Aktuelles Marktgespräch mit Industrie, Holzhandel und Handwerk

"Parkett wird zum Luxusgut"

Im dritten Jahr der Corona-Pandemie steht auch die Bodenbelagsbranche angesichts der nicht kalkulierbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine vor einer Zeitenwende. Namhafte Akteure aus Industrie, Holzgroßhandel und dem Handwerk erörterten in der Mühle Meilsdorf die von Rohstoffknappheit, Lieferengpässen und Preissteigerungen geprägte Gesamtsituation - und versuchten die Herausforderungen der Zukunft auszuloten.

Anlässlich der Ehrung der Gewinner des Parkett Star 2022 kamen im April ausgewählte Persönlichkeiten der Parkettbranche in der Mühle Meilsdorf bei Hamburg zusammen. Am Rande der Preisverleihung erörterten die Experten die von Rohstoffknappheit, Lieferengpässen und Preissteigerungen geprägte wirtschaftliche Gemengelage, die alle an der Wertschöpfung Beteiligten seit geraumer Zeit mehr oder minder stark betrifft. Wie begegnen die Akteure aus Industrie, Holzhandel und Handwerk den neuen globalen Herausforderungen und Ungewissheiten? Wie wird die Krise die Bodenbelagssortimente verändern? Worauf muss sich die Branche künftig möglicherweise noch einstellen?

Stellvertretend aus Sicht der holzwerkstoffverarbeitenden Industrie schilderte Ludger Schindler, Geschäftsführer Meisterwerke, wie die Meister-Gruppe den Markt derzeit erlebt. Im Einkauf seien die Preise für HDF und MDF bis April 2022 binnen eines Jahres um 150 % gestiegen - und dann schlugen die Lieferanten Ad hoc nochmals 30 % auf, berichtete der langjährige Branchenkenner von den auch für ihn neuen Erfahrungen. "Der Kubikmeterpreis für HDF liegt heute deutlich über 650 EUR." Auch Vorprodukte für die Laminatfertigung wie Dekor-, Melaminpapiere und Overlays hätten sich um bis zu 90 % verteuert. Jetzt würden die weiter steigenden Gas- und Strompreise die Engpässe in den Lieferketten und generellen Kosten zusätzlich verstärken.

Teuerungen verschieben die Produktgrenzen

Zwar dürfte die Konjunktur der Bauwirtschaft in den kommenden Monaten kaum abflachen, doch durch die Preissteigerungen erwartet Schindler eine Verschiebung der Produktgrenzen: "Laminat erlebt durch die steigenden Preise eine Renaissance - dieses Produkt wird für den Endverbraucher auch in Zukunft erschwinglich bleiben." Gleiches gelte für SPC- und Rigid-Designböden sowie alternative Bodenbelagsprodukte, die ihre Marktanteile ebenfalls weiter ausbauen würden.

Anders schätzt der Meisterwerke-Geschäftsführer die Entwicklung bei Parkett ein. "Der Krieg in der Ukraine hat den Bezug von Landhausdielen deutlich erschwert. Das eine oder andere Unternehmen, auch Meisterwerke, musste Force Majeure anmelden, weil keine Decklagen mehr zu bekommen waren", räumte Schindler ein. Die Versorgung mit Decklagen in der eigentlich benötigten Menge könnte auch langfristig schwierig bleiben. "Die Parkettindustrie muss sich Gedanken darüber machen, ob es Alternativen zu Parkettprodukten mit Deckschichten von 2,5 mm Dicke gibt", sagte Schindler. Um das Angebot nach unten abzurunden, müsse vielleicht auch über Normungsänderungen in Bezug auf die Mindestanforderung einer 2,5 mm dicken Deckschicht nachgedacht werden. Denn nicht mehr jeder könne sich künftig Parkett leisten. "Parkett wird ein Luxusprodukt im Bodenbereich - und die Alternativen sind dann Laminatböden oder andere holzbasierte Bodenbelagsprodukte."

Eine solche Bodenalternative auf Holzbasis sind beispielsweise Woodpowder-Böden, für Johannes Schulte, geschäftsführender Gesellschafter Meisterwerke, der Fußboden der Zukunft: "Der Boden sieht aus wie Parkett, ist strapazierfähiger als Parkett, hat ein schönes Furnier und ist echtes Holz." Die Produktion von Massivparkett beurteilt er äußerst kritisch. "Wir haben in Zukunft nicht mehr genügend Eichenholz auf der Welt zur Verfügung, um Massivparkett zu produzieren." Aus einem Eichenstamm lassen sich laut Berechnungen von Meisterwerke verglichen mit einer 3,6 mm dicken Parkett-Deckschicht 8,5 mal mehr Furnier-Quadratmeter fertigen.

