Jab Anstoetz Group – The Design Company

"Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein"

Design ist der Pulsschlag und die permanente Antriebskraft aller Brands innerhalb der Jab Anstoetz Group. Denn alle Produkte leben von ihrer typischen Handschrift, die den Stoffen, Teppichen und Möbeln Leben einhaucht und sie zu besonderen Stücken fürs Interieur macht. Wir haben am Bielefelder Stammsitz mit den Head of Designs der vier Textilmarken (Chivasso, Carlucci, Jab Anstoetz, Gardisette) über Design im Allgemeinen, über das Designverständnis im Hause Jab Anstoetz und über Herausforderungen und Aufgaben von verantwortungsvollem Design gesprochen.

BTH Heimtex: Wie definieren Sie für Ihre Arbeit im Hause Jab Anstoetz die Bedeutung von Design. Was macht Ihre Arbeit aus?

Julia von Alpen: Das bedeutet für jeden von uns etwas anderes, da wir unterschiedliche Zielgruppen haben und daher Design unterschiedlich fühlen. Für mich ist Design nicht nur das Bild auf dem Stoff. Ich bin ja auch Produktentwicklerin, was für mich bedeutet, dass von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt überall Design enthalten ist. Dazu gehören auch Material und Preis, nicht nur das visuelle Bild des Stoffes.

Pascal Walter: Wir haben trotzdem alle den gleichen Anspruch, nämlich dass wir ein hochwertiges Produkt gestalten. Design kommt ja aus dem Englischen. Dieter Rams, der sehr viel international gearbeitet hat, hat den Begriff als Gestaltung’ verwendet. Und das ist genau, was wir machen: Wir gestalten Farbe, wir gestalten Design und wir gestalten auch Qualität, das ist ein Gesamtpaket. Wir haben einen hohen Anspruch an die Qualität an sich, weil wir alle viel mit Konstruktion, Materialität, Stabilität und den Eigenschaften, die die Stoffe mit sich bringen, zu tun haben. Und zugleich auch mit Farben, Mustern und Muster-Aufmachung. Das sind ganz viele kleine Facetten von Design - hier bei uns in vielen unterschiedlichen Handschriften.

Simone Marschall: Wir arbeiten für sehr unterschiedliche Zielgruppen, und es ist unser Anspruch, für diese das bestmögliche Produkt zu entwickeln. Wichtig ist, in welchen Preis- und Produktkategorien unsere Kunden einkaufen.

Was ist das Verständnis von Design für unsere Zielgruppe? Design ist ja immer nur so gut, wie es vom Kunden als Design angenommen wird. Deshalb braucht man eine gewisse Nutzer-Empathie. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir das bestmögliche Produkt für den jeweiligen Nutzer bzw. Kunden schaffen. Das ist für mich das Charakteristikum und der Anspruch an Design. Mit Design hat man die Möglichkeit, für viele Menschen ein schönes Zuhause zu schaffen und einen Mehrwert über das Produkt hinaus zu kreieren, denn Design hat immer einen gewissen Zusatznutzen und ist nicht "nur" schön.

Walter: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir sind keine Künstler, sondern Designer im Sinne von Gestalter. Der wichtige Unterschied ist, dass wir ein industriell reproduzierbares Produkt machen in gewissen Parametern. Und dieses Produkt muss in jeder Hinsicht brauchbar sein. Das größte Kompliment für uns ist, wenn sich ein Kunde für einen Stoff von uns entscheidet und dafür Geld ausgibt.

BTH Heimtex: Wie grenzen Sie in Ihrer Arbeit die Marken voneinander ab?

Katrin Ahrens: Die Zielgruppe und die DNA der Marke allein bestimmt ja schon die Aussage in der Art und Weise, wie die Formsprache ist und wie die Farbwelten aussehen. Damit wird per se ein Rahmen festgelegt.

BTH Heimtex: Wie sieht das konkret aus?

