Kleiner Fehler - Großer Schaden: 80 Schadstellen in Einfamilienhaus dokumentiert
Mineralischer Spachtelbelag zeigt optische Mängel
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. In diesem Fall geht es um einen mineralischen Spachtelbelag, der diverse optische Beeinträchtigungen aufwies.Im Neubau eines Einfamilienhauses baute ein Handwerker im Erdgeschoss einen mineralischen Spachtelboden mit abschließender 2K-PU-Versiegelung ein. Gemäß der Imagebroschüre des Herstellers für den mineralischen Spachtelboden war dieser für alle Wohnbereiche, gewerblichen Bereiche mit Gehbelastung und Stuhlrolleneignung einsetzbar. Bereits auf der zweiten Seite der Broschüre wird darauf hingewiesen, dass es sich bei derartigen Böden um Unikate handelt: Es gehöre zum Erscheinungsbild mineralischer Spachtelböden dazu, dass im Rahmen der Nutzung kleinere Kratzer und Gebrauchsspuren entstehen können, die sich zu einer Patina ausbilden.
Im Bezug auf das typische Erscheinungsbild wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine handwerklich hergestellte Fläche handelt, sodass die Strukturierung und Farbgebung der fertigen Bodenfläche die individuelle Handschrift des Handwerkers zeigt. Mit Hilfe von Fotos wird auf nicht immer vermeidbare Tropfspuren, Rakelspuren und das Ansetzen der Glättwerkzeuge hingewiesen. Haarrisse und kleine Poren als mögliche optische Unregelmäßigkeiten werden thematisiert, wobei die optische Beurteilung dabei grundsätzlich in stehender Haltung erfolgen soll.
Schaden
Zweiter Sachverständiger
dokumentiert 80 Mängel
Die Bauherren beauftragten einen Sachverständigen mit der Beurteilung der Verlegung des mineralischen Spachtelbodens, der auf mehr als 60 Seiten von ihm so bezeichnete 80 Schadstellen dokumentierte. Es handelte sich um Haareinschlüsse, Blasenbildungen, Abplatzungen und Ablösungen der Deckversiegelung durch herabfallende Gegenstände. Außerdem um Lochbildungen in der Spachtelmasse, fehlende bzw. abgetragene Versiegelung im Bereich von punktuellen Aufwölbungen in der Oberfläche, optische Auffälligkeiten in nachgearbeiteten Bereichen sowie Riefenbildung infolge der Nutzung. Die Flächen waren aus allernächster Nähe fotografiert. Der Autor dieses Fachbeitrags wurde schließlich von dem ausführenden Handwerker ebenfalls mit der gutachterlichen Beurteilung beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Fußboden seit ungefähr einem Jahr genutzt.
Bei der Begehung der Flächen und der Beurteilung des Oberflächenbildes in aufrechtstehender Haltung zeigten sich Farbschattierungen und Strukturdifferenzen, die materialtypisch waren. Jedoch auch streifige Farbschattierungen in einem gelb-beigen Farbton, die nicht zum Farbspektrum des Spachtelbelags im Objekt gehörten. Diese lagen aufgrund von Nacharbeiten der Versiegelung in auffälliger Form vor.
Die als Schaden bemängelten Einschlüsse von Haaren in der Versiegelungsoberfläche waren beim Begehen und in aufrechtstehender Haltung zunächst nahezu nicht erkennbar. Erst nach Hinweis durch die Hauseigentümer und intensiver Inaugenscheinnahme aus kurzem Abstand zeigten sich über die gesamte Fläche verteilt mehrere Haareinschlüsse. Vereinzelt lagen stecknadelkopfgroße Löcher, sogenannte Pinholes, in dem Spachtelbelag vor. Diese waren weder optisch auffällig noch seitens des Materialherstellers in dessen Broschüren als nicht vermeidbar beschrieben.
Mehrere nebeneinanderliegende pickelartige Erhöhungen störten jedoch den optischen Eindruck des Spachtelbelages deutlich, wobei teilweise bereits die Versiegelung auf diesen pickelartigen Erhöhungen abgetragen war. Weitergehende Ablösungen der Deckversiegelung und Vertiefungen sowie Fehlstellen in der Oberfläche des Spachtelbelages waren demgegenüber bereits als Schadensbilder zu bezeichnen, die über einen reinen optischen Mangel hinausgingen.
