Fachanwalt Andreas Becker informiert

Verbraucher-Widerruf funktioniert nicht immer

Verbraucher haben bei Handwerkerverträgen unter Umständen ein Widerrufsrecht, wenn ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume oder per Telefon bzw. online geschlossen wurde. Üblicherweise beträgt die Frist für das Widerrufsrecht 14 Tage. Fachanwalt Andreas Becker schildert einen Fall, beim das Widerrufsrecht missbräuchlich ausgeübt wurde.

Der Eigentümer eines Reihenhauses beauftragte einen Handwerksbetrieb mit der Erneuerung von Dachrinnen und Abdichtungsarbeiten im Eingangsbereich. Während der Ausführungen bemerkte ein Mitarbeiter des Betriebes, dass der Wandanschluss des Dachs defekt war. Dies wurde dem Eigentümer mitgeteilt. Dieser bat um ein Angebot mit den möglichen Kosten. Hierzu wurde am 22.08. ein Angebot unterbreitet. Am folgenden Tag beauftragte der Eigentümer die Leistungen.

Die Durchführung der Arbeiten war sinnvoll, da bei einer späteren Ausführung Mehrkosten durch den erneuten Aufbau eines Gerüstes entstanden wären. Die Leistungen wurden mangelfrei ausgeführt. Der Eigentümer bezahlte die Rechnung vollständig.

Einige Wochen später widerrief der Eigentümer beide Aufträge und forderte das Geld zurück. Einige Tage nach dem Widerruf kam es zu einer zufälligen Begegnung zwischen dem Handwerker und dem Eigentümer. Der Hauseigentümer überreichte dem Handwerker einen Flyer, der überschrieben war mit: "Der Handwerkerwiderruf - schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern". Der Eigentümer erklärte, dass er auf dieser Basis ein neues Geschäftsmodell entwickelt habe. Aufgrund des Widerrufsrechts, meinte er, könne er die auch mangelfrei erbrachte Zahlung für Leistungen zurückverlangen. Da der Betrieb die Rechnungskosten nicht zurückzahlte, klagte der Hauseigentümer.

Entscheidung des Gerichts

Letztendlich hat der Bundesgerichtshof hierzu eine Entscheidung am 06.07.2023 in dem Urteil VIIZR151/22 getroffen.

Vorher hatte das zuständige Amtsgericht bereits die Klage des Hauseigentümers abgewiesen, weil das Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden sei. Das Landgericht änderte das Urteil dahin ab, dass lediglich der Widerruf für die Zusatzleistung Dachrandabdichtung berechtigt sei.

Der Bundesgerichtshof korrigierte diese Auffassung. Die Gerichte prüften, ob in diesem Fall die Voraussetzung für einen Widerruf vorlag. Sie stellten fest, dass der Hauseigentümer ein Verbraucher ist und somit der Verbraucherwiderruf grundsätzlich anwendbar war. Um das Recht eines Widerrufs ausüben zu können, muss der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Betriebes geschlossen worden sein, bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien.

Der Vertrag über die Dachrandabdichtung wurde tatsächlich auf der Baustelle geschlossen. Das Gericht geht jedoch in Bezug auf die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien davon aus, dass es erforderlich ist, dass sowohl das Angebot als auch die Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner erklärt wird. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Der Eigentümer erklärte lediglich die Annahme am 23.08. auf ein Angebot vom 22.08. Allerdings wird diese zeitlich versetzte Auftragserteilung nicht von der Regelung des Widerspruchs erfasst. Ein Vertragsschluss, bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen liegt demnach nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag annimmt, und das außerhalb der Geschäftsräume.

Schutzzweck des Gesetzes ist hier eine Überraschung oder Übertölpelung eines Verbrauchers, weil an der Baustelle ein Angebot sofort angenommen wird. Sofern der Verbraucher Gelegenheit hatte, das Angebot zu prüfen und zu überdenken, besteht die typische Druck- und Überraschungssituation nicht.

Praxis-Tipp

Die gesetzlichen Regelungen schreiben die Übermittlung von Formularen, die über das Widerrufsrecht aufklären und darüber informieren, wie dieser Widerruf ausgeführt werden kann, zwingend vor. Es sollte bei jedem Angebot, auch wenn es mündlich gegenüber einem Verbraucher erfolgt, in Schriftform eine Widerrufsbelehrung übergeben werden. Insbesondere die Situation auf der Baustelle bei der Erkenntnis, dass weitere Tätigkeiten notwendig sind, ist fehleranfällig.

Bei der Angebotserstellung muss ein Widerrufsformular beigefügt werden. Die Tätigkeiten dürfen demnach eigentlich erst zwei Wochen nach der Abgabe des Angebotes mit dem Widerrufsformular ausgeführt werden. Die Situation, dass das Angebot und die Annahme an zwei verschiedenen Tagen erfolgte und dadurch das Widerrufsrecht nicht greift, wird in den meisten Situationen nicht auftreten.

Keine Regel ohne Ausnahme

Aus Handwerkersicht bleibt zu hoffen, dass man mit "seriösen" Kunden zu tun hat. Es gibt allerdings eine Ausnahme vom Widerrufsrecht bei dringenden Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten. Ebenso gibt es eine Ausnahme, wenn das Widerrufsrecht durch den Unternehmer vollständig erbracht wurde. Diese Ausnahme setzt jedoch voraus, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss bestätigt, dass der Unternehmer mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll.


Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

Becker-Baurecht Nienburger Str. 14a 30167 Hannover
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aus Parkett Magazin 02/24 (Recht)