GHF-Jahrestagung 2007 mit Rekordbeteiligung

Bedeutendster Branchen-Event vor außergewöhnlicher Kulisse

Als Vorstandsvorsitzender Carsten Weerts die Mitglieder des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe (GHF) vor einem Jahr einlud, mit ihm auf der Hauptversammlung 2007 Achterbahn zu fahren, erntete er nicht nur Beifallstürme. Der Europapark in Rust nahe Freiburg ist zwar reizvoll, für Nordlichter jedoch nur unter Strapazen zu erreichen. Um so erstaunlicher ist, dass mit 275 Personen ein neuer Teilnehmerrekord aufgestellt wurde. "Gegenüber dem Vorjahr sind das 30 % mehr Teilnehmer aus dem Großhandel und 20 % mehr aus dem Kreis der außerordentlichen Mitglieder", freute sich Weerts. Die Anwesenden repräsentierten 55 Grossisten und 71 Industriepartner. Eine klare Bestätigung, dass dieses Forum der bedeutendste dieser Branche ist.

Dass die Aufnahme neuer Firmen eine wichtige wirtschaftliche Basis für die Verbandsarbeit darstellt, liegt auf der Hand. Obwohl die Zahl möglicher Kandidaten immer überschaubarer wird, gelang es 2007 sechs ordentliche Mitglieder zu gewinnen: Akzo Nobel Farbe & Heimtex, Decor Union, Gebr. Lotter KG, Josef Kesting, Ketterer & Liebherr sowie Agora Beteiligungs GmbH. Der Kreis der Lieferanten wurde um Domo Gent und Anker-Teppichboden erweitert.

Dass es immer weniger eigenständige Grossisten gibt, ist hinreichend bekannt. "Die Zahl der Filialen bzw. Standorte ist jedoch in den vergangenen Jahren gestiegen", merkte GHF-Vorstandsvorsitzender Carsten Weerts in seiner Auftaktrede an. Somit sei die Bedeutung des Großhandels gleich geblieben.

Nachdem die GHF-Mitglieder das erste Halbjahr 2007 mit einem Umsatzplus von 5,8 % abschnitten (über die Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf haben wir bereits ausführlich in BTH Heimtex 10/07 berichtet), wird für die letzten beiden Quartale ein geringerer Zuwachs erwartet. Der Grund: Wegen der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung hatten in der zweiten Jahreshälfte 2006 vorgezogene Investitionen für einen Nachfrageschub gesorgt. Derartige Impulse sind in diesem Jahr nicht zu erwarten.

Da der Neubausektor in den kommenden Jahren eher stagnieren wird, ruhen die Hoffnungen des Großhandels auf dem Renovierungsgeschäft. Wirkung zeigt dabei die Diskussion um Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. "Der Einsatz Wärme dämmender Baustoffe und Verarbeitungsformen wird in unserem Geschäftsumfeld an Bedeutung gewinnen", zeigte sich der GHF-Vorsitzende überzeugt. Da über 70 % der Konsumenten in Deutschland als "klimabewusst" eingestuft werden und somit eine breite Basis für Produkte und Leistungen darstellen, die auf diesem Markt angeboten werden, dürfte sich die Einschätzung bewahrheiten. Allerdings: Wärmedämm-Verbundsysteme gelten als eines der margenärmsten Segmente im Großhandel.

"Wer immer in den Spuren anderer wandelt, braucht sich nicht zu wundern, dass er keine eigenen Eindrücke hinterlässt": GHF-Geschäftsführer Jürgen Wagner hat die Vorliebe, seinen Vorträgen einen Aphorismus voranzustellen. Psychologisch ein geschickter Schachzug, um Kritikpunkten die Schärfe zu nehmen. In diesem Fall war es der Rat, das eigene unternehmerische Handeln kritisch zu hinterfragen.

Ob diese Anregung auf fruchtbaren Boden fällt, muss allerdings bezweifelt werden, da diese Branche vor Perfektionismus nur so zu strotzen scheint. Diese Annahme drängt sich jedenfalls auf, nachdem Wagner zu überaus attraktiven Konditionen ein "Cheftraining" arrangiert - mit geringem Erfolg: gerade mal eine(!) Anmeldung traf ein. Auf Mitarbeiter-Ebene wird das Schulungsangebot hingegen gern angenommen, erst recht, seit das Themenspektrum erweitert worden ist und neue Referenten zur Verfügung stehen. Das Angebot ist jetzt weniger "farbenlastig": 2006 wurde ein neuer Lehrgang auf dem Sektor Bodenbeläge initiiert, der starken Zuspruch fand und ab 2008 für Einsteiger und Fortgeschrittene veranstaltet wird.