Im Erdgeschoss des Wohnhauses waren alle beweglichen Möbelstücke mit Filzgleitern ausgestattet. Wie das Foto auf der letzten Seite dieses Beitrags zeigt, waren an den Küchenstühlen die Filzkörper in einem Ring aus hartem Kunststoff eingebettet, wobei die Filzkörper über diesen Kunststoffring hinausragten.Derartige Filzgleiter werden sachverständigenseits als nicht optimal bewertet, da diese ständig kontrolliert werden müssten. Nur so ließe sich prüfen, ob der harte Kunststoffring übersteht und so für eine Beschädigung oder Verkratzung der Oberfläche des Spachtelbodens sorgt.
Außer den wenigen stecknadelkopfgroßen Löchern und winzigen Riefen aufgrund der Nutzung, die jedoch erst bei Gegenlichtbetrachtung und intensiver Inaugenscheinnahme erkennbar waren, handelte es sich sowohl um optische, als auch teilweise technische Mängel im Spachtelbelag. Die Beanstandungen der Bauherren waren für den Großteil der zuvor beschriebenen Sachverhalte nachvollziehbar und gerechtfertigt.
In der Vergangenheit hatte der Sachverständige bereits derartige Spachtelbeläge oder auch direkt genutzte Estriche und Designestriche gutachterlich bewertet, die lediglich materialspezifisch und herstellungstechologisch nicht vermeidbare Unregelmäßigkeiten aufwiesen und dennoch seitens der Bauherren und Auftraggeber bemängelt wurden.
Ursache
Fehlende Aufklärung
über spätere Optik
Oftmals stellt sich heraus, dass die Bauherren und Auftraggeber eine Erwartungshaltung an die Optik ihres Fußbodens hatten, die jedoch nicht den tatsächlichen technischen Möglichkeiten des jeweiligen Bodenbelages entspricht. Für derartige Beläge ist es unabdingbar erforderlich, den Bauherren und Auftraggeber durch eine umfassende und intensive Beratung vorab über die ganze Bandbreite des jeweiligen Produktes in der Verarbeitung und späteren Optik aufzuklären.
Erfahrungsgemäß ist es ebenfalls kontraproduktiv, dem Bauherrn und Auftraggeber eine optimal hergestellte Fläche als Beurteilungsgrundlage anzubieten. Auch ein kleines unter optimalen Klima- und Arbeitsbedingungen hergestelltes Handmuster reicht hierzu nicht aus. Um spätere Reklamationen zu vermeiden, muss dem Bauherrn und Auftraggeber die gesamte Bandbreite des möglichen Oberflächenbildes eines derartigen Spachtelbelages gezeigt werden: Am besten in ein bis zwei Objekten, damit sich dieser eine realistische Vorstellung über seinen späteren Fußboden machen kann.
Um Reklamationen möglichst von vornherein auszuräumen, ist es hilfreich, die Hinweisblätter des Bundesverbandes Estrich und Belag für Designestriche Nr.8.8-8.10 sowie auch das Merkblatt 19 der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) zu kennen und zu berücksichtigen.
Verantwortlichkeit
Handwerker arbeitete
nicht fachgerecht
Die Vielzahl der negativen Einzelsachverhalte hatte ihre Ursachen in einer nicht sach- und fachgerechten Verarbeitung und Nacharbeit des Spachtelbelages und der oberseitigen Versiegelung. Dies stand nach dem Verursacherprinzip in der Verantwortung des ausführenden Handwerkers.
Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass bei der Beurteilung derartiger Fußböden zunächst die Betrachtungsweise in aufrechtstehender Haltung zu erfolgen hat. Unregelmäßigkeiten in Form von einzelnen Pinholes, vereinzelte Pinselhaare, nutzungsbedingte winzige Riefen, die nur bei Gegenlichtbetrachtung zu erkennen waren, sind kein Grund für eine Reklamation.
Da diese optischen Mängel und Schadensbilder die Gesamtfläche des Erdgeschosses betrafen, wurde empfohlen, den Spachtelboden vollständig nach den Herstellervorgaben zu überarbeiten. Um möglichst zu vermeiden, den gesamten Spachtelbelag bis zur Estrichoberfläche rück- und nochmals neu aufbauen zu müssen, wurde angeregt, einen Raum als Musterfläche zu verwenden. Dort sollte die Versiegelung einschließlich der obersten Zone des mineralischen Spachtelbelages durch Feinschleifen entfernt und neu versiegelt werden.
Der Autor
Dipl.-Ing. Ralf Gagewi ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Industriefußböden mit Niederlassung in Themar (Thüringen) und Büro in Ransbach-Baumbach (Rheinland-Pfalz).
IFF-Fußboden Gutachter Gagewi
Mobil: 01 71 / 2 18 05 44
ralfgagewi@web.de www.industriefussboden-gutachter.de
Büro Rheinland-Pfalz: Landshuber Str. 8
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aus
FussbodenTechnik 01/24
(Handwerk)