Ahrens: Bei Chivasso gibt es fiktive Personas, die wir z.B. Anna, Meghan oder Emma genannt haben. Anna ist zwischen 40 und 50 Jahren alt und kauft in erster Linie pragmatisch ein, die lässige Uni-Buyerin eben - oder Meghan, die designaffine Trendsetterin. Zu diesen Settings überlegen wir uns, wie die Produktwelt aussehen kann. Darüber noch, wie sich Chivasso insgesamt darstellen will, bzw. gleichen die Zielgruppen mit der Chivasso-DNA ab. Dabei berücksichtigen wir auch, wie sich die Personen im Laufe der Zeit verändern, das heißt, wir entwickeln uns mit den Zielgruppen und mit den Themen, die diese Gruppen beschäftigen.

von Alpen: Vor einigen Jahren hatten wir beispielsweise den Nachhaltigkeitsgedanken nicht so vordergründig im Fokus. Heute versuchen wir alle, unseren ökologischen Fussabdruck zu verringern, wo immer es geht. Wir haben den Anspruch, ständig mehr nachhaltige Produkte in unser Portfolio aufzunehmen, auch wenn das vielleicht ursprünglich gar nicht unsere Marken-DNA war. Nachhaltige Produkte werden beispielsweise bei Gardisette immer anders aussehen als bei Carlucci.

Walter: Wir entwickeln die Kollektionen nicht alleine. Wir sind immer im Team, Entscheidungen werden abgestimmt, nicht nur im Design-Team, sondern auch mit der Geschäftsleitung. Das heißt auch, dass immer ein Gremium an Menschen involviert ist, das ein Gefühl dafür hat, wie eine Kollektion und damit die Identität einer Marke aussieht.

BTH Heimtex: Sitzen Sie im Vorfeld einer Kollektions-Gestaltung eigentlich am runden Tisch und diskutieren über Ihre jeweiligen Kollektionen?

Walter: In unserem Designstudio ist alles sehr offen und wir begegnen uns hier ständig und sehen auch, woran die anderen arbeiten. Man entwickelt mit der Zeit auch ein Gefühl dafür, was die Kunden den verschiedenen Marken abnehmen und es gibt natürlich auch unterschiedliche Preisstrukturen.

BTH Heimtex: Fühlen Sie sich durch die klare Zielgruppen-Definierung in der Gestaltung Ihrer Kollektionen eingeengt?

von Alpen: Wenn ich ein schönes Produkt sehe, das ich gerne in meiner Kollektion hätte, aber weiß, dass ich dafür nicht die Kunden habe, macht mich das durchaus schon mal traurig. Aber es beengt mich nicht in meinem gestalterischen Freiraum. Im Gegenteil, ich bin ganz froh, dass ich meine Zielgruppe habe und mein Grundgerüst, in dem ich mich bewegen kann.

Ahrens: Nein, überhaupt nicht! Deshalb sind wir ja hier angestellt als Designer. Sonst würde man ein eigenes Designbüro unterhalten und als Industriedesigner arbeiten. Dann könnte man seine eigene Kollektion machen. Aber natürlich hat jeder Designer seine eigene Handschrift, die auch in der jeweiligen Kollektionen sichtbar wird. Wir bei Chivasso lieben und leben unseren Style.

Walter: Wir sind sehr frei in unseren Entscheidungen und wir haben viel Freiraum, zu gestalten und eine Kollektion aufzubauen.

BTH Heimtex: Gibt es wirtschaftliche Begrenzungen Ihrer kreativen Freiheit?

Ahrens: Im Moment sind wir, was das betrifft, bei Chivasso sehr offen. Wir schauen immer wieder nach Produkten, die die Kollektion nach oben hin abrunden können und testen das aus. Dabei richtet sich unser Blick immer nach vorne, niemals auf das, was der Markt bereits zeigt.

Walter: Wir haben immer den Anspruch Value for money, denn wir wollen auch kommerziell erfolgreich arbeiten. Dennoch testen wir natürlich Dinge aus und wagen Experimente. Die Bereitschaft dazu ist im Unternehmen auf jeden Fall vorhanden. Das sind dann die Highlights, die wichtig sind und an denen man mit viel Freude arbeitet. Aber trotzdem gibt es auch Grenzen, wenn man beispielsweise sieht, dass ein Produkt jetzt nicht zur Marktsituation oder auch zur politischen Lage passt.

von Alpen: Man muss in unserem Beruf immer seine Grenzen austesten, denn wenn man permanent das Gleiche macht, wird es langweilig - und zwar für uns und für unsere Kunden. Wenn ich mir allerdings die Bestseller-Liste anschaue, dann blutet mein Designer-Herz, da man in den oberen Rängen recht viele Basics findet. Aber um eine gute Kollektion zu tragen, benötigt man gute Unis und Klassiker. Die Kollektion hat daneben immer Artikel, die den Zeitgeist widerspiegeln und Produkte, die spannend sind, über die man reden kann. Dort kann ich mich gestalterisch ausleben. Im Vorfeld weiß ich zwar, dass diese Produkte nicht zwangsläufig Bestseller werden, dennoch sind sei für eine ausgewogene Kollektion wichtig.

