Fachanwalt Andreas Becker informiert

Bedenkenanmeldung immer ernst nehmen

Die Bedenkenanmeldung hat für Handwerker eine wichtige juristische Bedeutung, da sie ihre Haftung für später auftretende Mängel oder Schäden einschränken kann. Durch die schriftliche Meldung von Bedenken dokumentieren Handwerker, dass sie potenzielle Probleme erkannt und gemeldet haben, was ihre Sorgfaltspflicht erfüllt. Letztlich dient sie als Schutzinstrument für Handwerker, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und ihre Position im Falle von Streitigkeiten zu stärken.

Was im Baugewerbe schon lange als selbstverständliches Mittel der Befreiung von einer Haftung für fehlerhafte Arbeiten vorhergehender Gewerke oder der Auftraggeberseite im Rahmen der Mängelgewährleistung bekannt ist, führt dennoch in der täglichen Praxis nach wie vor zu Schwierigkeiten in der tatsächlichen Anwendung. So haben deutsche Gerichte immer wieder Fälle zu entscheiden, in denen es um die konkrete Ausgestaltung der Bedenkenanmeldung geht - sowie um die Frage, welchem Ansprechpartner gegenüber sie zu erfolgen hat, um eine haftungsbefreiende Wirkung zu entfalten.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall geht es um einen (laut Auftragnehmervortrag) mündlich vor Ort gerügten Mangel hinsichtlich eines nicht ordnungsgemäß ausgeführten Estrichs seitens des Vorgewerks. Dieser Hinweis sei durch einen Mitarbeiter bzw. den Geschäftsführer des rügenden Unternehmens auf der Baustelle gegenüber einem Vorarbeiter des Auftraggebers vorgenommen worden. Eine schriftliche Bedenkenanmeldung bezüglich des mangelhaften Estrichs erfolgte jedoch nicht. Das Gericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, gegenüber wem und unter welchen Vorraussetzungen eine Bedenkenanmeldung zu erfolgen hat, um den Anzeigenden aus der Haftung im Rahmen der Mängelgewährleistung zu entlassen.

Die Entscheidung

Gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B hat der Auftragnehmer bestehende Bedenken unverzüglich und schriftlich mitzuteilen. Diese Prüf- und Bedenkenhinweispflicht gilt auch im BGB-Bauvertrag. Grundlage dafür ist die hervorgehobene Bedeutung dieser Hinweispflicht. Im BGB-Vertrag reicht grundsätzlich ein mündlicher Hinweis, weil die Schriftlichkeit nur in § 4 Abs. 3 VOB/B für den VOB-Vertrag erwähnt ist. Aber selbst beim VOB-Vertrag kann ausnahmsweise ein mündlicher Hinweis zumindest ein Mitverschulden des Auftraggebers nach § 254 BGB nach sich ziehen, wenn der Auftragnehmer die Bedenken eindeutig - also inhaltlich klar und vollständig - geäußert hat. Hier liegt jedoch oftmals ein Problem: Eine lediglich mündlich vorgetragene Bedenkenanmeldung lässt sich nur schwer im Nachhinein beweisen; die Beweispflicht trägt dabei immer der behauptende Auftragnehmer.

Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, welche Personen auf Seiten des Auftragnehmers zur Bedenkenanmeldung verpflichtet sind und gegenüber wem sie diese kundzutun haben. Hierbei vertritt das Gericht die Auffassung, dass grundsätzlich der Auftragnehmer selbst oder dessen Vertretungsbefugter gegenüber dem Auftraggeber persönlich oder dessen Vertretungsbefugten erklären muss. Dies kann auf Auftraggeberseite etwa der umfassend bevollmächtigte Architekt sein, sofern nicht gerade dessen Leistung Gegenstand der Bedenkenanmeldung ist. Achtung: Vorarbeiter oder Polier auf der Baustelle sind also, selbst wenn sie im Lager des Auftraggebers stehen, keine tauglichen Empfänger.

Bei Nichtbeachtung direkt
an Auftraggeber wenden

Ergeht die Bedenkenanmeldung gegenüber einem Vertretungsberechtigten und wird sie von diesem nicht beachtet oder ernst genommen, so muss der Auftragnehmer sich außerdem direkt an den Auftraggeber wenden, um sich von einer etwaigen Haftung zu befreien. In welchem Fall die einer Bedenkenanmeldung vorausgehende Prüfungspflicht des Auftragnehmers gegeben ist, und wie weit sie reicht, lässt sich nicht pauschal festhalten. Es kommt auf die Verhältnisse und Umstände des Einzelfalls an. Entscheidende Gesichtspunkte sind das beim Auftragnehmer im Einzelfall vorauszusetzende Wissen, Art und Umfang der Leistungsverpflichtung und des Leistungsobjektes sowie die Person des Auftraggebers und des zur Bauleitung bestellten Vertreters (OLG Hamm Urteil 4. April 2003 Az. 34 U 132/01).

Inhaltlich ist die Bedenkenanzeige dabei derart konkret auszugestalten, dass dem Auftraggeber klar ersichtlich wird, welche Konsequenzen aus der Nichtbeachtung der Bedenkenanmeldung entstehen könnten. Dabei gilt es zu beachten, dass man es vor allem bei privaten Auftraggebern im Baubereich oftmals mit Laien zu tun hat, die ebenfalls die Auswirkungen der unbeachteten Bedenkenanmeldung erkennen können müssen.

Der Auftraggeber ist verpflichtet, auf die Anmeldung von Bedenken durch den Auftragnehmer zu reagieren, sodass die Verzögerung einer Entscheidung, wie weiter verfahren werden soll, eine Behinderung nach § 6 VOB/B darstellen kann. Der Auftragnehmer ist berechtigt, nach Abgabe der Erklärung einen angemessenen Zeitraum abzuwarten, welche Entscheidung der Auftraggeber trifft (vgl.. Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, § 4 VOB/B Rdnr. 98).

Der Eintritt des Verzuges des Auftragnehmers wird durch eine vorhergehende Bedenkenanmeldung nicht ausgeschlossen, insbesondere dann nicht, wenn der Auftraggeber auf die Bedenkenanmeldung reagiert und gleichwohl eine Durchführung der Arbeiten wünscht (OLG Hamm, Urteil 24. Mai 2012 - 21 U 95/11; BGH, Beschluss 20. Mai 2014 - VII ZR 193/12). Ein Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers besteht nach ordnungsgemäßer Mitteilung von Bedenken im Hinblick auf § 4 Nr. 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B ohnehin grundsätzlich nicht (vgl. OLG Hamm, Urteil 24. Mai 2012 - 21 U 95/11; BGH, Beschluss 20. Mai 2014 - VII ZR 193/12).

Praxistipp

Handwerker müssen die Thematik der Bedenkenanzeige ernst nehmen. Diese sollte immer unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber oder gegenüber dessen Vertretungsberechtigtem durch den Auftragnehmer selbst (oder durch dessen Vertretungsberechtigten) erfolgen und ausreichend deutlich hinsichtlich der Folgen einer Nichtbeachtung formuliert sein. Wichtig ist, dass eine Belehrung des auftraggeberseitig Vertretungsberechtigten Handwerker nicht von einer Haftung freistellt, wenn dieser sich der Bedenkenanzeige verschließt. Vielmehr trifft den Ausführenden dann die Pflicht, auch den Auftraggeber selbst über die Bedenken zu informieren.


Der Autor

Andreas Becker ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.

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aus FussbodenTechnik 05/24 (Recht)