Schwere Erdbeben in Nepal

Teppichindustrie hat sich schnell erholt


Das schwere Erdbeben in Nepal ist eine menschliche Tragödie und hat darüber hinaus auch Konsequenzen für die Teppichbranche. Carpet XL geht auf die Katastrophe und ihre wirtschaftlichen Folgen ein: Wie wirkt sich das Erdbeben auf die Teppichindustrie aus? Wer ist betroffen, und wie gehen die Beteiligten mit der Situation um?

Gleich zweimal traf es Nepal schwer: Am 25. April erschütterte ein schweres Beben das Himalaya-Land; am 12. Mai schlug ein weiteres zu. Die heftige Naturkatastrophe forderte nach bisherigem Kenntnisstand über 8.600 Opfer, große Teile der Millionenstadt Kathmandu sind verwüstet, zahlreiche Dörfer zerstört, ganze Regionen von der Außenwelt abgeschnitten. Auch in den angrenzenden Ländern Indien, Tibet und Bangladesch waren Tote zu beklagen. Eine menschliche Tragödie.

Und gleichzeitig eine wirtschaftliche, die vor allem auch die Teppichbranche betrifft. Schließlich ist der Knüpfteppich das wichtigste Exportgut des Landes. Geknüpft, gewaschen und veredelt wird hauptsächlich in Kathmandu und dem Kathmandutal, genau der Region, die stark von den Erdbeben betroffen ist: Bloß rund 80 km lagen die Epizentren der großen Beben von der Hauptstadt entfernt.

Schwerstes Beben seit Jahrzehnten


Für Nepal ist dies die schwerste Naturkatastrophe seit Jahrzehnten. Doch auch vorher wurde das Land immer wieder von Erdbeben heimgesucht. Die Ursache dafür ist seine Lage direkt an der Stelle, an der zwei Erdplatten aufeinandertreffen. Hier wirken genau die Kräfte, die auch das gewaltige Himalaya-Faltengebirge haben entstehen lassen.

Carpet XL hat sich mit Anbietern in Verbindung gesetzt, die in den betroffenen Gebieten Teppiche fertigen lassen; viele davon produzieren ausschließlich in Nepal. Berichtet wird von Gebäudeschäden wie Rissen in den Wänden. Von Knüpfern, die die Manufakturen verlassen haben, um Ihre Familien in den Dörfern zu unterstützen. Vor allem dadurch gebe es Verzögerungen in der Produktion.

Blockierte Kommunikations- und Verkehrswege


Problematisch bei der Bestandsaufnahme der Anbieter: Die Kommunikation mit dem Himalayaland war immer wieder für einige Tage abgeschnitten. "Die Akkus der Handies vor Ort waren sehr schnell leer, und Strom gab es nicht", berichtet Jürgen Dahlmanns von Rugstar. Dann kam zum Glück eine verhältnismäßig positive Nachricht: "Allen Mitarbeitern der Rugstar-Produktion geht es den Umständen entsprechend gut." Die Schäden in den Manufakturen seien überschaubar, vornehmlich handle es sich dabei um Rissbildung in der Gebäudestruktur. In einer von drei Produktionsstätten habe man die Arbeit wieder aufgenommen; auch der Export sei bei Rugstar inzwischen wieder angelaufen.

Bei Tufenkian sind keine Einrichtungen betroffen, den Angestellten und Knüpfern sei nichts passiert. Auch Reuber Henning hatte Glück im Unglück: "Unsere Manufakturen und Werkstätten sind nur in überschaubarem Maß beschädigt und können relativ schnell wieder aufgebaut werden", berichtet Franziska Reuber. In den drei Mischioff-Produktionsstätten gab es zwar Schäden, die den laufenden Betrieb beeinträchtigen, doch vor allem die Mitarbeiter seien den Umständen entsprechend "wohlauf". Probleme bereitet auch das Transportsystem, da viele Straßen noch verschüttet und Flughäfen blockiert sind.

Anbieter zeigen sich zuversichtlich


Unterm Strich zeigen sich die befragten Anbieter jedoch zuversichtlich: Nach zwei bis sechs Wochen laufe die Produktion wieder in geregelten Bahnen, heißt es. Durch Transparenz und regelmäßige Informationen halten die Importeure ihre Kunden auf dem Laufenden. "Trotz der Einschränkungen und Verzögerungen haben alle unsere Kunden vollstes Verständnis", berichtet Mischioff-Marketingleiter Michael Platzek.

Rein wirtschaftlich gesehen, scheint also die Teppichbranche - bis auf sehr wenige Ausnahmen - mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Das stabilisiert die ökonomische Lage des Landes, mindert aber nicht das unermessliche Leid der Menschen vor Ort.

