Generation Z fürs Handwerk begeistern

Eine Umfrage unter Raumausstattern und Fachhändlern zeigt: Wer aktiv und vor allem auch digital auf den Nachwuchs zugeht, hat eine Chance auf Resonanz und Auszubildende. Der Kontakt zu den Schulen scheint dabei besonders wichtig.

Dem Handel und vor allem dem Handwerk fehlt der Nachwuchs: junge Leute zwischen 15 und Mitte 20 also, die sich als Raumausstatter, Bodenleger, Maler und Lackierer, Groß- oder Einzelhandelskaufleute ausbilden lassen wollen. "Wir bilden zur Zeit nicht aus, da es keine Bewerber gibt - trotz intensiver Bemühungen", schreibt uns ein hessischer Raumausstatterbetrieb. Ein weiteres Unternehmen berichtet von "zum Teil abenteuerlichen Lebensläufen" in sehr spät eingereichten Bewerbungen, in denen "viele verschiedene Jobs, angefangene und abgebrochene Ausbildungen" auftauchten.

Entsprechend haben die Betriebe häufig mit jungen Menschen zu tun, die ihre Lehre vorzeitig beenden. "2023 hat eine junge Frau nach vier Monaten aufgegeben", berichtet Nicole Mayer von Deco & More in Esslingen. "Sie möchte jetzt lieber Innenarchitektur studieren. Dafür wäre die Raumausstatter-Ausbildung die perfekte Vorbereitung gewesen." Julia Rehage von Rickmann-Rehage in Gütersloh empfindet die Motivation der Auszubildenden als unterschiedlich: mal gut, mal schlecht. "Allgemein ist es schlechter geworden in der ganzen Gesellschaft", so ihre Einschätzung.

Anders sieht das Frank Krämer: "Wir haben teilweise den Eindruck, dass die Jugendlichen von der Fülle an möglichen Berufen überfordert sind und oft überhaupt nicht wissen was sie interessiert oder wo ihre Stärken liegen", meint der Inhaber von Leibbrand in Schorndorf. Aber: "Wenn ein Jugendlicher jedoch den Beruf erlernen darf, den er sich ausgesucht hat, und die handwerkliche Tätigkeit wirklich will, ist die Motivation entsprechend hoch und die Aussichten auf eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung sehr gut."

Das Interesse ist da

Und Interesse an klassischen Ausbildungsberufen ist durchaus vorhanden. Eine Onlineumfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland im September 2023 ergab, dass sich grundsätzlich 40 % der gut 1.000 Befragten aus der Generation Z eine Berufsausbildung "durchaus" oder sogar "sehr gut" vorstellen können - bloß für 9 % kam dies grundsätzlich nicht infrage. Gegen eine Ausbildung sprechen den Teilnehmenden zufolge vor allem die als niedriger eingeschätzten Verdienstmöglichkeiten und die vermeintlich geringere Flexibilität bei der Berufswahl. Hier besteht offenbar Aufklärungsbedarf.

Top-Kriterien bei der Berufswahl der Gen-Z waren laut Studie mit Abstand "gute Verdienstmöglichkeit" (81 %), gefolgt von der "Aussicht auf gute Work-Life-Balance" (74 %) und der "Aussicht auf abwechslungsreiche Tätigkeiten" (71 %). Der gesellschaftliche Sinn und Zweck des Berufs steht ein Stück weiter hinten auf der Prioritätenlisten; 55 % der Befragten ist dies wichtig. Von Vorgesetzten und Ausbildern wünschen sich Berufsanfänger vor allem "Wertschätzung und Lob" (52 %) sowie "Offenheit und Bereitschaft für Veränderungen" (43 %). Beides ist den Befragten sogar noch wichtiger als die "hohe fachliche Kompetenz" ihrer Anleiter (38 %).
Digital Natives abholen

Wie spricht man also die Generation Z an, die laut Statista 2023 rund 14 % der deutschen Bevölkerung ausmachte? Als "erste echte Digital Natives" haben diese 12 Mio. Menschen die Welt nie ohne Internet kennengelernt. Entsprechend informieren sie sich hauptsächlich online über berufliche Themen: Der Wirtschaftsjunioren-Umfrage zufolge stehen Online-Jobportale an erster Stelle, Familie und Freundeskreis spielen bei der Ausbildungssuche ebenfalls eine große Rolle. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit schauen sich über ein Drittel der Interessierten um; die Sozialen Medien seien "nur" für 22 % relevant.

