Brandverhalten von Bodenbelägen
Nachweis der Brandklasse zwingend erforderlich
Auch wenn Deutschland in jüngster Zeit von spektakulären Brandfällen verschont blieb, ist Brandschutz und damit das Brandverhalten von Bauteilen und Baustoffen bzw. -produkten ein Dauerbrenner auch im Bodenbereich. Aus Äußerungen bei Gesprächen, in Veröffentlichungen und teilweise auch aus Merkblatttexten ist erkennbar, dass es immer noch teils erhebliche Unsicherheiten beim Brandschutz von Bodenbelägen gibt. Vor allem beim Zusammenspiel zwischen der europäischen Klassifizierung von Baustoffen und den deutschen Anforderungen zum Brandschutz gibt es ganz offensichtlich Nachholbedarf.Die für den Brandschutz wesentlichen Anforderungen richten sich zum einen an das Brandverhalten von Bauteilen, ausgedrückt über deren Feuerwiderstandsdauer und zum anderen an das Brandverhalten von Baustoffen/Bauprodukten, ausgedrückt als deren Brenn- bzw. Entflammbarkeit. Für Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe steht dabei deren Brandverhalten als Baustoffe im Vordergrund. Dieses wird nachfolgend in seinen Grundlagen dargestellt und erläutert, für einige ausgesuchte Produktgruppen sind darüber hinaus konkrete Festlegungen zum Brandverhalten aufgeführt.
Regulatorische Grundlagen
zum Brandschutz
In der Europäischen Union sind die Regelungen für das Brandverhalten von Baustoffen ein Zusammenspiel zwischen europäischem und nationalem Recht. Für die EU ist der freie Warenverkehr eine Errungenschaft von hoher Bedeutung. Deshalb werden die Eigenschaften von Bauprodukten auch über die europäische Bauproduktenverordnung und harmonisierte europäische Normen geregelt. Damit ist eine EU-weite Gleichbehandlung von Bauprodukten gewährleistet.
Das Baurecht und damit die Anforderungen an die Anwendung von Bauprodukten bzw. Baustoffen liegen in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten, in Deutschland mit seinem föderalen System dann bei den Bundesländern. Die Grundlagen zum Brandverhalten von Baustoffen sind in der Musterbauordnung (MBO) [1] beschrieben, gesetzlich verankert dann in den entsprechenden Landesbauordnungen (die durchaus von der MBO abweichen können). Darüber hinaus gibt es weitere Spezialregelungen, z. B. für Hochhäuser oder Versammlungsräume.
Von der Leistung zur Anwendung
Bis ein Baustoff entsprechend seines Brandverhaltens in Deutschland korrekt eingesetzt werden kann, muss er zu seiner Beurteilung einen mehrstufigen Prozess durchlaufen:
1.Die grundlegenden für das Brandverhalten des Baustoffs relevanten Eigenschaften werden in europaweit einheitlich genormten Prüfungen ermittelt - hier wird quasi die Baustoff-Leistung ermittelt. Für die Baustoffklasse "normalentflammbar, B2 nach DIN 4102" [2] reicht dabei eine Prüfung nach DIN EN ISO 11925-02 [3], für "schwerentflammbar, B1 nach DIN 4102" [2] muss sowohl nach DIN EN ISO 11925 [3] als auch nach DIN EN ISO 9239-1 [4] geprüft werden.
2.Auf Basis dieser Prüfergebnisse wird das Brandverhalten dann nach DIN EN 13501-1 [5] klassifiziert. Erreicht bei einem Baustoff z. B. die Flammenspitze bei der fünfzehnsekündigen Beflammung [3] nach 30 Sekunden nach Beflammungsbeginn weniger als 150 mm Höhe auf dem Probekörper, kann der Baustoff als Efl klassifiziert werden. Nach DIN EN 13501-1 [5] bilden Bodenbeläge eine von den übrigen Bauprodukten separierte Produktgruppe. Bei der Klassifizierung wird dies berücksichtigt, indem die jeweilige Klassenbezeichnung des Bodenbelags durch den Index "fl" ergänzt wird, also z. B. Klasse "Cfl" anstelle von sonst Klasse "C".
3.Nachdem die Leistung des Baustoffs/-produkts ermittelt und es klassifiziert ist, muss festgestellt werden, welche deutschen Anforderungen mit der erreichten europäischen Klasse erfüllt werden können. Dazu dient eine Art "Übersetzungstabelle", die die europäischen Klassen in die in Deutschland gültigen Begriffe überträgt. Diese befindet sich in Anhang 4, Tabelle 1.2 in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) [6]. Die für Bodenbeläge maßgeblichen Begriffe sind in der Tabelle auf der folgenden Seite dargestellt.
4.Nachdem jetzt klar ist, welche deutschen Anforderungen entsprechend der MBO [1] bzw. der DIN 4102-1 [2] vom Bauprodukt, im vorliegenden Fall dem Bodenbelag, erfüllt werden, kann festgestellt werden, ob mit ihm die deutschen Anforderungen im jeweiligen Bauvorhaben erfüllt werden können.
Soll ein Bodenbelag beim Einsatz in einem Hotelflur z. B. die Anforderung "schwerentflammbar" erfüllen, durchläuft er folgende Schritte:
1.Prüfung nach DIN EN ISO 11925-02 [3] und DIN EN ISO 9239-1 [4].
2.Klassifizierung nach DIN EN 13501-1 [5] in Klasse Cfl (sofern die jeweiligen Mindestanforderungen erfüllt wurden).
3.Übersetzung von Cfl nach MVV TB, Anhang 4 [6] ergibt "schwerentflammbar, Klasse B 1 nach DIN 4102".