Holzgroßhandel prognostiziert "Delle"
ab Mitte des Jahres

Vielem von dem, was die Industrie zurzeit umtreibt, konnte Maik Möhle (Holzring, Produktmanagement Innenausbau/Bauelemente) aus Sicht des Holzgroßhandels beipflichten. "Wir haben für Holzwerkstoffe - OSB, MDF, HDF und Spanplatten - bislang Quartalsabschlüsse mit der Industrie vereinbart, um auch große Volumina für unsere Gesellschafter zu sichern. Nach den Irritationen des letzten Jahres läuft es in diesem Jahr wieder störungsfrei. Die Preise gehen aktuell in den baunahen Produkten wieder nach oben, berichtete er. Zusätzlich versuche der Holzring, mit seinen Lieferanten Vereinbarungen über die guten kaufmännischen Gepflogenheiten abzuschließen: "Verträge sind einzuhalten".

Im Parkettbereich stelle der Holzgroßhandel nur bei europäischer Produktion Hemmnisse fest. Der Import habe im ersten Quartal noch solide funktioniert. "Der Großhandel hatte gute Geschäfte in 2021, gut geordert und gefüllte Lager. Für das zweite Halbjahr gehen wir aber von einer Delle aus." Parkett sei begehrlich, knapp im Markt und deutlich weiter steigend im Preis. Auch Vinyl werde stetig teurer - "die Chance für Laminat, deutlich Markt gutzumachen. Hier ist ein seit November ein stärkerer Zuwachs zu verzeichnen." Alles in allem werde die Verkettung von ineinandergreifenden Problemen wie Handwerker-Engpässen, Preissteigerungen bei Energie und Produkten sowie der Zinspolitik zu einer Reduzierung der Bauaktivitäten im privaten und öffentlichen Bau führen, befürchtet Möhle.

Mit Optimismus betrachtete trotz allem der Unilin-Gründer Frans De Cock die Marktsituation für Parkett und holzbasierte Böden. "Alles wird teurer. Aufgrund des hohen Gaspreises werden zum Beispiel keramische Fliesen noch viel teurer werden als Holzprodukte", gab er zu bedenken und verwies zudem auf regionale Unterschiede: "Die Welt ist groß. Während Märkte wie Großbritannien zurzeit sehr schwach ist, sind Länder wie Frankreich, Spanien und Italien sehr stark."

Alternative Holzarten jenseits der Eiche?

Auf die Frage, ob sich jetzt nicht auch Chancen für alternative Holzarten jenseits der Eiche auftäten, macht Frans De Cock wenig Hoffnung: "Jeder Hersteller hat verschiedene Holzarten im Programm - aber 90 % der Produktion ist Eiche. In Ländern wie Schweden und Norwegen ist ihr Anteil noch höher als bei uns, und auch Amerika will inzwischen nur noch Eiche." Und dieses Holz wird aus den europäischen Wäldern eben auch in andere Segmente sowie in großem Stil nach China verkauft. Warum es wirtschaftlich sein kann, europäische Stämme dort zu verarbeiten und Fertigholzprodukte dann wieder nach Europa zu bringen, beantwortete Maik Möhle. "Im Endeffekt geht es um den billigen Transport nach China - weil leere Container zurück müssen, werden eben Baumstämme hinein gepackt. Die Wertschöpfung am Stamm ist in China deutlich höher als hierzulande, weil dort aus allem noch irgendetwas gemacht wird. Und die verschiedensten Erzeugnisse kommen dann zurück auf den europäischen Markt."

Steigende Preise als Chance
für das Handwerk

Weg von der vertrieblichen, hin zur anwendungstechnischen Perspektive schlug der Parkett- und Estrichlegermeister Hermann Stellermann den Bogen. "Parkett-, Kork- Laminat- und Designböden haben unterschiedliche Anwendungsbereiche und können nebeneinander existieren", konstatierte er, hob als Verfechter des Parketts gleichzeitig aber auch die für ihn auch künftig unangefochtene Alleinstellung gewachsenen Holzes hervor: Holzbasierte Produkte könnten zwar das Laminatsegment in punkto Qualität nach oben hin abrunden, aber an natürlich gewachsenes Holz mit seiner Haptik, seinen Strukturen und seiner Ausstrahlung würden sie niemals heranreichen.

"Ich sehe die Zukunft für unser Handwerk sehr positiv. Wir müssen nur auch so mutig sein, für unsere Leistungen vernünftige Preise zu verlangen", forderte Stellermann. Dazu der fränkische Parkettlegermeister Klaus Bauer: "Wenn Parkett zur Mangelware wird, dann werden wir künftig möglicherweise den einen oder anderen Bestandsboden, der sonst rausgerissen worden wäre, nochmal aufbereiten." Hochwertig aufgearbeitete Holzböden seien handwerklich gesehen im Grunde sowieso die wertigeren Böden - und diese Renovierungsleistung sollte sich der Parkettleger entsprechend honorieren lassen.
| Imke Laurinat
aus Parkett Magazin 04/22 (Bodenbeläge)