Fachanwalt Andreas Becker informiert
Muss ein Nachlass auch auf Nachträge gewährt werden?
Jeder dauerhaft erfolgreiche Handwerker muss für seine Leistungen auskömmliche Preise in Rechnung stellen. Über den ursprünglichen Leistungsumfang hinausgehende Arbeiten können als Nachträge lukrativ sein. Fachanwalt Andreas Becker erklärt anhand von zwei Fällen, wann darauf ein Nachlass gewährt werden muss.Fall 1:
Ein Baubetrieb hat für einen öffentlichen Auftraggeber Werkleistungen aus einem vom ihm erstellten Leistungsverzeichnis erbracht. Nach der Abnahme stellte der Unternehmer die Schlussrechnung. Hier rechnete er auch mehrere Nachträge ab. Für die Nachträge wollte er insgesamt 105.000 EUR zusätzlich in Rechnung stellen. Die Nachträge sind notwendig geworden, da der Auftraggeber eine geänderte Leistungsausführung wünschte. Die Parteien hatten auch vereinbart, dass auf den Hauptauftrag ein Nachlass in Höhe von 2 % gewährt wird.
Der Auftraggeber zahlte die Nachträge nicht mit dem Hinweis, dass es keine Vereinbarung über einen Preis für die Leistung gibt. Weiterhin müsste der zweiprozentige Nachlass auch von den Nachträgen abgezogen werden.
Entscheidung des Gerichts:
Das Gericht gab dem Handwerksbertrieb Recht. Bei einem Auftrag, der auf Basis der VOB/B vereinbart ist, soll nach §2 Abs.5 VOB/B für zusätzlich zu vergütende Maßnahmen möglichst vor der Ausführung ein neuer Preis, unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten, vereinbart werden. Die Mehr- und Minderkosten müssten aus der Ur-Kalkulation ermittelt werden. Voraussetzung für einen solchen neuen Preis wäre auch, dass es eine Vereinbarung gegeben hätte.
Da es keine Vereinbarung zwischen den Parteien gegeben hat, wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei einer fehlenden Einigung über den neuen Einzelpreis, ein Preis auf Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten, zuzüglich angemessener Zuschläge, gebildet (BGH Urteil vom 8. August 2016, VIIZR34/18).
Bei einer fehlenden Einigung über einen Preis werden die tatsächlich erforderlichen Kosten für die Erstellung der Leistung zugrunde gelegt, zuzüglich eines angemessenen Zuschlages. Dieser Zuschlag stellt den Gewinn dar. Das Oberlandesgericht Dresden hat in dem Urteil vom 16. Juni 2020 (6U327/20) auch festgestellt, dass der auf ein Angebotspreis gewährter Nachlass in der Regel nicht für Nachtragsvergütungen gilt.
Praxishinweis:
Für die Praxis sind bei Nachträgen zwei Punkte von Bedeutung:
1.Wenn es Vertragsänderungen gibt oder zusätzliche Leistungen gefordert werden, ist die Voraussetzung für einen neuen Preis, dass es über den Preis eine gemeinsame Einigung gegeben hat. Gibt es keine Einigung über einen neuen Preis, werden nach der Rechtsprechung die tatsächlichen Kosten, die für die Leistung entstehen, zuzüglich eines kalkulierten Gewinns, vom Auftraggeber zu zahlen sein.
Wenn es also eine Leistungsveränderung gibt, in einer Position, die eventuell nicht deckend ist, kann es also vorteilhaft sein, sich auf keinen Nachlass auf Basis der ursprünglichen Kalkulation zu einigen. Es kann deshalb von Vorteil sein, die tatsächlichen Kosten zuzüglich Gewinn zu fordern.
2.Ein vereinbarter Nachlass auf den Angebotspreis wird nicht automatisch auf einen Nachtrag übertragen.
Fall 2:
Ein Handwerker wollte sich von seinem Auftraggeber Kosten ersetzten lassen, die aufgrund einer Bauzeitverzögerung entstanden waren. Insgesamt war nach Meinung des Auftragnehmers aufgrund einer Bauzeitverzögerung ein Betrag in Höhe von 23.500 EUR an Mehrkosten entstanden. Die Verzögerung und Verlängerung der Bauzeit beruhte darauf, dass der Handwerksbetrieb Nachtragsangebote unterbreitete. Der Auftraggeber beauftragte diese Nachträge, sie wurden vom Auftragnehmer abgerechnet - und der Bauherr glich die Nachtragsleistungen in voller Höhe aus. Da der zeitlich erhöhte Aufwand vom Auftraggeber aber nicht bezahlt wurde, klagte der Handwerker.
Entscheidung des Gerichts:
Der Auftragnehmer hatte mit seiner Klage keinen Erfolg. Das Gericht gab an, dass der Handwerker durch die Beauftragung des Nachtragsangebotes alle Leistungen abgegolten habe. Die Vergütung für die Leistungen sei auch abschließend. Der Bauherr habe das Angebot angenommen, sodass eine abschließende Vereinbarung über zusätzliche Leistungen entstanden sei. Es gebe keine Anordnung des Auftraggebers über eine verlängerte Bauzeit. Die Bauzeit habe sich nur deshalb verlängert, weil Nachtragsleistungen ausgeführt wurden. Das Gericht befand, dass sich die Bauzeit selbstverständlich verlängert, wenn mehr Leistungen erbracht werden.
Praxishinweis:
Auch wenn Nachtragsleistungen zu einer verlängerten Gesamtbauzeit führen, entsteht keine Berechtigung, Mehrkosten für zum Beispiel die Vorhaltung von Geräten und die Baustelleneinrichtung zu fordern.
In einem Nachtragsangebot sind, nach Auffassung der Gerichte, sämtliche Kosten, die für die Erbringung, hier inklusive des zeitlichen Rahmens, enthalten (siehe auch OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az.:5U171/18).
Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht
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aus
FussbodenTechnik 06/22
(Recht)