Fachanwalt Andreas Becker informiert
Optische Beeinträchtigung durch täglichen Gebrauch kann Mangel sein
FussbodenTechnik-Autor Andreas Becker schildert zwei spannende Fälle aus seiner juristischen Praxis: Der erste Fall zeigt, dass eine erbrachte Werkleistung die sogenannte vereinbarte Beschaffenheit im Werkvertrag erfüllen muss, was auch die Optik einschließt. Auch in der zweiten Rechtsangelegenheit geht es um die vereinbarte Beschaffenheit und die Hinweispflicht eines Bodenlegers.Fall
Im Zuge der Errichtung einer repräsentativen Arztpraxis wurde durch einen Handwerksbetrieb auch ein PVC-Designbelag eingebaut. Nach kurzer Zeit der Nutzung der Arztpraxis stellte sich heraus, dass sich viele Dellen und Eindrücke in dem Bodenbelag zeigten. Diese wurden dadurch verursacht, dass die Räder der fahrbaren Büroausstattung Spuren auf dem Bodenbelag hinterließen. Der Arzt forderte von dem Betrieb eine mangelfreie Leistung. Der Handwerksunternehmer gab an, dass der Bodenbelag mangelfrei verlegt worden sei. Es kam zu einem Gerichtsprozess.
Urteil des Gerichts
Das Gericht war der Auffassung, dass der Bodenbelag mangelhaft sei. Aus juristischer Sicht muss eine erbrachte Werkleistung die sogenannte vereinbarte Beschaffenheit aufweisen. Diese ergibt sich in der Regel aus dem Werkvertrag. Dazu gehören alle Eigenschaften des Werks, die den Erfolg der Werkleistung herbeiführen sollen. Dies kann zum Beispiel eine Ausführungsart sein, wie das schwimmende Verlegen eines Parkettbodens oder das Einbringen von Estrich und so weiter. Dabei wird jeweils der Erfolg geschuldet: Das heißt, der Unternehmer ist verantwortlich dafür, dass das von ihm erstellte Werk mangelfrei und funktionstauglich ist. Das Gericht hatte über diesen Fall festgestellt, dass hier nicht nur die vereinbarte Ausführungsart, also das Verlegen eines PVC-Designbelages geschuldet war, sondern auch, dass der Boden eine bestimmte Funktion mit übernimmt. Als Funktion wurde auch die Optik des Bodenbelages bewertet.
Bei dem Gerichtsprozess wurde ein Sachverständiger beauftragt, der feststellte, dass der Bodenbelag selbst ohne Mängel verlegt wurde, jedoch die fahrbaren Einheiten und Bürocontainer optisch stark störende Rillen und Dellen im Bodenbelag erzeugten. Vom Gericht wurde festgestellt, dass der Arzt, der eine repräsentative Praxis führte, auch eine Erwartung hat, dass der Bodenbelag den dort auftretenden täglichen Belastungen standhält. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt - aus diesem Grunde wurde das Werk als mangelhaft angesehen.
Praxistipp
Optische Mängel sind oft ein Ärgernis. Allerdings hat der Verleger die Möglichkeit, eine Nacherfüllung, beziehungsweise eine Neuverlegung des Bodens wegen unverhältnismäßig hoher Kosten zu verweigern. Das Gericht überprüft eine solche Verweigerung nicht automatisch, sondern der Handwerker muss eine sogenannte Einrede erheben. Bei geringen optischen Beeinträchtigungen wird es deshalb oft zu Minderungsbeträgen kommen. In diesem Fall gab es jedoch ein objektiv berechtigtes Interesse des Arztes an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, ohne die optischen Beeinträchtigungen. Hier sollte eine repräsentative Praxis errichtet werden, bei der die Rillen und Dellen derart störten, dass dies für den Auftraggeber nicht mehr hinnehmbar war. (OLG Hamburg, Urteil 28. September 2018, Aktenzeichen 11U128/17).
