BVPF: Deutscher Sachverständigentag 2022 in Köln

Beschleunigte Estriche – Sachverständige definieren Grenzwerte

Der BVPF-Sachverständigentag im Juni 2022 in Köln mit rund 120 Teilnehmern hielt einen Paukenschlag für die Branche bereit: Die versammelte Fachwelt stellte in einem wesentlichen Punkt der Feuchtemessung von "beschleunigten Estrichen" einen Konsens fest: Feuchtmesswerte über 1,8 CM-% (beheizte Zementestriche) und 2,0 CM-% (unbeheizte Zementestriche) stellen generell ein erhöhtes Schadensrisiko dar.

Es gibt Hersteller von Estrichzusatzmitteln zur Beschleunigung der Belegreife, die damit angemischte Estriche (sogenannter Estrich-Typ 2) bis zu Feuchtewerten über 3 CM-% freigeben. Auf ihrer Tagung in Köln 2022 votierten die im Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) organisierten Sachverständigen jetzt einstimmig dafür, solche Feuchtewerte nicht als belegreif zu akzeptieren. Das hat fraglos Auswirkung auf künftige Gutachten. Wie Gerichte bei Streit- und Schadensfällen darauf reagieren, bleibt abzuwarten.

Worum geht es den Sachverständigen, die mit daraus resultierenden Schadensfällen zu tun haben und häufig selber Inhaber eines Handwerksbetriebes sind? Das Interesse ist klar: Handwerker vor dem unwägbaren Risiko, also vor irreparablen Schäden mit Kompletterneuerung nach Verlegung auf einem beschleunigten Estrich, zu schützen. Und wie soll sich der Boden- oder Parkettleger verhalten, wenn er die Feuchtigkeit des Estrichs misst und Werte oberhalb der Grenzwerte 1,8 CM-% (Fußbodenheizung) und 2,0 CM-% (unbeheizt) erhält? Er muss das tun, was er bisher auch getan hätte: Bedenken anmelden und sich mit dem Bauherren oder Planer in Verbindung setzen.

Bei einem beschleunigten Estrich, der mit Estrichzusatzmitteln angemischt wurde, wird dem Boden- bzw. Parkettleger meist mitgeteilt, dass deutlich höhere Feuchtewerte belegsicher seien. Eine derartige schriftliche Freigabe durch Estrichindustrie und Bauherr bzw. Planer reicht den Sachverständigen jedoch nicht mehr. Sie haben kein Vertrauen in Produkte der Hersteller von Estrichzusatzmitteln, die eine sehr rasche Belegreife erreichen wollen. Deshalb verlangen sie in einem solchen Fall vom Handwerker, dass er seinen Prüfpflichten nach DIN 18356 und 18365 gerecht wird, zu denen es auch zählt, die Restfeuchte des Untergrundes stichpunktartig zu prüfen und auch nach dieser "Freigabe" ein weiteres Mal Bedenken anmeldet - und vor allen Dingen einen schriftlichen Hinweis liefert: nämlich die mögliche finanzielle Höhe eines theoretischen Schadens.

Genannte Grenzwerte werden
wohl allgemeine Regel des Fachs

Gewiss ist es so, dass bei späteren Haftungsfragen erst einmal festgestellt werden muss, ob tatsächlich Feuchtigkeit aus dem künstlich beschleunigten Untergrund die Schadensursache ist. Auf der sicheren Seite ist der betroffene Handwerker aber nur, wenn er vor der freigegebenen Belegung mit Parkett oder einem anderen Bodenbelag seinen Prüfpflichten gerecht wird und ein weiteres Mal vor den möglichen Folgen gewarnt hat. Das dürfte zu einer allgemeinen Regel des Fachs werden.

Darf ein Parkett- oder Bodenleger nun keinen Zementestrich mehr belegen, der höhere Feuchtewerte als 1,8 CM-% beheizt bzw. 2,0 C-% unbeheizt ergibt? Doch, denn es bleibt die fraglos kostenintensivere Absperrung der Oberfläche mit einer Epoxidharz-Grundierung oder alternativen Systemen. Unbelastet bleiben auch Calciumsulfatestriche. Für sie gilt unter den Estrichnormen DIN 18560-1 und DIN EN13813der Grenzwert von 0,5 CM-%. Andere Normen und Literaturquellen / Verbände geben nach wie vor einen Belegreife-Grenzwert von 0,3 CM-% bei beheizten Fußbodenkonstruktionen vor.


Erläuterungen des BVPF
Die explizit gestellte Frage an alle Teilnehmer des Deutschen Sachverständigentages lautete: Stellen CM-Feuchtmesswerte über 1,8 CM-% (bei beheizten Zementestrichen) und über 2,0 CM-% (unbeheizt) generell ein erhöhtes Schadensrisiko für den Auftraggeber/Bauherr und Auftragnehmer dar, und zwar unabhängig davon, ob Estrichzusatzmittel (umgangssprachlich "Trocknungsbeschleuniger") eingesetzt werden oder nicht? "Ja" war die einstimmige Antwort der versammelten Experten auf die gestellte Frage.

Die genannten Grenzwerte gelten nach den Regeln des Faches und nach DIN 18560 sowie auf der Basis naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten der Zementchemie gleichermaßen für alle zementären Estrichuntergründe, unabhängig vom Einsatz von Zusatzstoffen. Es sind daher die gleichen Feuchtegrenzwerte für Zementestriche ohne und mit Beschleuniger gültig und anzuwenden: Also bei zementären beheizten Estrichsystemen 1,8 CM-% und bei unbeheizten 2,0 CM-%.
Von einigen Herstellern von Zusatzmitteln erklärte höhere Grenzwerte bedeuten in der Praxis ein erhöhtes Schadensrisiko für die Beteiligten.

Praktische Erfahrungen über Jahre hinweg hätten gezeigt, dass dieses Risiko seitens der Auftragnehmer der Parkett- und Bodenbelagsarbeiten gegenüber den Auftraggebern nicht bewertet werden kann, da viele Parameter, wie z. B. Funktionsweisen und Dosierungen der Zusatzmittel sowie weitere Einflussfaktoren des einzelnen Estrichs (wie dessen Zusammensetzung), Besonderheiten bei der Verarbeitung und Baustellenrandbedingungen (z. B. Hydratationszustand) dem Auftragnehmer der Parkett- und Bodenbelagsarbeiten unbekannt sind und von ihm weder geprüft noch bewertet werden können.

Im Anschluss an die Tagung in Köln haben sich der Bundesverband Estrich und Belag (BEB), der Zentralverband Raum und Ausstattung sowie der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz diesem Konsens angeschlossen.
Beschleunigte Estriche – Sachverständige definieren Grenzwerte
Foto/Grafik: Henrik Stoldt
Die Sachverständigen im Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) sind sich einig: Eine durch Zusatzmittel erhöhte Estrich-Belegreife ist zu riskant.
aus FussbodenTechnik 05/22 (Wirtschaft)