Objekteur Klaus Horeis zur aktuellen Situation im Objektgeschäft
"Wir müssen viel mehr regional einkaufen"
Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Fachkräftemangel - das Objektgeschäft in Deutschland steht weiterhin unter Druck. FussbodenTechnik sprach mit dem Hamburger Objekteur Klaus Horeis, wie er die aktuelle Situation in seiner Branche einschätzt und welche Trends der 59-Jährige ausmacht. Was sind die Herausforderungen, denen er und seine Kollegen täglich begegnen?FussbodenTechnik: Herr Horeis, welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die deutschen Objekteure? Wie ist die derzeitige Lage?
Klaus Horeis: Vor allem die Objekteure, die bei sehr großen Auftraggebern komplett unter Vertrag standen - etwa bei BMW - erlebten wegen Corona schwere Zeiten. Die Konzerne haben ihre Bauvorhaben teils auf Null gesetzt, was für einen Objekteur Umsatzeinbußen in Millionenhöhe bedeuten kann. Problematisch waren auch Objekte im Healthcare-Bereich, also Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser. Diese durften wir Handwerker aufgrund der strengen Hygiene-Vorschriften ja lange Zeit gar nicht mehr betreten. Wir konnten dort also keine Verlegearbeiten durchführen. Aufträge in dieser Richtung gingen in der heißen Phase der Pandemie gar nicht mehr bei uns ein.
Mittlerweile hat sich die Lage aber etwas gebessert und stabilisiert. Meiner Einschätzung nach haben rund 60 % der Kollegen wieder wirtschaftlich das Vor-Corona-Niveau erreicht. Was aber auch bedeutet, dass die restlichen 40 % immer noch mit Problemen und finanziellen Einbußen zu kämpfen haben.
FT: Welche Probleme belasten Sie und Ihre Kollegen denn aktuell besonders?
Horeis: In erster Linie ist das der Mangel an Personal. Es fehlen uns handwerkliche Fachkräfte - und das in großen Mengen. Da spüren wir die Auswirkungen der Pandemie sehr stark. Viele haben zwischenzeitlich die Branche gewechselt, es bewerben sich fast keine Quereinsteiger mehr. Es gibt zudem viel zu wenig Nachwuchskräfte. Von der jungen Generation will kaum noch einer im Handwerk arbeiten. Und diejenigen, die bei mir anfragen, haben oftmals eine völlig überzogene Vorstellung bezüglich Gehalt und Work-Life-Balance. Wir müssen unser Handwerk wieder sexy machen, um gute Nachwuchskräfte zu gewinnen - das ist eine große Herausforderung.
Neben der Personalproblematik macht uns momentan auch die rasende Preisentwicklung schwer zu schaffen. Es gibt ständig Preiserhöhungen - und das bei wirklich allen Baumaterialien. Verschärfend kommt eine mangelhafte Warenverfügbarkeit hinzu. Diese Entwicklungen sind meiner Meinung nach aber nicht allein dem Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Sanktionen geschuldet.
FT: Bei welchen Materialien macht sich diese Problematik besonders bemerkbar?
Horeis: Vor allem bei Zweischicht-Parkett ist kaum noch etwas zu kriegen - und wenn, dann zu absurd hohen Preisen. Bei Dreischicht-Parkett können wir eigentlich nur noch auf Lagerbestände zurückgreifen, falls vorhanden. Bei Designbelägen merken wir die mangelnde Warenverfügbarkeit vor allem bei der gesamten chinesischen Produktion. Die Containerknappheit verhindert massiv den zügigen Transport nach Deutschland. Wir müssen in der Regel mit 12 Wochen Lieferzeit rechnen - und das bei laufenden Projekten. Die LVT-Hersteller verlagern deshalb gerade ihre Produktionen verstärkt nach Europa. Ich habe auch meine Konsequenzen gezogen und setze seit Corona auf Hersteller, die hauptsächlich in Europa ihre Produkte fertigen - wegen der kürzeren Lieferketten. Für mich sind das vor allem Gerflor, Amtico, Kährs (Upofloor) und Hamberger. Wir müssen viel mehr regional einkaufen - auch bei Bodenbelägen und Verlegewerkstoffen.