Ebenfalls wichtig: Die Digital Natives bringen viel wertvolles digitales Wissen und Erfahrung mit, von der die Betriebe profitieren können. "Wir fahren immer noch Ausbildungsabläufe, die einer digitalen Generation nicht mehr gerecht werden" - diese Kritik äußerte Buchautor Felix Behm gegenüber dem Radiosender SWR1: "Und diese Generation sagt dann: Wir wollen etwas anderes, wir wollen eine Ausbildung, die Spaß macht."

Früh den Direktkontakt suchen

Ein zentrales Problem bei jungen Menschen, die bisher hauptsächlich zur Schule gegangen sind: "Der Raumausstatterberuf ist bei vielen immer noch nicht bekannt", wie Nicole Mayer von Deco & More festgestellt hat. Um dem entgegenzuwirken, ist der Esslinger Betrieb eine Bildungspartnerschaft mit der Handwerkskammer, den Handwerksjunioren und der Realschule Esslingen eingegangen: "Jedes Jahr bekommen wir dort die Möglichkeit, unseren Beruf und unser Unternehmen vorzustellen." Für dieses und sogar schon für das nächste Jahr sind neue Auszubildende gefunden. "Oft kommen die Jugendlichen auch aufgrund unserer Webseite auf uns zu", sagt Mayer. Auf der Homepage ist eine Bewerbung per Whatsapp möglich.

Partnerschaften zu ortsansässigen Schulen pflegt auch die Firma Leibbrand: "Wir gehen in die Schulen und bieten regelmäßig Betriebsbesichtigungen sowie Praktikumsplätze an, um den Jugendlichen das Handwerk näher zu bringen. Hin und wieder gibt es gemeinsame Projekte mit Schulen. Im Juli 2024 haben wir gemeinsam mit Schülern ein Klassenzimmer umgestaltet. Zudem sind wir persönlich auf Ausbildungsmessen im Rems-Murr-Kreis und digital auf Social Media vertreten", berichtet Inhaber Frank Krämer. Die Folge sei nach wie vor eine jährlich zweistellige Anzahl von Bewerbungen für die klassischen Berufe Maler, Stuckateur, Raumausstatter und Schreiner. "Aber auch der Beruf des Ausbaumanagers oder das DHBW-Studium BWL-Handwerk sind nach wie vor interessant und gefragt." Aktuell sind 16 Azubis im Betrieb tätig; für das Ausbildungsjahr 2024/25 sind fünf Ausbildungsverträge unterschrieben - "mit weiteren Bewerbern sind wir in Kontakt".

Entwicklungsmöglichkeiten bieten

Raumausstatter Haller aus Baden-Württemberg hat in den letzten 30 Jahren über 50 Auszubildende auf das Berufsleben vorbereitet. Auch hier besteht eine Bildungspartnerschaft mit der Schule in der Gemeinde, wo Praktika angeboten werden; auf Instagram und Facebook ist man ebenfalls sehr aktiv. "Unsere Lehrstellen sind bereits ein halbes Jahr vorher besetzt", berichtet Olivia Haller. Dafür wurde das Unternehmen als "Ausbildungs-Ass" und "Top-Ausbilder" ausgezeichnet. Prämiert werden beim Top-Ausbilder beispielsweise das Betreuungsverhältnis und Entwicklungsmöglichkeiten wie Auslandspraktika, außerdem fließen Bewertungen durch aktuell beschäftigte Azubis mit ein, ebenso besonderes Engagement. So bieten einige Ausbildungsbetriebe jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Geflüchteten mit geringen Sprachkenntnissen die Chance auf eine Lehrstelle - und somit eine Entwicklungsmöglichkeit.

Gleich 19 Auszubildende starten in diesem Jahr in der Verwaltung und den Fachmärkten des Laminat Depots. "Eine neue Rekordmarke", wie Personalleiter André Flack stolz berichtet. Er führt sie einerseits auf die umfangreichen Aktivitäten des Filialisten zurück, der auf Onlineportalen wie Indeed und ausbildung.de, aber auch klassisch mit Aufstellern und Flyern in seinen Geschäften um Nachwuchskräfte wirbt. "Zudem setzen wir extrem stark darauf, in den sozialen Medien auf uns aufmerksam zu machen, indem wir darüber informieren, was unsere Auszubildenden bei uns alles erwartet: ein tolles Schulungsangebot, top Entwicklungsmöglichkeiten und spannende Projekte wie z.B. die Azubiwoche, in der die Auszubildenden komplett eine Filiale übernehmen. Da gibt es schon einiges zu erzählen." Andererseits spielen aber offenbar auch die Erfahrungen derzeitiger oder ehemaliger Azubis eine wichtige Rolle, denn: "Letztendlich kommen viele Bewerber über Empfehlungen".

