Baumärkte im Zugzwang
Nullwachstum und erhöhter Wettbewerbsdruck durch neue Anbieter: Kreditversicherer Atradius sieht die deutschen Baumärkte im Zugzwang. Mit erweiterten Serviceangeboten und durch Kooperation kleinerer Marktteilnehmer könne man dem begegnen.Der Kreditversicherer Atradius wirft einen Blick auf die Situation und die Zukunftsaussichten der deutschen Baumärkte - und die sind alles andere als rosig. Trotz einem Umsatzplus von 4,4 % im ersten Quartal 2024 rechnen die Marktbeobachter für das Gesamtjahr inflationsbereinigt mit Nullwachstum. Denn: "Die Corona-Pandemie hat die Menschen in die Baumärkte gebracht, in der jüngeren Vergangenheit aber hat die wirtschaftliche Unsicherheit auch auf die Heimwerkermärkte übergegriffen", wie Michael Karrenberg, bei Atradius Regional Director Risk Services Deutschland, Zentral- und Osteuropa, feststellt.
2020 sei das Erfolgsjahr der Baumärkte gewesen mit einem Umsatzwachstum von 14 % auf 22,1 Mrd. EUR. Seitdem schwankten die Einnahmen jedoch stark. Der Krieg gegen die Ukraine, die anhaltende Inflation und auch das Gebäudeenergiegesetz sorgen für Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern. Die gesetzlichen Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden wirkten sich auch auf die Baumärkte aus. "Im Jahr 2023 konzentrierte sich die Nachfrage auf Themen rund um Heizung und Wärmedämmung", so Karrenberg, "hierbei sind Baumärkte nicht unbedingt im Fokus". Auch im ersten Quartal 2024 sei die Nachfrage nach baurelevanten Produktgruppen deutlich zurückgegangen, im Fokus habe der Garten- und Pflanzenbereich gestanden.
Konkurrenz durch
branchenfremde Anbieter
Hinzu kommt die Konkurrenz durch neue Anbieter. Ebenfalls während der Pandemie haben viele Unternehmen ihr Angebot um Heimwerkerartikel wie Werkzeuge und Farben oder Gartengeräte ergänzt - und nach Corona beibehalten. Durch günstigere Produkte und den Onlinehandel hat sich die Wettbewerbsintensität für die Baumärkte erhöht. "Die neuen Konkurrenten dürften längerfristig im Markt bleiben", meint Michael Karrenberg. "Für viele Baumärkte wäre es gut, wenn sie darauf reagieren und sich weiterentwickeln - von einem reinen Bereitsteller von Produkten hin zu einem Anbieter von Produkten und dazugehörigen Dienstleistungen."
Serviceleistungen könnten künftig den Unterschied machen. Denkbar ist die Ausweitung von Montage- und Installationsdienstleistungen. Schon vor dem Hintergrund der fortlaufenden Digitalisierung seien Kunden zunehmend auf Hilfestellungen angewiesen. Mehr praktische Anleitungen und Workshops, etwa zur Materialverarbeitung und Gerätenutzung, sowie die Vermittlung zwischen Kunden und Handwerkern dürften ebenfalls Potenzial bieten.
Kleinere Firmen besonders unter Druck
Weil vom Gesamtumsatz aller deutschen Baumärkte ein Drittel auf die beiden größten Anbieter entfällt, stehen kleinere Firmen zusätzlich unter Druck. Ihnen empfiehlt Karrenberg, sich zusammenzuschließen, um Kosten zu senken und Synergien zu nutzen. Auch ein Wandel in der Verfügbarkeit der Materialien sei denkbar, um die Kapitalbindungen zu reduzieren: Waren würden zentral gelagert und auf Bestellung ausgeliefert werden.
Auf die lange Bank schieben sollte die Branche die Veränderungen jedenfalls nicht. "Beim einen oder anderen Marktteilnehmer hat sich die Liquiditätslage in den letzten Monaten spürbar verschlechtert", berichtet Michael Karrenberg. Die Ausfallgefährdung sei insgesamt aber weiterhin moderat. Profitieren könne die Branche von einer Senkung des Leitzinses durch die EZB ebenso wie von der aktuellen Lohnentwicklung. Und Angst vor dem Einstieg ausländischer Wettbewerber, müsse man auch nicht haben: "Der Markt ist klar zwischen den heimischen Anbietern verteilt - internationale Wettbewerber könnten nur in den deutschen Markt einsteigen, indem sie einen der bestehenden Anbieter übernehmen."
aus
BTH Heimtex 09/24
(Handel)