FT: Welche Größe haben die Objekte, in denen Ihre Mitarbeiter Bodenbeläge verlegen?
Horeis: Die größten haben etwa 20.000 bis 25.000 m
2 zu verlegende Fläche. Das waren beispielsweise Kaufhäuser von C & A oder Karstadt. Beim Brillenhersteller Rodenstock in Hamburg haben wir rund 12.500 m
2 Bodenbeläge verlegt. Ich mag aber vor allem Objekte mit einer Größe von 500 bis 2.000 m
2. Diese sind recht schnell abgearbeitet und das finanzielle Risiko ist dabei überschaubar. Pro Jahr verlegt mein Team sicher mehr als 150.000 m
2 Bodenbeläge, etwa 25Aufträge pro Monat - und das bundesweit. Wir sind uns aber auch nicht für kleinere Aufträge zu schade. Jeder Kunde, der zu uns kommt, kann mit unserer Hilfe rechnen. Als Objekteur ist es wichtig, Demut zu zeigen und nicht zu vergessen, wo man herkommt. Daher lautet auch mein Versprechen: Wir behandeln jedes Bauprojekt mit dem gleichen handwerklichen Können und der gleichen Sorgfalt - egal, ob Großprojekt oder Privathaus.
FT: In welchen Objekten sind Sie und Ihre Mitarbeiter vor allem tätig?
Horeis: Rund 60 % unserer Aufträge entfallen auf Verlegearbeiten in Supermärkten - etwa bei Edeka, Rewe oder Netto. Darauf sind wir spezialisiert, dafür kennt man uns. Ich setze in solchen Objekten seit Jahren auf die GTI-Fliese von Gerflor. In der Branche nennt man mich schon "Mr. GTI". Diese PVC-Bodenplatten überzeugen durch eine schnelle Verlegung und gute Trittschallreduzierung. Mein Team braucht in der Regel zwei Tage für einen Supermarkt, rund 1.000 m
2 Bodenbeläge verlegt es pro Tag. In Supermärkten arbeiten wir vor allem am Wochenende, weil sonntags die Geschäfte geschlossen sind. So kollidieren wir auch meistens nicht mit anderen Gewerken. Geschwindigkeit und Flexibilität sind bei solchen Aufträgen entscheidend. Das macht für mich auch den Reiz des Objektgeschäfts aus: Schafft man die Aufgabe in der vorgegebenen Zeit?
FT: Was sind derzeit die Trends im Objektgeschäft?
Horeis: Im Office-Bereich kommt die Teppichfliese wieder. In den Fluren von Bürogebäuden sind vor allem Designbeläge gefragt, in den Vorstandsetagen auch mal Parkett. In der Hotellerie findet ein Wandel von der Bahnenware hin zur textilen Fliese statt. Auch hier geht es um Schnelligkeit und darum, die Ausfallzeiten möglichst gering zu halten. Wir arbeiten uns dabei zimmer- oder traktweise durch: Möbel zur Seite stellen, Altbelag raus, spachteln und dann die Teppichfliesen verlegen.
FT: Vor allem die Gastronomie hat unter der Corona-Pandemie gelitten und musste wegen der Hygieneauflagen monatelang schließen. Wie sieht es mittlerweile in diesem Segment aus?
Horeis: Die Gastronomie kommt langsam wieder in Fahrt. Dort führen wir meist unter der Woche Reparaturen durch. Es sind dabei vor allem Designbeläge gefragt. Die Objekte in der Gastronomie haben meist eine Größe von 100 bis 700 m
2. So waren wir kürzlich etwa im Hamburger Pulverfass und im Hooters auf St. Pauli im Einsatz.
FT: Sie sind mittlerweile auch als Objekteur im Wohnungsbau tätig. Wie muss man sich das vorstellen?
