Fachanwalt Andreas Becker informiert
Wer darf kostenpflichtge Nachträge beauftragen?
Es ist tägliche Praxis auf der Baustelle, zusätzliche Arbeiten zu beauftragen, die zunächst nicht absehbar waren. Für verlegende Betriebe kann dies besonders lukrativ sein, aber wer ist der richtige Ansprechpartner und wie muss die Beauftragung erfolgen? Ständige Rechtsprechung ist, dass Bauleiter und bauleitende Architekten in der Regel keine Vollmacht zur Beauftragung von Zusatzleistungen haben. Fachanwalt Andreas Becker stellt drei einschlägige Fälle aus seiner juristischen Praxis vor.Vorangestellt werden muss, dass Aufträge und Nachträge, aber auch Absprachen zur Erbringung von Stundenlohnarbeiten vertraglich vereinbart werden müssen. Nur der Bauherr oder ein von ihm bevollmächtigter Vertreter können solche Vereinbarungen abschließen, da zusätzliche Leistungen, auch wenn sie notwendig sind, Geld kosten. Da es sich um das Geld des Bauherrn handelt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Architekt oder Bauleiter keine Vollmacht besitzt, um im Namen und Auftrag des Bauherrn kostenpflichtige Nachträge zu beauftragen.
Fall 1
Stundenlohnarbeiten
Ein Betrieb erhielt den Auftrag, Trockenbauarbeiten durchzuführen. Während der Ausführung der Arbeiten ergaben sich verschiedene Probleme. Der Bauleiter des Auftraggebers forderte den Handwerker auf, die vorbereitenden Tätigkeiten für die Trockenbauarbeiten durchzuführen. Auf Nachfrage, wie diese Tätigkeiten abgerechnet werden sollen, gab der Bauleiter an, dass dies im Stundenlohn erfolgen solle.
Der Handwerksbetrieb erbrachte auf Anordnung des Bauleiters auf Seiten des Auftraggebers für insgesamt 36.000 EUR Stundenlohnarbeiten. Diese wurden auch in Abschlagsrechnungen aufgenommen. Insgesamt wurden 34.000 EUR dieser Stundenlohnarbeiten im Rahmen von sechsAbschlagsrechnungen gezahlt. Die Trockenbaufirma übergab jeweils die Wochenberichte für die erbrachten Stundenlohnarbeiten an den Bauleiter, die dieser unkommentiert zurückgab.
Der ausführende Betrieb stellte eine Schlussrechnung, in der auch die Stundenlohnarbeiten im Umfang von 36.000EUR abgerechnet wurden. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis auf die vertragliche Formulierung, dass Stundenlohnarbeiten nur vergütet werden, wenn sie vorher schriftlich angeordnet wurden. Die Baufirma klagte daraufhin auf Zahlung der 36.000 EUR für die Stundenlohnarbeiten.
Entscheidung des Gerichts
Das Unternehmen hatte keinen Erfolg. Das Gericht hatte keine Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Klausel, dass Stundenlohnarbeiten nur vergütet werden, wenn sie vorher schriftlich vereinbart wurden. Die Anordnung der Stundenlohnarbeiten waren nicht schriftlich erfolgt, sondern lediglich mündlich durch den Bauleiter des Auftraggebers angeordnet. Das Gericht stellte auch fest, dass der Bauleiter, ohne eine besondere Vollmacht, grundsätzlich nicht zum Abschluss von Stundenlohnvereinbarungen berechtigt sei.
Selbst die Zahlung von 34.000 EUR in sechsAbschlagsrechnungen führte nicht dazu, dass eine Vergütung erfolgen musste. Das Gericht verwies hier, entsprechend der ständigen Rechtsprechung, darauf, dass Abschlagszahlungen grundsätzlich kein Anerkenntnis des Vergütungsanspruchs darstellen, solange nicht die Schlussrechnung erteilt ist. Es wird damit argumentiert, dass zum Zeitpunkt der Abschlagsrechnung die Höhe der endgültigen Forderung noch nicht feststeht. Mit einer Abschlagszahlung wird zunächst auf eine erst noch festzustellende gültige Forderung gezahlt, sodass die Zahlung nur einen vorläufigen Charakter darstellt. Daran ändert auch die Prüfung einer Abschlagsrechnung nichts. Der Trockenbaubetrieb erhielt die 36.000 EUR nicht.
Tipp: Dass Bauleiter und bauleitende Architekten in der Regel keine Vollmacht zur Beauftragung von Zusatzleistungen haben, ist ständige Rechtsprechung. Aus diesem Grunde besteht immer die Gefahr, die Vergütung nicht zu erhalten, wenn im guten Einvernehmen auf der Baustelle Nachtragsleistungen und Stundenlohnarbeiten ausschließlich in Absprache mit dem Architekten oder dem Bauleiter erfolgen, ohne eine schriftliche Bestätigung des Auftraggebers.
