Nachgefragt bei Jan Dossche, MMFA-Präsident

"Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ganz oben auf unserer Agenda"

Jan Dossche, Geschäftsführer von Coretec Floors, wurde im Mai 2022 auf der Mitgliederversammlung des Verbands der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge (MMFA) zum neuen Präsidenten gewählt. Vorgänger Matthias Windmöller war von dem Amt zurückgetreten. Er hatte dem Verband seit der Gründung 2012 vorgestanden. Im Interview berichtet der neue Präsident Dossche von seiner Aufgabe und benennt die derzeitigen Herausforderungen für den Verband und seine Mitglieder.

FussbodenTechnik: Wo steht der MMFA jetzt, wie ist der Verband aus Ihrer Sicht aktuell aufgestellt?

Jan Dossche: Unser Verband wurde im Oktober 2012 in München gegründet. Obwohl unser Hauptsitz in Europa liegt, sind wir zu einer internationalen Organisation herangewachsen - der größten im MMF-Sektor. Seit der Gründung des Brüsseler Büros haben unsere Aktivitäten innerhalb der EU an Boden gewonnen, wir sind näher an öffentlichen Angelegenheiten dran und können uns mehr einbringen. Unsere Mitglieder wissen um die Bedeutung der Politik und die Nachhaltigkeitsprioritäten der Europäischen Kommission. So sind wir in der Lage, weiter an Profil gegenüber Kunden, politischen Entscheidungsträgern und anderen Interessengruppen zu gewinnen.

FT: Was bringen Sie persönlich für Ihre neue Position mit?

Dossche: Ich bringe mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Bodenbelagsbranche mit und bin entschlossen, mich auf unsere Mitglieder zu konzentrieren und sie individuell kennenzulernen. Damit will ich sicherstellen, dass der MMFA ihnen so dient und nutzt, wie sie es erwarten.

FT: Corona-Pandemie, Krieg in Europa, Verteuer-ungen, Verknappungen, Transportprobleme - der Markt verändert sich aktuell. Was sind die größten Herausforderungen?

Dossche: Die Energiekrise ist wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen - nicht nur aus Sicht der Industrie, sondern auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Endverbraucher, die angesichts der Ungewissheit über die Zukunft ihre Prioritäten überdenken und weniger für Bau- und Renovierungsprojekte ausgeben werden.

FT: Wie gehen Sie damit um?

Dossche: Der Verband wird weiterhin das machen, was er am besten kann und wofür er prädestiniert ist: unsere Mitgliedern auf stets aktuellem Stand halten, Einblick und Überblick in die Lage zu gewähren und in Kontakt sein, um sie besser auf die Marktentwicklungen und -probleme vorzubereiten.

FT: Die wichtigen Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind angesichts der aktuellen Probleme aus dem Blickfeld geraten, dürfen aber nicht ignoriert werden. Wie agiert der MMFA hier?

Dossche: Unter anderem ist der MMFA an dem großen Projekt "Circular Sustainable Flooring" (CISUFLO) beteiligt. Dessen Ziel ist es, die Umweltauswirkungen des EU-Bodenbelagssektors zu minimieren, indem ein Rahmenwerk für kreislauffähige, nachhaltige Bodenbeläge geschaffen wird.

Außerdem unterstützen wir auch die Circular Plastics Alliance (CPA), die den Einsatz von recyceltem Kunststoff in neuen Produkten schrittweise erhöhen und die Nutzung von recyceltem Kunststoff in Europa fördern will. Das sind nur zwei Beispiele, selbstverständlich sind wir noch in viel mehr Bereichen aktiv - ganz zu schweigen von den individuellen Initiativen und Innovationen unserer Mitglieder.

Generell möchte ich betonen - auch angesichts der zahlreichen neuen Vorschriften, die im Rahmen des Aktionsplans der Europäischen Kommission für die Kreislaufwirtschaft erlassen wurden, wie z. B. die Verordnung über die umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte (ESPR) oder die Überarbeitung der Bauprodukteverordnung (CPR) -, dass Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft weiterhin ganz oben auf unserer Agenda stehen. Und wir spüren auch seitens unserer Kunden das Interesse an "grüneren" Bodenbelägen mit hervorragenden Ökobilanzen.

FT: Was ist die größte Stärke des MMFA?

Dossche: Ich denke, die größte Stärke ist das Engagement unserer Mitglieder für diese Branche und ihren Verband. Denn jedes unserer Mitgliedsunternehmen bringt eine Fülle an Erfahrungen, Kompetenzen und Know-how mit, von denen wir als Ganzes profitieren.

FT: Und wo besteht aus Ihrer Sicht noch Optimierungspotenzial?

Dossche: Auch beim Engagement unserer Mitglieder. Unabhängig davon, wie sehr sie sich für den MMFA engagieren: Wir brauchen immer Themenführer, Freiwillige für die Arbeit in den Ausschüssen und Input von Mitgliedern, um den Verband zu lenken. Denn letztlich verfügt der Verband über begrenzte Ressourcen und muss sich bis zu einem gewissen Grad auf die Informationen und den Input der Mitglieder verlassen.

FT: Was wünschen Sie sich von den MMFA-Mitgliedern?

Dossche: Ich möchte den Mitgliedern dafür danken, dass sie mir die Leitung des Verbandes anvertraut haben. Ich glaube, dass die Branche trotz einiger Herausforderungen, denen wir uns stellen, lebendig und dynamisch ist. Und es ist großartig, wie unsere Mitglieder weiterhin innovativ sind - vor allem bei Themen wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.
"Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft ganz oben auf unserer Agenda"
Foto/Grafik: Coretec Floors
Jan Dossche – zur Person
Präsident MMFA

Jan Dossche, Jahrgang 1962, ist Präsident von US Floors International, der europäischen Tochtergesellschaft des gleichnamigen US-amerikanischen Designbodenherstellers, der zu Shaw Industries gehört. Seit Juni 2022 ist der Belgier zudem Präsident des Verbands der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge (MMFA).

Nach dem Studium in Gent machte sich Jan Dossche schon mit 30 Jahren selbstständig und baute eine Kette von
25 Bodenbelagsgeschäften in Rumänien auf, die er 2007 verkaufte. 2003 gründete er ein ähnliches Unternehmen im serbischen Belgrad. 2015 stieg er bei seinem Bruder Piet Dossche ein und erschloss mit dem gemeinsamen Joint-Venture US Floors International den europäischen Markt für die Rigid-Designböden der Marke Coretec Floors. Mittlerweile kommt das Unternehmen mit Zentrale im belgischen Kruisem auf knapp 80 Mio. EUR Umsatz (2021). Für 2022 wird ein dreistelliger Millionenumsatz angestrebt.
aus FussbodenTechnik 01/23 (Sortiment)