Darf ein Großhandelsverband Geld verdienen? Diese Frage hat der Geschäftsführer mit einem klaren Ja beantwortet. In Form von unterschiedlichen Werbepaketen hat die Industrie die Möglichkeit, sich in den unterschiedlichen Verbandspublikationen darzustellen, limitiert sogar in den Rundschreiben. "Außerdem haben Fördermitglieder das Budget der Jahrestagung durch das Sponsoring einzelner Referenten spürbar entlastet", berichtete Wagner.

Was das Erscheinungsbild nach innen und außen betrifft, ist der GHF wesentlich präsenter als noch vor Jahresfrist, und auch Marketing hat sich zu einem stehenden Begriff in der Verbandsarbeit entwickelt. "Da der Markt nicht in unserer Geschäftsstelle in Haan stattfindet, sondern bei Ihnen vor Ort , habe ich in den vergangenen Monaten viel Zeit bei unseren Mitgliedern, bei Verbänden und auf Veranstaltungen verbracht, um mir ein Bild von den Branchenentwicklungen zu machen", berichtete Wagner, wobei er den Eindruck gewonnen habe, dass die Konzentration im Markt das zentrale Thema ist. Dass ihm diese Entwicklung nicht gleichgültig sein kann, liegt auf der Hand. "Aber das ist Marktwirtschaft, und im Gegensatz zu anderen Branchen hat es im Großhandel noch keine feindliche Übernahme gegeben", gab der Geschäftsführer zu bedenken.

Wie das Malerhandwerk mit der Situation umgeht, zeigt eine aufschlussreiche Erhebung des Hauptverbandes Farbe, Gestaltung, Bautenschutz (siehe Abbildung). Die Frage "Sehen Sie durch die Konzentration im Handel bzw. bei den Herstellern zukünftig Probleme bei der Beschaffung von Materialien / Werkstoffen?" beantworteten 79,9 % mit Ja. Wagner sieht dies für den Großhandel durchaus als Chance. "Stellen Sie sich so auf, dass sich Ihre Kunden diese Sorgen nicht machen müssen", appellierte er an die GHF-Mitglieder.

Bleibt nur noch, die gehaltvollen Referate zu erwähnen. In den Köpfen der Teilnehmer dürfte sich vor allem der brillante Vortrag von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen zur Nachhaltigkeit der sozialen Sicherheit festgesetzt haben. Selten haben wir einen so guten Redner erlebt, der es versteht, ein brisantes, hochinteressantes, sozialökonomisches Thema eingängig zu kommunizieren. Enttäuschend dagegen der neue "Trendpapst" Prof. Dipl-Ing. Markus Schlegel von der HWK in Hildesheim, der bei den "Wohninnovationen der Zukunft" in trockener Theorie stecken blieb.

Aus fachlicher Sicht setzte Jörn Kämper Akzente. Der Vorstandsvorsitzende der A.S. Création verdeutlichte eindrucksvoll, dass Tapete ein spannender Sortimentsbaustein für den Großhandel sein kann. Dass er dabei über den Tellerrand schaute, indem er auch die Kollegenfirmen ins Boot holte, spricht für das gepflegte Miteinander dieser Branche.

Auf geteilte Resonanz stieß der "maurische Abend" mit einem Animationsprogramm wie im Cluburlaub und einer Geräuschkulisse, die die Unterhaltung am Tisch erschwerte. Das wurde dann an der Bar nachgeholt. Vielleicht würde ein Buffet statt des üblichen Menüs am Tisch kommunikationsfördernder wirken, weil man mit mehr Leuten ins Gespräch kommen kann.

Die kleinen Kritikpunkte ändern aber nichts an dem insgesamt ausgesprochen positiven Fazit: Die GHF-Jahrestagung 2007 war eine runde Sache und lässt hoffen - auch wenn für 2008 in Köln keine Fahrt auf der Achterbahn angekündigt ist.
aus BTH Heimtex 11/07 (Wirtschaft)