Ahrens: Ich würde Design nicht allein an der Musterung festmachen. Das Schwierigste in der Entwicklung ist ein guter Uni und den dann immer noch neu und anders zu gestalten als die, die wir schon haben. Die Designs sind die Eyecatcher, um die Story zu machen und um die Saison einzuleiten. Aber ein richtig guter Uni ist tatsächlich das Schwierigste.

Walter: Das Investment beim Uni ist ein ganz anderes, die Entscheidung hat eine ganz andere Konsequenz als bei einem Artikel in drei oder vier Farben. Ein Uni in einer großen Farbpalette soll ja für viele Jahre für alle Beteiligten gut funktionieren und Umsatz bringen.

BTH Heimtex: Was genau macht die Entwicklung eines Uni-Stoffes so schwierig?

Ahrens: Zum Beispiel das Zusammenspiel von Farbe und Material. Eine Farbe wirkt auf einer Seide anders als auf einer Baumwolle oder auf einem Polyester. Es sind ganz viele kleine Schrauben, die da gedreht werden.

von Alpen: Man muss beim Uni auch darauf achten, dass er, mit etwas Abstand betrachtet, nicht wie eine Betonwand aussieht, da muss Leben drin sein.

Simone Marschall: Und ein Uni muss einen neuen Look haben, denn es gibt ja schon so zahlreiche Unis. Man muss versuchen, sich mit Neuentwicklungen gerade bei den Unis abzugrenzen und ein Produkt zu kreieren, das einen etwas anderen Look hat und das trotzdem leicht verständlich ist, damit es sich gut in die unterschiedlichen Interieurs einfügen kann.

Walter: Und er muss qualitativ auf Herz und Nieren geprüft sein, Funktionen und Pflegeeigenschaften müssen stimmen. Manchmal kommt es vor, dass man anfangs begeistert von einer Entwicklung ist, die in kleiner Menge als Handmuster gemacht wurde. Dann muss das Produkt aber in einer industriellen Produktion umgesetzt werden und da kommt es schon einmal vor, dass sich das Produkt immer mehr von dem entfernt, was man eigentlich wollte. Wir wollen einerseits etwas Besonderes schaffen, aber die Artikel müssen auch laufen und funktionieren - und das ist manchmal ein echter Spagat. Deshalb sind Unis schwieriger als tolle Dessins zu machen. Ein guter Uni in Qualität, Funktionalität und Kommerzialität, das ist die Königsklasse.

BTH Heimtex: In der Musik spricht man vom absoluten Gehör. Haben Sie als Designer das "absolute Auge" oder das "absolute Gespür" für Farben?

Ahrens: Das ist im Wesentlichen Talent.

Walter: In Kombination mit ständiger Übung. Das ist ein wenig so wie Zeichnen. Dazu braucht man ebenfalls Talent, aber auch hier gilt: Übung macht den Meister. Es ist eine Mischung aus Training, Talent und Erfahrungswerten.

BTH Heimtex: Was sind Ihre Inspirationsquellen?

von Alpen: Ich lasse mich sehr viel im Privaten inspirieren. Aber es gehört auch dazu, dass man mit offenen Augen durch die Welt geht, sich Mode und Architektur anschaut. Inspiration beschränkt sich nicht auf Messebesuche oder die Lektüre von Wohnzeitschriften.

BTH Heimtex: Ist Design Ihrer Erfahrung nach auch für junge Menschen relevant?

Walter: Da hat sich einiges geändert. Ich denke, dass sich Design in den letzten zwei Generationen demokratisiert hat. Für die Generation unserer Eltern war Design noch etwas Besonderes, es wurde von wenigen Personen geprägt und der Begriff hat sich erst aufgebaut. Ein gutes Beispiel ist hier Ikea, die mit ihrer skandinavischen Handschrift auch einen Designanspruch hatten und haben und über ihre Größe sowie weltweite Präsenz zur Demokratisierung von Design beigetragen haben.