Bodenleger muss Fußbodenaufbau untersuchen
Fall 2
Ein Sanitätshaus beauftragte einen Handwerker mit der Verlegung eines Vinylbodens. Das Geschäft befindet sich im Erdgeschoss eines Gebäudes, das nicht unterkellert ist. Dort war ein Terrazzobodenbelag auf einer Zement-Trägerschicht auf einem sandigen Untergrund verlegt. Es gab keine Dämmung, keine Folienquerung und auch keine Feuchtigkeitssperre. Von dem Unternehmer wurde eine Feuchtigkeitsprüfung des Terrazzobodens durchgeführt. Nach der Prüfung, die keine Auffälligkeiten ergab, wurde der Terrazzoboden abgefräst und es erfolgte eine Spachtelung, auf der der Vinylboden aufgeklebt wurde.
Es stieg Feuchtigkeit auf, die zu einer sogenannten Verseifung des verwendeten Klebstoffs führte. Dadurch löste sich der Vinylboden ab und es kam zu Stolperfallen im Geschäft. Bei dem unbehandelten Terrazzoboden konnte die aufsteigende Feuchtigkeit verdunsten. Dem Unternehmer wurde eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt, eine Beseitigung des Mangels wurde allerdings nicht vorgenommen.
Entscheidung des Gerichts
Da keine Beseitigung des Mangels erfolgte, wurde eine Klage eingereicht. Das Gericht gab dem Inhaber des Sanitätshauses Recht. Auch hier stellte sich wieder die Frage der vereinbarten Beschaffenheit. Danach schuldet der Auftragnehmer eine Werkleistung, die dem vereinbarten Zweck entsprechend ist. Der vertraglich vereinbarte Zweck ist hier ein Bodenbelag, der auf dem Untergrund haftet und bei dem sich nicht die Verklebung löst und keine Stolperfallen entstehen.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Verleger seine Prüfpflichten vernachlässigt habe. Tatsächlich haftet ein Handwerker nicht für Mängel, wenn er bei einer Prüfung die Fehlerhaftigkeit oder Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe und Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte. Es wurde sogar erörtert, ob die Entnahme eines Bohrkernes verpflichtend gewesen wäre. Dies wurde jedoch verneint. Allerdings hätte vor der Ausführung der Arbeiten einer Erkundigung über die Beschaffenheit des Untergrundes erfolgen müssen. Die fehlende Unterkellerung sei ein Indiz dafür, dass eventuell Feuchtigkeit aufsteigen kann. Die von dem Handwerker durchgeführte Feuchtigkeitsmessung mit einem elektronischen Gerät reichte nicht aus, da das Ergebnis eine Momentaufnahme darstellen konnte.
Der Bodenleger hätte die Verpflichtung gehabt, die Art der Abdichtung zu klären. Wenn es keine Aussagen zu einer Abdichtung des Bodens durch die Auftraggeber oder die Architekten gab, so hätte zumindest durch Verlegen einer Folie geprüft werden müssen, ob eventuell Feuchtigkeit aufsteigt. Der Bodenleger musste in diesem Fall die Kosten für die Überarbeitung des Bodens bezahlen.
Praxistipp
Falls unklar ist, ob Feuchtigkeit vorliegt, gibt es vor der Ausführung solcher Verlegungen für jeden Handwerksbetrieb eine Hinweispflicht. Ein solcher Hinweis muss immer schriftlich erfolgen. Der Unternehmer sollte schildern, was er in Bezug auf den Bodenaufbau festgestellt hat und dass hier mit hoher Wahrscheinlichkeit Feuchtigkeit entsteht. Weiterhin sollte er angeben, welche Folgen diese Feuchtigkeit auf die fertige Leistung hat. Eine Ausführung darf erst dann vorgenommen werden, wenn feststeht, dass die Leistung mangelfrei erbracht werden kann.
Der Handwerker muss die Kosten für die Bodenabdichtung nicht tragen. Bei der Abdichtung des Untergrundes gegen aufsteigende Bodenfeuchte handelt es sich um sogenannte Sowiesokosten. Diese Kosten wären dem Sanitätshaus auch entstanden, wenn vor der Verlegung des Vinylbodens festgestellt worden wäre, dass Feuchtigkeit besteht. Auftraggeber glauben oft, dass solche Sowiesokosten von dem Handwerker geschuldet werden, weil dieser eine mangelfreie Leistung ausführen muss. Allerdings wird ausschließlich für die Leistung eine Haftung und Finanzierung der Mangelbeseitigung übernommen, die auch vertraglich vereinbart ist.
Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht
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aus
FussbodenTechnik 01/24
(Recht)