Dass diese Empfehlungen ausgesprochen werden, liege an der familiären Atmosphäre im Unternehmen. "Außerdem geben wir den Auszubildenden vom Start weg viele abwechslungsreiche Aufgaben und versuchen hier zu erkennen, welche Stärken der Einzelne hat. So können die Azubis dann dementsprechend eingesetzt werden und sich Sicherheit für neue Herausforderungen verschaffen. Denn Motivation hat auch was mit Wohlfühlen zu tun. Das ist unser Motto."

Kurzfilm von Schülern für Schüler

Rickmann-Rehage aus Gütersloh hat in Zusammenarbeit mit der Berufsschule einen fünfminütigen Kurzfilm über die Ausbildung zum Maler und Lackierer gedreht und diesen auf seiner Webseite veröffentlicht. Der Film beantwortet Fragen nach den Voraussetzungen bei der Bewerbung, den Übernahmemöglichkeiten, der Bezahlung und den Arbeitszeiten. In einem Interview erzählt eine engagierte junge Auszubildende über ihr erstes Lehrjahr, ihre Motivation und warum sie sich gerade in diesem Betrieb beworben hat. Ihre Antwort: "Weil Rickmann sehr vielfältig ist, viele Tätigkeiten durchführt und viele unterschiedliche Kundenbereiche hat."

Darüber hinaus schaltet der Malerbetrieb und Raumgestalter Online-Anzeigen bei Brillux, der Handwerkskammer, der Agentur für Arbeit und natürlich auf der eigenen Webseite. Und woher kommt die größte Resonanz? "Wahrscheinlich ist es sogar die Mund-zu-Mund-Propaganda", vermutet Julia Rehage. Rickmann-Rehage hat einen hohen Bekanntheitsgrad in Gütersloh; immerhin feiert das Unternehmen gerade sein 75-jähriges Bestehen.

Auch bei Schühle Handwerk gehen sie von sich aus auf junge Menschen zu, um diese mit dem Raumausstatter- und Bodenlegerhandwerk vertraut zu machen: "Wir sind aktiv bei Veranstaltungen von Schulen, Städten und Gemeinden dabei", berichtet Geschäftsführer Dieter Schühle. "Ebenso werden wir ab Anfang 2025 Schülertage in unserem neuen Betrieb anbieten. Hier laden wir interessierte Schulklassen zu uns ein und informieren über das Handwerk." Im Rahmen von Praktika können dann alle Interessierten den Alltag im Beruf kennenlernen. Bei Schühle sind derzeit alle Stellen mit motivierten Auszubildenden besetzt.

In den USA trendet das Handwerk

Ganz in diesem Sinne ist im August in Schleswig-Holstein und Hamburg das freiwillige Handwerksjahr gestartet: Hier haben junge Leute die Gelegenheit, innerhalb von zwölf Monaten vier handwerkliche Ausbildungsberufe kennenzulernen - bei einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 450 EUR brutto im Monat.

Und in den USA fängt das Handwerk gerade tatsächlich an zu "trenden": "Immer mehr Amerikaner der Generation Z pfeifen auf ein Studium", schrieb das Nachrichtenmagazin Focus im Juli 2024. "Stattdessen begeistern sie sich für Handwerks- und Arbeiterberufe. Dank Social-Media-Postings und Videos von Influencern bei ihrer Arbeit auf dem Bau, als Elektriker oder Klempner, gelten Handwerkerjobs in den USA zunehmend als cool." Denn auch das ist erfüllend, gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt.
| Meike Stewen
Generation Z fürs Handwerk begeistern
Foto/Grafik: Peter & Schaffart
19 junge Leute beginnen in diesem Jahr eine Ausbildung beim Laminat Depot – so viele wie noch nie.
Generation Z fürs Handwerk begeistern
Foto/Grafik: Schühle
Ausbildungsmeister Joachim Klein (Mitte) von Schühle in Schönaich mit den Azubis Lena Wrobel und Sergio Calugaru. Der Betrieb will ab 2025 Schülertage anbieten.
Generation Z fürs Handwerk begeistern
Foto/Grafik: Raumgestaltung Haller
Einer der Preise, die Haller Raumgestaltung bereits für sein
Ausbildungs-Engagement gewonnen hat, ist der "Top-Ausbilder".
aus BTH Heimtex 09/24 (Handwerk)