4.Der Einsatz im genannten Hotelflur ist zulässig.
Liegt für einen Baustoff kein Prüfergebnis nach DIN EN ISO 11925-02 [3] vor, wird er automatisch als Ffl klassifiziert: Für Deutschland ist er damit als "leichtentflammbar, B3 nach DIN 4102" eingestuft. Nach der MBO [1] dürfen solche Produkte in Deutschland nicht eingesetzt werden. Oder anders ausgedrückt: In Deutschland muss für jeden Bodenbelag ein Brandnachweis mindestens der Klasse B2 (normalentflammbar) vorliegen.
Klassifizierte Baustoffe
Für einige Baustoffe liegen aufgrund langjähriger Erfahrungen so viele Kenntnisse zum Brandverhalten vor, dass deren Brandverhalten in Deutschland ohne weitere Prüfung einer definierten Brandklasse zugeordnet werden kann. Diese Baustoffe sind zusammen mit ihrer Baustoffklasse im Teil 4 der DIN 4102 [7] gelistet. Beispiele hierfür sind:
-Mineralische Mörtel mit maximal 1 % organischem Anteil, z. B. für Estriche: nichtbrennbar, Baustoffklasse A1 nach DIN 4102-1 [2]
-Rohre aus weichmacherfreiem PVC, Wanddicke maximal 3,2 mm: schwerentflammbar, Baustoffklasse B1 nach DIN 4102-1 [2]
-Holz, Dicke größer 2 mm und Rohdichte mindestens 400 kg/m
3: normalentflammbar, Baustoffklasse B2 nach DIN 4102-1 [2]
Darüber hinaus gibt es auch produktspezifische Klassifizierungen, die in den zugehörigen europäischen Produktnormen aufgeführt sind. Für elastische Bodenbeläge ist dies die DIN EN 14041 [8] und für Holzfußböden und Parkett die DIN EN 14342 [9]. Die dort gelisteten Produktklassen nach DIN EN 13501-1 [4] sind dann wie oben beschrieben den deutschen Begriffen zuzuordnen. In der DIN EN 14041 [8] ist für eine Vielzahl von elastischen Bodenbelägen eine Klassifizierung nach DIN EN 13501-1 [4] aufgeführt. In allen Fällen sind diese als Efl klassifiziert und damit "normalentflammbar".
Nach den in DIN EN 14342 [9] aufgeführten Klassifizierungen für Holzfußböden und Parkett können einige auch die Klasse Cfl und damit "schwerentflammbar" ohne weitere Prüfung erreichen. Dazu gehören z. B. geklebtes Eiche- oder Buche-Massivparkett ab 8 mm Dicke oder mindestens 10 mm dickes geklebtes Mehrschichtparkett mit einer mindestens 5 mm dicken Decklage aus Eiche. Alle anderen dort aufgeführten Arten von Parkett und Holzfußböden erreichen mindestens die Klasse Dfl, d. h. sie werden in Deutschland als mindestens "normalentflammbar" eingestuft.
Bauprodukte und -stoffe unterliegen europäischem Recht, deren Anwendung wird allerdings national geregelt. Deswegen wird die Leistung von Bauprodukten hinsichtlich des Brandverhaltens und deren Klassifizierung über europäische Normen geregelt. Die Regelung der Anwendungsanforderungen erfolgt dann in Deutschland, z. B. über die Landesbauordnungen und die DIN 4102. Um die Produktleistung (europäisch) und die Produktanforderung (deutsch) in Einklang zu bringen, gibt es die zugehörige "Übersetzungstabelle" in der MVV TB [6].
Bodenbeläge ohne Nachweis der Brandklasse dürfen in Deutschland nicht eingesetzt werden. Werden Bodenbeläge an der Wand eingebaut, greift die Klassifizierung nach DIN EN 1350-1 [5] für Baustoffe außer Bodenbelägen und Rohrisolierungen. Diese unterscheidet sich vor allem bei "schwerentflammbar" von der für Bodenbeläge. Details dazu sind in einem früheren Beitrag in FussbodenTechnik [10] beschrieben.
Der Autor
Dr. Norbert Arnold ist Leiter der Technischen Sortimentsentwicklung bei Uzin und Vorsitzender der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB).
Literatur
[1] Musterbauordnung, Fassung November 2002, zuletzt geändert am 25. September 2020
[2] DIN 4102-1:1998-05, Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil 1: Baustoffe; Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
[3] DIN EN ISO 11925-2:2020-07, Prüfungen zum Brandverhalten - Entzündbarkeit von Produkten bei direkter Flammeneinwirkung - Teil 2: Einzelflammentest
[4] DIN EN ISO 9239-1:2010-11, Prüfungen zum Brandverhalten von Bodenbelägen - Teil 1: Bestimmung des Brandverhaltens bei Beanspruchung mit einem Wärmestrahler
[5] DIN EN 13501-1:2019-05, Klassifizierung von
Bauarten und Baustoffen zu ihrem Brandverhalten -
Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus Prüfungen zum Brandverhalten von Baustoffen
[6] Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), Ausgabe 2021/1
[7] DIN 4102-4:2016-05, Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen -
Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
[8] DIN EN 14342:2013-09, Holzfußböden und Parkett - Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung
[9] DIN EN 14041:2018-05, Elastische, textile, Laminat- und modulare mehrschichtige Bodenbeläge - Wesentliche Merkmale
[10] FussbodenTechnik 03/2020, Brandverhalten von Bodenbelägen bei Wandanwendung
aus
FussbodenTechnik 04/22
(Bodenbeläge)