Leserbrief von Hans-Uwe Walter zum Fachbeitrag Dr. Arnold/Kison in FT 1/2024

"Spachtelmassen sind unter dem Begriff Estrich zu subsumieren"

In FussbodenTechnik 1/2024 sprachen sich der Vorsitzende der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB), Dr. Norbert Arnold, und der Sachverständige Dominik Kison in einem gemeinsamen Fachbeitrag für eine eigenständige Anwendungsnorm für Spachtelmassen aus. Der Sachverständige Hans-Uwe Walter aus Lorch wiederspricht dieser Forderung in seinem folgenden Leserbrief entschieden.

Der Aufsatz der beiden Autoren zur Begründung dessen, weswegen eine weitere, neue Techniknorm - eine neue Anwendungsnorm - eingeführt werden soll, erscheint aus fachlicher Sicht merkwürdig verkürzt.

Eine Spachtelmassen-Schicht ist ein existentielles Bauteil einer Fußbodenkonstruktion zur darauf - fachgerechten - Verlegung von Bodenbelägen. Daran führt kein Weg vorbei. Nach der allgemeinverbindlichen Definition eines "Estrichs" ist dies u. a. ein Bauteil, eine Schichtenfolge eines Bauteils einer Fußbodenkonstruktion, das eine vorgegebene Höhe erreichen soll, und/oder um einen Bodenbelag darauf aufzunehmen, und/oder dass diese unmittelbar genutzt werden können. Diese Definitionsbeschreibung trifft - vollinhaltlich - auch auf die Bauteilschicht der Spachtelmasse als Teil einer fachgerechten Fußbodenkonstruktion zu, nachdem sie auf die lastverteilende Estrichplatte appliziert wurde, weswegen diese - zurecht - ebenfalls unter dem Begriff "Estrich" zu subsumieren ist.

Es ist - entgegen der Auffassung der Autoren - nicht nur eine Hauptfunktion einer Spachtelmassen-Schicht eine glatte, ebene, gerade, saugfähige Oberfläche herzustellen, sondern sie dient u. a. auch - in eingeschränktem Rahmen - dazu, eine höhengerechte Lage des Untergrundes, z. B. zur Aufnahme des Bodenbelags, herbeizuführen! Somit ist denkgesetzlich folgerichtig, dass diese Spachtelmassen-Schicht als zum "Estrich" gehörig eingeordnet ist.

Das pulverförmige, industrielle Ausgangsprodukt für das Bauteil Spachtelmasse, die der Bodenleger herstellt, indem er das Anmachwasser zum Mörtelpulver hinzufügt, ist ein EU-weit handelsfähiges Produkt. Nach derzeitiger Rechtslage sind EU-weit handelsfähige Produkte mit einem CE-Kennzeichen zu versehen. Das bedingt, dass für das Produkt eine Leistungserklärung zu erstellen ist. Eine Leistungserklärung kann aber nur dann abgegeben werden, wenn das Produkt für verschiedene, definierte, mechanisch-physikalische Kennwerte geprüft worden ist und diese insoweit deklariert werden (können). Allerdings verursachen Prüfungen, zumal nicht nur eine einmalige Prüfung vorzunehmen ist, laufende Kosten.

Für ein existentielles Bauteil einer Fußbodenkonstruktion, wie es eine Spachtelmassen-Schicht darstellt, ist es, im Interesse der bodenlegenden Betriebe, zwingend, dass Klarheit für seine/ ihre mechanischen Eigenschaften, d. h. vereinfacht, welche Qualität sie besitzt, bestehen. Soweit diesseits bekannt ist, ist in der neu zu schaffenden Anwendungsnorm nicht definiert, welche Materialqualitäten hinsichtlich der zu erwartenden Festigkeiten eine derartige Spachtelmasse zu erbringen hat. Als geneigter Leser fragt man sich warum. Soweit bekannt, sollen "allgemeingültige Mindestanforderungen für Festigkeiten" ausdrücklich nicht definiert werden. Anders als bei der Definition von Festigkeiten im Rahmen einer Leistungserklärung, wie dies bei "Estrichen" zu erfolgen hat. Damit wäre das Material "Spachtelmasse" im Rahmen einer Reklamation - de facto - einer Prüfung entzogen.