Eine Branche hilft den Erdbebenopfern


Darum ist schnelle, umfangreiche und unbürokratische Hilfe dringend nötig: Nicht nur für die Knüpferfamilien, sondern für alle Betroffenen. Es fehlt an Trinkwasser, Grundnahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Unterkünften. Verschiedene Anbieter und Branchenorganisationen leisten bereits umfangreich Unterstützung, sei es durch konkrete Notfallhilfe vor Ort, Spenden oder Spendenaktionen.

Ryan Higgins von Tamarian zum Beispiel hat sich gleich in den nächsten Flieger nach Kathmandu gesetzt, um die Lage zu sichten, Hilfsgüter zu verteilen und mit anzupacken: "Dadurch, dass wir direkt vor Ort sind, können wir den Schaden besser einschätzen und uns in unserer Produktion entsprechend darauf einstellen." In einem handschriftlichen Tagebuch hält Higgins seine Eindrücke der Situation vor Ort fest (siehe unten). Mischioff-Geschäftsführer Dani Misio war ebenfalls in Nepal, um Manufakturen, Knüpferinnen und Knüpfer zu besuchen.

Auch die Hilfsorganisation Care & Fair ruft die Branche auf, sich großzügig an ihren Aktionen für Nepal zu beteiligen (siehe unten).

Den Bewohnern der betroffenen Gebiete so gut und schnell wie möglich zu helfen und die Teppichproduktion aufrechtzuerhalten: Diese beiden Anliegen, eins menschlich, eins wirtschaftlich, gehen durchaus Hand in Hand. Dass - wenn irgend möglich - wieder aufgebaut wird, was zerstört wurde, dass die Produktion den Umständen entsprechend weiterläuft: All das sichert das Auskommen der Menschen und sorgt für ein Stück "Normalität". "Wir arbeiten mit Hochdruck an neuen Aufträgen, um die Arbeitsplätze der Knüpferinnen und Knüpfer nicht zu gefährden", erklärt Michael Platzek von Mischioff. "Dafür ist eine hohe Auslastung der Produktion nötig."


Aus dem Nepal-Tagebuch von Ryan Higgins, Tamarian


30. April 2015:
Heute weiter Vorräte an die Helfer verteilt, die in die entlegenen Gebiete hinausfahren: Müsliriegel, Desinfektionslösung für die Hände, Ponchos und Wasseraufbereitungstabletten. Später unsere neuen Büroräume besucht, die sich gerade im Bau befinden. Sie bieten vorübergehend den Menschen aus der benachbarten tibetischen Siedlung Unterschlupf.

2. Mai 2015:
4 Uhr morgens: von einem Nachbeben aus dem Schlaf gerissen. Gestern haben wir zuerst die Lebensmittellieferungen koordiniert, die per Hubschrauber über der Region Gorkha abgeworfen werden sollten. Die Organisation des Transports gestaltete sich schwierig: Die Regierung hat hier Beschränkungen auferlegt, außerdem besteht enormer Bedarf.

3. Mai 2015:
Gestern hatte ich Gelegenheit, die Himalayan Childrens Foundation zu besuchen, die wir mitunterstützen. Einige Kinder hier warten immer noch auf Nachrichten von ihren Familien in den Tälern. Ein Junge hat allerdings schon die Gewissheit, dass er beide Eltern verloren hat. Letzten Oktober ist er zum ersten Mal seit mehreren Jahren in den Ferien nach Hause gefahren und schließlich 18 Tage länger dort geblieben als geplant. Im Gespräch mit dem Betreuer der Unterkunft zeigte sich der Junge erstaunlich gefasst. Er meinte, er sei dankbar dafür, noch einmal diese besondere Zeit mit seiner Familie verbracht zu haben. Was geschehen ist, habe er schon als sein Karma hingenommen...Man kann hier so viel von den Menschen lernen.


Care & Fair: Direkthilfe für Nepal, Carpet XL hilft mit 10.000 EUR


Die Organisation Care & Fair betreibt im Kathmandutal in Nepal zwei Schulen: die Shree Harisiddhi School und die CWS Bal Kendra, die insbesondere Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen unterstützt und jungen Menschen ohne Zuhause eine Unterkunft bietet.

Das Erdbeben hat die Kinder und ihre Familien zum Teil sehr schwer getroffen: Einige haben Eltern oder Verwandte verloren, einige ihr Zuhause, viele ihr Eigentum wie Bücher oder Kleidung. Care & Fair hat die Namen von Betroffenen und ihre Bedürfnisse aufgenommen, um ihnen direkt und unbürokratisch zu helfen, so gut es geht. Die Bestandsaufnahme vor Ort läuft weiter; Spenden werden weiterhin dringend benötigt.

CARE & FAIR e.V. - Nepal earthquake aid:
IBAN: DE27 2003 0300 0647 9719 99
BIC: CHDB DE HH XXX

Der SN-Verlag, in dem auch die Fachzeitschrift Carpet XL erscheint, hat sich bereits mit 10.000 EUR an der Hilfsaktion beteiligt.
aus Carpet Magazin 03/15 (Teppiche)