Fall 2
Die Teilnahme des Bauherrenvertreters
an einer Baubesprechung
Ein Fliesenleger erbrachte Fliesen- und Plattenarbeiten für einen Krankenhaus-Neubau. Aufgrund von Terminverschiebungen entschied der Bauleiter bei einer Baubesprechung, dass die verlorene Zeit beim Estricheinbau mit dem Einsatz von Schnellzement aufgeholt werden sollte.
Das Protokoll der Baubesprechung wurde dem Bauherrn zugeleitet. Der bauleitende Architekt bezog sich später auf die Absprache in der Baubesprechung und forderte den Fliesenleger auf, die Arbeiten auszuführen. Der Handwerker unterbreitete später noch ein Nachtragsangebot mit einer Zuschlagsposition für den Schnellestrich und eine Zulagenposition wegen der Mehrdicken des Estrichs bei Verwendung von Schnellestrich. Der Auftraggeber beauftragte beide Positionen nicht.
Entscheidung des Gerichts
Mit seiner Klage hatte der Fliesenleger keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass ein Vertrag zwischen ihm und dem Auftraggeber nicht zustande gekommen ist. Der bauleitende Architekt hatte keine Vollmacht, den Bauherrn zu vertreten.
Der Fliesenleger hatte alle weiteren Angebote direkt an den Bauherrn geschickt, die weiteren Nachtragsangebote wurden auch direkt vom Bauherrn beauftragt. Lediglich die Leistung "Schnellestrich" beauftragte nicht der Auftraggeber, sondern der Architekt in der Baubesprechung. Das Gericht nahm an, dass der Fliesenlegerbetrieb selbst nicht an die Vollmacht des Architekten glaubte, weil ansonsten immer der Bauherr angeschrieben wurde.
Selbst die Weiterleitung des Baubesprechungsprotokolls an den Bevollmächtigten des Auftraggebers führt nicht dazu, dass Absprachen, die in der Baubesprechung getroffen werden, durch den Auftraggeber akzeptiert werden.
Fall 3
Duldungsvollmacht des Architekten
Der Architekt eines Auftraggebers verlangte von dem Auftragnehmer zusätzliche Leistungen. Die zusätzlichen Leistungen beauftragte der Architekten mündlich. Der Auftragnehmer bestätigte diese mündlichen Zusatzleistungen des Architekten schriftlich gegenüber dem Auftraggeber. Dieser widersprach dieser Bestätigung nicht.
Nachdem der Auftragnehmer Zusatzleistungen in Höhe von 68.000EUR abrechnete, widersprach der Auftraggeber der Beauftragung. Er verwies darauf, dass er selbst nicht die Nachtragsarbeiten beauftragt hatte und der Architekt nicht bevollmächtigt gewesen sei, Nachträge zu erteilen. Der Auftragnehmer erhob Klage.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht sprach dem Unternehmer hier den Betrag in Höhe von 68.000EUR zu. Das Gericht nahm an, dass der Architekt trotz der mündlichen Beauftragung mit einer Vollmacht im Namen des Auftraggebers handelte. Der Auftraggeber musste sich in diesem Fall die Erklärungen des Architekten zur Zusatzbeauftragung zurechnen lassen. Das Gericht stellte fest, dass eine sogenannte Duldungsvollmacht bestand. Diese liegt vor, wenn der Auftraggeber weiß, dass ein anderer (hier der Architekt) Zusatzaufträge in seinem Namen erteilt und er diese Handlungen duldet, ohne dagegen einzuschreiten.
Das Gericht nahm eine Duldungsvollmacht an, da der Auftragnehmer sämtliche mündlich erteilten Aufträge auf der Baustelle gegenüber dem Auftraggeber schriftlich bestätigte. Die Bestätigung erfolgte gegenüber dem Architekten und zusätzlich gegenüber dem Auftraggeber.
Der Auftraggeber als Bauherr wusste somit, dass der Architekt in seinem Namen Aufträge erteilte und schritt nicht ein. Der Auftraggeber nahm also bewusst die Ausführung der Arbeiten hin und duldete sie ohne jeden Widerspruch.
Praxishinweis
Diese Fälle zeigen, dass grundsätzlich keine Vollmacht des Architekten oder Bauleiters besteht, im Namen des Bauherrn zusätzliche kostenpflichte Aufträge zu erteilen. Es ist deshalb wichtig, nach der Auftragserteilung mit dem Bauherrn abzustimmen, ob der Bauleiter oder Architekt im Namen des Bauherren Zusatzaufträge erteilen darf. Grundsätzlich sollten alle Aufträge immer gegenüber dem Bauherrn bestätigt werden oder bei der Beauftragung eines Nachtrages, auch im Stundenlohn, unverzüglich ein Nachtragsangebot an den Bauherrn gesendet werden.
Auf jeden Fall ist der Bauherr immer über sämtliche Aufträge zu informieren. Aus der Praxis ergibt sich, dass die Vielzahl von solchen juristischen Fällen für die Auftragnehmer als Handwerksbetriebe nicht erfolgreich ausgehen.
Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht Nienburger Str. 14a 30167 Hannover
Tel.: 0511/1231370
www.becker-baurecht.de info@becker-baurecht.de
aus
FussbodenTechnik 01/23
(Recht)