Alles, was uns umgibt, ist gestaltet, manches zufälliger, manches bewusster - aber es ist alles designt, was für mich aber im Umkehrschluss noch viel mehr Verantwortung für den Designer bedeutet.

BTH Heimtex: Stichwort Verantwortung: Hat Design neben der ästhetischen auch eine ethische Rolle, etwa im Kontext Nachhaltigkeit?

Walter: Die Entwicklung nachhaltiger Produkte liegt bei den Designern. Sie entwickeln ja nicht nur Farbe und Form, sondern entscheiden über Qualität. Designer entscheiden darüber, wo Produkte hergestellt werden und damit, woher sie kommen. Wir haben eine Verantwortung für den ästhetischen und den ethischen Wert eines Produktes - und im gleichen Maße auch für den qualitativen Wert. Das ist eine große Veränderung im Vergleich zu dem, was Design vor 25Jahren war.

BTH Heimtex: Finden Sie es eher gut oder eher weniger gut, dass Design damit auch eine gesellschaftsrelevante Funktion hat?

Ahrens: Das gehört einfach in die Zeit und es geht auch gar nicht anders.

Walter: Es ist eine große Verantwortung. Man kann nicht mehr durch die Welt gehen und sagen, ich mache nur schöne Sachen. Die Zeiten sind vorbei.

Marschall: Den Anspruch hat man ja auch an sich selbst. Es geht nicht nur darum, im Beruf auf Nachhaltigkeit zu achten, sondern man versucht auch, das so gut wie möglich zu Hause zu leben, indem man Verpackungsmüll reduziert und Flugreisen wenn möglich vermeidet. Man versucht, bewusster und nachhaltiger zu leben, alles gehört einfach zusammen.

BTH Heimtex: Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen, dem Design und den Designern eine Stimme nach außen zu geben, um die Menschen und Geschichten hinter den Produkten zu kommunizieren?

Walter: Das ist die perfekte Überleitung zu unserem neuen Claim. Das Problem ist, dass die Kette ziemlich lang ist. Wir haben eine konkrete Idee von dem, was wir entwickelt haben, was die Geschichte und die Aussage der Kollektion ist. Das übergeben wir dem Vertrieb, der damit zum Kunden geht. Und wenn er Glück hat, trifft er beim Kunden die Personen, die mit der Kollektion arbeiten.

Der Endverbraucher, für den wir all das letztlich tun, kommt in den seltensten Fällen in den Laden und sucht nach einem Produkt der Marke X. Er sucht stattdessen einen blauen Stoff für sein Sofa und dabei ist das Material meist nebensächlich. Es ist dann unser Kunde, der quasi eine Vorauswahl aus seinem Portfolio trifft, die er seinen Kunden vorlegt. Und ich bin überzeugt, dass das Image einer Marke dabei heute ganz entscheidend ist. Greife ich als Raumausstatter zum Buch oder Bügel von Firma A oder Firma B? Natürlich will er ein gutes Produkt verkaufen und ein Produkt, auf dem er eine eigene Marge hat. Aber er wird immer zu einem Produkt greifen, bei dem er weiß, dass dahinter ein guter Partner steht.

Das ist mein Verständnis der Firma Jab Anstoetz in den verschiedenen Generationen der Familie, dass sie sich immer als ganzheitlicher Partner des Handels verstanden haben.

Nicht von ungefähr ist die Gruppe so gewachsen und bietet die unterschiedlichsten Produkte für die Inneneinrichtung an. Das ist mittlerweile relativ einzigartig in unserer Branche, das jemand ein so ganzheitlicher Partner ist.

Der neue Claim, The Design Company, steht dafür, dass diese große Kompetenz mehr nach außen kommuniziert wird. Die Jab Anstoetz Group steht in der Branche dafür, dass man hier an die Produkte glaubt, an das Design und dass man dahinter steht. Das ist eine Haltung und das merkt der Kunde auch.

Marschall: Unser Ziel ist es, dass der Kunde möglichst lange von einem Produkt aus unserem Haus hat. Wir stehen für hochwertige Produkte, die sorgsam entwickelt worden sind, ganz gleich, ob es sich um einen Polyester-Velours handelt oder eine Wollqualität. Da gibt es für uns keine Unterschiede in unserer Arbeit, was die Langfristigkeit der Produkte betrifft. Fast Fashion ist nicht unser Thema. Die Jab Anstoetz Group steht für Nachhaltigkeit auch im Sinne, dass man unsere Produkte lange nutzen kann.