Horeis: Unsere Kunden in diesem Bereich sind meist Immobilienbesitzer, denen sehr viele Wohnungen gehören. Einer meiner Kunden verfügt beispielsweise über 5.000 Wohnungen. Bei einem Mieterwechsel nehmen wir dort die Renovierungen vor. Bei einem Großkunden können das dann schon mal drei Wohnungen pro Woche sein, die wir abarbeiten - der hat quasi permanent Mieterwechsel. Die Baustellen sind dabei sehr straff durchgetaktet. Termintreue ist hier entscheidend und eine detaillierte Planung - es gibt zwei Farben und zwei Beläge. Die Wohnungen sind meist zwischen 40 und 100 m
2 groß. In den kleinen und günstigen Einheiten ist oft Nadelvlies gewünscht, in den teureren Designbelag und getufteter Teppichboden.
FT: Wie unterscheiden sich die Arbeiten im Heathcare-Bereich, also im Gesundheitssektor, von denen in den bisher genannten Objektarten?
Horeis: Dort kommt es vor allem auf ein hohes technisches Verständnis an. Man muss die Eigenschaften der Beläge sehr gut kennen. Sind sie ableitfähig oder nicht? Hygiene ist hier ein entscheidender Faktor. Wir verlegen in solchen Einrichtungen hauptsächlich fugenlose Beläge. Und wenn es Fugen geben sollte, verschweißen wir diese thermisch oder dichten sie entsprechend ab. Es sollen sich dort später keine Keime und Verschmutzungen ansammeln können. Als Referenz-Objekte kann ich hierbei das Elbe Klinikum Stade nennen. Für die Katholische Kirche sind wir in Kindergärten und Schulen im Einsatz. Hier sind vor allem ökologische Beläge gefragt - ich setzte dabei auf Produkte von Upofloor.
FT: Man kennt Sie als leidenschaftlichen Netzwerker, der sich seit vielen Jahren in der Objekteursvereinigung Netzwerk Boden engagiert. Worin sehen Sie die Vorteile einer solchen Mitgliedschaft?
Horeis: Netzwerk Boden vereint die "Champions League der Bodenleger". Unsere Mitgliedsbetriebe beschäftigen deutschlandweit insgesamt rund 3.500 Mitarbeiter. Seit 2008 engagiere ich mich dort, seit 2012 im Beirat. Wir nutzen das Netzwerk, um uns gegenseitig zu helfen - etwa indem wir uns unter Kollegen personell unterstützen. Bei einem Projekt in Stuttgart konnte ich mich daher an einen Objekteur aus Süddeutschland wenden. Der Trend im Netzwerk geht dahin, unseren Kunden ein "All-in-Paket" zu bieten - also ein bundesweit gültiges Pauschal-Angebot, das alle notwendigen Arbeiten und Leistungen enthält.
Durch Netzwerk Boden lernen wir unsere Objekteurskollegen besser kennen, aber auch die Vertreter der Industrie. Die junge Generation bei uns beherrscht das Netzwerken übrigens hervorragend - da gibt es keine Befindlichkeiten. Das freut mich sehr, da ich wirklich ein großer Netzwerker bin.
Klaus Horeis - zur Person, Objekteur
Der 59-jährige Klaus Horeis ist gelernter Maurer und Bodenleger. Er gehörte damals dem ersten Jahrgang an, der in Hamburg die Ausbildung zum staatlich geprüften Bodenleger absolvierte. 1986 machte sich Horeis selbstständig und spezialisierte sich zeitnah auf das Objektgeschäft. Vor allem Verlegearbeiten in Supermärkten sind die Paradedisziplin seines 17-köpfigen Teams. In seinem Betrieb bildet Horeis Parkett- und Bodenleger aus und ist immer auf der Suche nach Bewerbern. In Agathenburg im Landkreis Stade eröffnete er einen weiteren Showroom: die Boden-Lounge. Das Innungsmitglied engagiert sich im Beirat der Objekteursvereinigung Netzwerk Boden.
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FussbodenTechnik 05/22
(Wirtschaft)