Des Weiteren wird ein entscheidender Kennwert, der der Oberflächenfestigkeit, mit unbestimmten Begriffen desavouiert. Langjährige bewährte Praxis zur Bestimmung von Oberflächen-Festigkeitswerten von Spachtelmassen bei Mängeln und Schadensfällen würden erheblich erschwert.

Nach derzeitigem Sachstand ist es doch wohl so, dass, weil Spachtelmassen definitionsgemäß zu den "Estrichen" gehören, für die Materialqualitäten hinsichtlich der zu erwartenden Festigkeiten eine Leistungserklärung zu erstellen ist. Beim Studium dieses Aufsatzes kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit der "neuen Spachtelmassen-Norm" die Spachtelmassen aus der Estrich-Norm herausgelöst werden sollen, mit dem Ziel, die bislang geltenden, qualitativen Anforderungen abzuwerten, um damit die Deklaration mechanischer Festigkeits-Kennwerte für Spachtelmassen mit fadenscheinigen Argumenten und Begründungen zu umgehen, damit die derzeit erforderliche Leistungserklärung für Spachtelmassen entfällt. Was - gegenüber einem "regulären Estrich" - einen geldwerten Vorteil für Spachtelmassen brächte, gegenüber dem "Estrich". Allerdings ändert das nichts daran, dass das pulverförmige Ausgangsprodukt ein EU-weit handelsfähiges Produkt darstellt und somit eine CE-Kennzeichnung anzubringen ist; s.o.

Da die Estrich-Norm nach ihrer Modifizierung die physikalischen Kennwerte der Schwindklassen kennt, die in der Leistungserklärung angegeben werden kann, dürfte dies, insbesondere bei zementären Spachtelmassen, unerwünschte Konsequenzen bereiten, insbesondere bei ausgeführten "Dicken" Schichten. Soweit diesseits bekannt, verhält sich die neue Norm "Spachtelmassen" textlich, und damit mit konkreten Anforderungswerten, anders als bei "Estrichen", nicht zum Schwindverhalten von Spachtelmassen, sondern "soll geprüft werden müssen". Die dazu angezogene Norm ist dann ein Laborwert, der dann, im Zweifel - wenn es nach einer Reklamation "ernst wird", als "Laborwert" diskriminiert werden wird.

Im Übrigen weist der derzeitige Entwurf der DIN "Spachtelmassen" weitere erhebliche technische Defizite auf. Wohl deshalb gibt es zu dem vorgelegten Entwurf erhebliche Widerstände.

Befremdend wirkt, dass sich eine "Anwendungsnorm für zementäre Spachtelmassen" anmaßt, unmittelbar in das Anwendungsgebiet der Estrichnorm Teil 1 einzugreifen, in dem Estriche "definitionsgemäß" erst oberhalb einer Nenndicke von 20 mm vorliegen sollen. Demgegenüber fehlen im Entwurf der "Anwendungsnorm", wenn die Norm "ein großer Wurf" werden sollte, eine Vielzahl klar definierter, konkreter technischer Festlegungen einschließlich entsprechender, zahlenmäßiger Kennwerte, die daran ausgerichtet sind, ein im Sinne der Nachhaltigkeit abnahmefähiges, weil mangelfreies Werk, zu erstellen. So ist u. a. im "Normentwurf" keine Silbe dazu zu finden, dass ein wesentliches Kriterium eines mangelfreien Werks der ausgeführten zementären Bodenspachtelmasse deren Rissefreiheit ist, was unmittelbar mit den rheologischen Eigenschaften einer Spachtelmasse (des Schwindverhaltens und der Schichtdicke/n) im Zusammenhang steht.

Völlig fehl gehen die Interpretationen der Autoren zum Absatz über die VOB/ C! Verkürzt, zusammenfassend betrachtet, ist fachtechnisch festzustellen: Thema verfehlt.

Hans-Uwe Walter, Lorch
ö.b.u.v. Sachverständiger
Sachgebiet Estrich - Fußböden
"Spachtelmassen sind unter dem Begriff Estrich zu subsumieren"
Foto/Grafik: Saint-Gobain Weber
Laut Leserbrief-Schreiber Hans-Uwe Walter sei keine eigenständige Norm für Spachtelmassen notwendig.
aus FussbodenTechnik 02/24 (Handwerk)