BTH Heimtex: Nehmen Sie wahr, dass stärker nach der Herkunft von Produkten gefragt wird?

von Alpen: Die Zielgruppe, die unsere Produkte kauft, setzt sich derzeit noch nicht so aktiv mit dem Thema auseinander wie unsere Jugend. Das heißt aber auch, dass das Thema mit jedem Jahr, in dem die Jugend als Kundengruppe nachwächst, relevanter wird. Heute ist es so, dass die Eltern ein hochwertiges, qualitativ wertvolles Produkt kaufen und die Kinder fragen dann, woher das Produkt kommt und ob das unter ethischen Gesichtspunkten hergestellt wurde. In diese Richtung arbeiten wir ja bereits.

BTH Heimtex: Was sind neben Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht die großen Themen?

von Alpen: Energie sparen, Pflegeleichtigkeit.

BTH Heimtex: Sind das generelle Strömungen oder werden diese Themen über den Handel an Sie herangetragen?

Walter: Im Fall Energiesparen kam das Thema direkt von Herrn Habeck. Jeder weiß ja eigentlich, dass Textilien am Fenster wie eine Isolierung wirken und dass jeder Stoff besser ist als kein Stoff.

Und das verdeutlicht auch, dass so schlimm die Krisen der letzten Jahre sind, sie auch einen positiven Aspekt haben, nämlich dass viel mehr Augenmerk auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt wird. Ich denke, dass nie zuvor in Deutschland so viel darüber nachgedacht wurde, wie man lebt, wie man mit Ressourcen umgeht. Natürlich kann meine Einrichtung da einen positiven Effekt haben. Ein Stoff heute muss mehr sein als nur dekorativ. Er hat einen Mehrwert, den der Kunde nachvollziehen kann. Ein gutes Beispiel dafür sind die Akustikstoffe.

Marschall: Auch Wolle ist da ein gutes Beispiel, denn Wolle hat als Produkt schon so viele Vorzüge. Wolle macht ein gutes Raumklima, nimmt überschüssige Feuchtigkeit auf und gibt sie auch wieder ab, wenn es zu trocken im Raum ist. Wollstoffe haben allein dadurch einen hohen Mehrwert.

Walter: Das müsste viel stärker kommuniziert werden und da sehe ich uns auch in der Pflicht, unsere Kunden mit den entsprechenden Informationen zu versorgen. denn je mehr man über ein Produkt weiß, desto besser kann man es verkaufen.

BTH Heimtex: Sind Heimtextilien aus Ihrer Sicht als Produkt zu kompliziert für den Endverbraucher?

von Alpen: Da kommt immer das Thema, dass Heimtextilien ein Unfertig-Produkt sind, ins Spiel.

Walter: Das kann aber auch ein Vorteil sein. Ich habe ja die Wahl, etwas von der Stange zu kaufen oder ich gehe zum Raumausstatter meines Vertrauens und lasse mir eine maßgeschneiderte Lösung anfertigen. Jeder Mensch lebt anders und eine komplett gleich geschnittene Wohnung werden zwei Menschen immer völlig anders einrichten. Das System hochwertiger Heimtextilien bietet mir die Möglichkeit, individuell auf meine Bedürfnisse und Vorlieben zugeschnittene Produkte zu bekommen. Und ich habe es immer noch in der Hand zu entscheiden, wie viel ich ausgeben möchte.

von Alpen: Endkunden sind einfach nicht so erfahren im Kauf von Heimtextilien wie bei der eigenen Garderobe, denn das machen sie in der Regel nur alle zehn bis 15 Jahre. Deshalb versuchen wir, über unsere Bildsprache Hilfestellung zu geben und zu zeigen, wie eine Dekoration aussehen kann. Das heißt auch, dass wir ein großes Vertrauen in unsere Handelspartner haben müssen, dass sie das, was unser Stoff kann, auch an den Endverbraucher vermitteln.

Walter: Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein, man muss sich in sie verlieben können. Es hat ja auch einen Grund, weshalb wir das bei Jab Anstoetz Textile Love Stories nennen. Es ist bei jedem zu Hause anders und jeder kann sich mit Stoffen ausdrücken und dann sind Stoffe sinnlich und attraktiv.

