"Das Thema Hitzeschutz in Gebäuden gewinnt an Bedeutung"


BTH Heimtex: Welche Rolle spielt in Zukunft das Thema Sonnenschutz?

Thomas Drinkuth: Das Thema Hitzeschutz in Gebäuden gewinnt mit dem voranschreitenden Klimawandel an Bedeutung. Da Hitzeperioden im Laufe der Jahre kontinuierlich zunehmen werden, brauchen wir Gebäude, die nicht nur heutigen sommerlichen Bedingungen standhalten, sondern auch denen in 20 Jahren.

Vorrangiges Ziel ist hierbei der Gesundheitsschutz der Bewohner. Weiterhin gilt es, Fehlinvestitionen zu vermeiden, die auf einem nicht mitgedachten Hitzeschutz basieren: Baulicher Sonnenschutz muss stets Vorrang vor der energieintensiven Kühlung haben. Hierfür stehen zahlreiche technisch ausgereifte Lösungen zur Verfügung: außen- und innenliegender Sonnenschutz, automatisiert oder manuell gesteuert, Sonnenschutz im Scheibenzwischenraum oder Sonnenschutzglas.

Was ergibt sich daraus für das Bauen der Zukunft?

Während wir in nahezu allen Bereichen die dringend benötigte Verschlankung der Baubestimmungen unterstützen, ist die bauliche Anpassung an den Klimawandel das einzige Feld, in dem es notwendig ist, die Baubestimmungen für einen sommerlichen Hitzeschutz deutlich zu verbessern. Vor allem müssen relevante DIN-Normen und das Gebäudeenergiegesetz an die klimatischen Entwicklungen der Zukunft angepasst werden. Es kann nicht angehen, dass heutige Neubauten nach der Datenlage der klimatischen Bedingungen der Vergangenheit geplant werden und der voranschreitende Klimawandel nicht berücksichtigt wird.

Worin unterscheiden sich dabei für Neubau- und Bestandsbauten?

Architekten können im Neubau den sommerlichen Hitzeschutz von Beginn an mitdenken - auch wenn das leider manchmal nicht passiert. Es gibt hier eine schier unbegrenzte Anzahl von Möglichkeiten, die die individuellen Gegebenheiten, z.B. Lage und Ausrichtung des entstehenden Gebäudes und nicht zuletzt auch die finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn, mit berücksichtigen. Diese Optionen fehlen naturgemäß im Falle der Sanierung von Bestandsgebäuden. Dennoch muss auch hier auf guten Sonnenschutz unter Nutzung der vorhandenen Gegebenheiten nicht verzichtet werden. Während die Erfahrung zeigt, dass im Falle von Bestandsbauten ein außenliegender Sonnenschutz nicht immer realisierbar ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten im Bereich des innenliegenden Sonnenschutzes, beispielsweise zusammen mit Sonnenschutzglas.

Sind bestehende Förderprogramme aus Ihrer Sicht ausreichend?

Positiv ist, dass praktisch alle Maßnahmen im Bereich des baulichen Hitzeschutzes förderfähig sind - dafür haben wir uns eingesetzt. Nichtsdestotrotz ist die Förderhöhe für Sanierungen nicht ausreichend: 15 % Förderung plus 5 % im Falle eines vorliegenden individuellen Sanierungsfahrplans reichen nicht aus, um einen Breitenimpuls für mehr Sanierungen zu geben. Durch die politische Priorisierung des Wechsels von Öl-/Gasheizungen hin zu Wärmepumpen und den entsprechenden Schwerpunkt bei der Förderung entsteht ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen der Förderung von Wärmeanlagen und der Förderung einer energieeffizienten Gebäudehülle.

Der schlechte energetische Zustand und damit kostenintensive Energieaufwand vieler alter, schlecht oder gar nicht sanierter Häuser - diese meist bewohnt von einkommensschwachen Haushalten - wird zu wenig berücksichtigt. Politisch sind die Weichen für den Hitzeschutz noch nicht richtig gestellt.

Was raten Sie Raumausstattern, Fachhändlern und Handwerkern, die zum Thema Sonnenschutz beraten, ihn verkaufen und montieren sollen in Bezug auf Förderprogramme?

Viele Institutionen, beispielsweise die Landesenergieagenturen, stellen Förderberatungstools zur Verfügung, die in der Regel geeignete Bundes- und Landesförderprogramme ermitteln. Diese sollten im Kundengespräch genutzt werden. Bleibt mal eine Frage unklar, besteht zudem die Möglichkeit, direkt bei der Förderorganisation (BAFA, KfW) oder beim Expertenportal "Gebäudeforum Klimaneutral" (gebaeudeforum.de) nachzufragen.

Wie schätzen Sie insgesamt die aktuellen Rahmenbedingungen für den Neubau- und Sanierungs-Sektor ein?

Die rückläufigen Bauantragszahlen und die niedrige Sanierungsrate zeigen, dass die Aussichten insgesamt nicht besonders gut sind. Grundsätzlich sind die Maßnahmen der Bunderegierung nicht falsch, vor allem, was ihre Bestrebungen anbelangt, das oft überladene Ordnungsrecht zu vereinfachen und Prozesse zu beschleunigen. Das Problem liegt eher darin, dass die politischen Maßnahmen schlicht unzureichend sind, um den dringend benötigten Aufschwung der Bauindustrie zu initiieren, den Gebäudesektor klimaresilient auszugestalten und damit einen großen Schritt Richtung Erreichen der Klimaziele zu gehen. Die positive Einschätzung der Perspektiven im Bau durch die Bundesregierung entbehrt jeder Grundlage. Dringend benötigte Förderimpulse fehlen im Bau sowie in der Sanierung.

Was müsste die Bundesregierung sinnvollerweise in ein Unterstützungspaket für die Bauwirtschaft packen - und wo könnte dabei das Thema Sonnenschutz ins Spiel kommen?

Es wird eine deutlich breiter angelegte Förderung im Neubau benötigt, z.B. durch temporär unterstützende Fördermaßnahmen, die sich nicht ausschließlich auf das energetisches Spitzensegment EH40 beziehen. Der Standard des EH55, gekoppelt an erneuerbare Heizsysteme, wäre dabei ausreichend. Zudem würde die deutliche Senkung der Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer zu weiteren positiven Effekten führen. Dies gilt ebenfalls für eine Anhebung der Fördersätze und umfassenden Abschreibungsmöglichkeiten für die Wohnungswirtschaft im Bereich der Sanierung. Hitzeschutzanforderungen bei Neubau und im Falle der Sanierung von Bestandsbauten sollten schnellstmöglich auf die Zukunft ausgerichtet werden.
Die Fragen stellte Michaela Fischer.
"Das Thema Hitzeschutz in Gebäuden gewinnt an Bedeutung"
Foto/Grafik: Repräsentanz Transparente Gebäudehülle
Thomas Drinkuth ist Leiter der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle.
aus BTH Heimtex 07/24 (Bau)