächen. Metallische Oberflächen ergeben besondere Effekte.

Wir legen Wert darauf, dass Digital-Tapeten auch Tapeten sind. Jedes neue Material durchläuft umfangreiche Tests. Der reine Druck ist nur eines von vielen Kriterien. Die Unbedenklichkeit der Druckfarbe ist wichtig. Auch sollte es keine Geruchsbelästigung geben. Tapete wird schließlich großflächig verklebt. Sie sollte leicht anzubringen sowie wischfest sein und über eine gute Lichtbeständigkeit verfügen. Tapete muss zudem geschnitten werden und auf Stoß angebracht werden. Das alles ist zu beachten.

Zudem gibt es gesetzliche Vorgaben. In der EU müssen Tapeten mit dem CE-Zeichen versehen sein. Digitaldruck wird vielfach im Objekt eingesetzt. Dafür ist eine strengere Brandschutzzertifizierung nötig. Tapete ist eben mehr als Druck.

Digitaldruck kann für jeden
etwas anderes bedeuten

Auf die Frage, was Digitaldruck für die Tapetenbranche bedeutet, gibt es keine einheitlichen Antworten. Digitaldruck kann (und soll) für jeden etwas anderes bedeuten. Für die einen ist es ein Hilfsmittel, um außergewöhnliche Designs in Kleinauflagen umzusetzen. Andere versuchen, ein bestimmtes Design- oder Marktsegment damit abzudecken. Oder man lässt - wie bei Caspar - alles zu.

Für uns war beim Übergang vom klassischen Tapetenhersteller zur digitalen Manufaktur die größte Herausforderung, die passende Produktions- und Verkaufsmenge bezogen auf die Firmengröße zu treffen. Der Weg des Unternehmens ist weder typisch für die Branche noch für den Digitaldruck. Caspar hat sich damit eine Nische erarbeitet.

Michael Caspar
aus BTH Heimtex 11/18 (Tapeten, Wandbeschichtungen)