BTH Heimtex: Haben Sie als Designer so etwas wie ein Patentrezept für gutes Wohnen?

von Alpen: Es gibt nichts Individuelleres als Wohnen. Jeder Mensch besitzt vermutlich eine blaue Jeans. Aber beim Einrichten ist das anders, weil da jeder sehr auf sich selbst hört, in dem Sinne, dass es nicht wichtig ist, was der Nachbar mag. Wichtig ist nur, was mir selbst gefällt.

Marschall: Im Idealfall sollte Einrichten ein Prozess sein, eine Wohnung sollte wachsen und man sollte sich möglichst nur mit Dingen umgeben, die einem am Herzen liegen und die man nach und nach findet. Das ist anders als bei der Mode, da kann man schneller Teile austauschen kann, was man ja in der Regel beim Einrichten nicht macht. Wohnen ist ein Spiegel der Persönlichkeit.

BTH Heimtex: Welchen Wunsch würden Sie für sich an eine textile Einrichtung Zukunft formulieren?

Walter: Ich würde mir auf jeden Fall mehr Mut zu Mustern wünschen! Wir machen alle so schöne Dessins und ich kann verstehen, dass ein Uni immer der sichere Weg ist, dennoch: Wenn ich mir ein tolles Dessin auf ein Sofa oder einen Sessel packe, dann ist das so individuell und so bereichernd.

Marschall: Ich würde mir allgemein mehr Mut beim Einrichten wünschen. Mut, Dinge einfach zu machen und auf sich selbst zu hören.

Ahrens: Dem kann ich mich nur anschließen und ergänze noch, dass ich mir mehr Mut auch zu Farbe und allgemein zu mehr Individualität wünsche.

von Alpen: Das wünsche ich mir generell von der kompletten Einrichtungsbranche. In meinem Segment sehe ich leider eine Tendenz zur Retorte. Wenn ich in große Möbelhäuser gehe, ist das Angebot in ganz Deutschland nahezu gleich. Ich würde mir vom Handel wünschen, dass er dem Verbraucher mehr Anregungen gibt. | Die Fragen stellte Michaela Fischer



Daten + Fakten
Jab Anstoetz
Jab Josef Anstoetz KG
Potsdamer Straße 160
33719 Bielefeld
+49 (0) 521 / 20 93-0
jabverkauf@jab.de
www.jab.de

Gegründet: 1946
Geschäftsführung:
Claus Anstoetz
Stephan Anstoetz
Chris-Jacob Schminnes
Mitarbeiter: ca. 800
bei Jab Stoffe,
weltweit über 1.600
Sortiment:
Dekorationsstoffe, Stores, Bezugstoffe, Objekt-Stoffe, Tapeten, Rollos, Flächenvorhänge, Plissees, Teppichboden, abgepasste Teppiche, HKM Design Teppiche, LVT
Marken und
Unternehmen:
Jab Anstoetz Fabrics, Jab Anstoetz Systems, Jab Anstoetz Flooring, Chivasso (seit 1999), Gardisette (seit 2005), Carlucci, Climatex, BW Bielefelder Werkstätten (seit 1956), Ipdesign, Golfhouse (Seit 2010)
Exportanteil:
-60% des Gesamtumsatzes. Weltweit wird in über 80 Länder exportiert
"Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein"
Foto/Grafik: Jab Anstoetz
Die Kreativen hinter den vier Textilmarken
der Jab Anstoetz Group (v.l.n.r.:) Julia von Alpen
(Gardisette), Pascal Walter (Jab Anstoetz),
Simone Marschall (Carlucci),
Katrin Ahrens (Chivasso)
"Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein"
Foto/Grafik: Jab Anstoetz
Herzstück und kreatives Zentrum der Jab Anstoetz Group: das Design Studio am Stammsitz des Unternehmens in Bielefeld. Hier dreht sich alles um Farben, Strukturen, Konstruktionen, Muster.
"Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein"
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Im Designstudio entwickeln die Kreativen für die unterschiedlichen Brands aus dem Hause Jab Anstoetz immer wieder neue
Textil-Kollektionen für ein schönes Zuhause.
"Stoffe müssen attraktiv und sinnlich sein"
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Vorhang- und Bezugstoffe der Jab Anstoetz Marken spüren Trends auf, reagieren auf Innovationen des Marktes und stehen für Ästhetik, Funktionalität und Langlebigkeit.
aus BTH Heimtex 03/23 (Wirtschaft)