Interview mit dem FEB-Vorsitzenden Volkmar Halbe
"Die Zukunft liegt in Allianzen"
Der Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB) feiert 2022 sein 20-jähriges Bestehen. Seit Mai 2019 steht der ehemalige Parador-Geschäftsführer Volkmar Halbe an dessen Spitze. Im Interview mit FussbodenTechnik erläutert der 61-Jährige die Leistungen des Verbands, die Bemühungen des FEB um mehr Nachhaltigkeit in der Branche sowie die Bedeutung des bodenverlegenden Handwerks.FussbodenTechnik: Herr Halbe, was zeichnet für Sie den Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge aus? Was sind die Stärken des FEB?
Volkmar Halbe: Unser Verband spielt das Thema der elastischen Beläge in einer Art und Weise, die sehr mitglieder- und fördermitgliedernah ist. Der FEB konzentriert sich dabei auf die folgenden fünf Themen: 1.) Wir wollen eine (verbände-)übergreifende Netzwerkarbeit möglich machen. 2.) Wir treiben die Produkt- und Anwendungstechnik voran - bei diesem Thema sind wir richtig stark. 3.) Wir sorgen für statistische Markt- und Branchendaten sowie relevante Studien - und stellen sie unseren Mitgliedern zu Verfügung. Da haben wir in den vergangenen zwei bis drei Jahren weiter investiert. Wir möchten unsere Mitglieder mit möglichst vielen wichtigen Rahmendaten ausstatten, die ihnen helfen, besser zu wirtschaften - also einen Wissenstransfer leisten. Das Institut B + L Marktdaten ist hierbei ein enger Partner. Seit April 2022 erhalten unsere Mitglieder von uns sogar monatlich die wichtigsten Indexentwicklungen wesentlicher Materialien und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Der FEB hat es geschafft, auf relevante Fragen der Mitglieder die entsprechenden Daten und kanalisierten Informationen zu liefern. Dazu wird in Zukunft auch die Neugestaltung der FEB-Website beitragen, die im 4. Quartal 2022 live gehen soll. Die Seite wird informationszentrierter aufgebaut. 4.) Das Thema Nachhaltigkeit ist ein riesiges Feld, auf dem wir aktiv sind. 5.) Wir betreiben eine relevante Medienarbeit, um die Aufmerksamkeit für unser Produkt zu stärken und die vielen Vorteile elastischer Beläge zu kommunizieren.
Die Fußbodensysteme haben ihre Heimat in den Verbänden gefunden - und der FEB war einer der ersten davon in der Bodenbranche. Verband heißt verbünden: Mit dem FEB ist eine Branchengemeinschaft entstanden.
FT: Können Sie Beispiele nennen, was der FEB auf dem von Ihnen erwähnten Gebiet der Produkt- und Anwendungstechnik leistet?
Halbe: Wir setzen sehr stark auf unsere Technischen Informationen, die wir publizieren und immer auf dem aktuellen Stand halten. Vergangenes Jahr erschien unsere neueste Technische Information Nr. 5 zur Verlegung elastischer Beläge auf Treppen. Dieses Jahr erarbeiten wir eine Technische Information, die sich mit der Verwendung von Bodenprodukten an Wänden befassen wird. Das ist ein sehr großes Thema in der Branche, vor allem mit Blick auf den Brandschutz. Unser Technic-Explorer hat sich zu einem Grundlagen-Kompendium entwickelt, das Jahr für Jahr um neue Kapitel erweitert wird. Unsere technischen Publikationen haben sich etabliert und werden gut angenommen - und das nicht nur von den Herstellern: Wir erhalten sehr viele Anfragen danach aus dem bodenverlegenden Handwerk und von Berufsschulen.
Vor der Gründung des FEB gab es auf der Ebene der Anwendungstechnik viel Durcheinander. Unser Verband hat mitgeholfen, da sehr viel Ordnung reinzubringen.
FT: Der FEB fokussiert stark auf das Thema Nachhaltigkeit, wie Sie eben berichtet haben. Wie genau bearbeitet Ihr Verband dieses Zukunftsfeld?
Halbe: Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren stark an Aktualität hinzugewonnen - und die Geschwindigkeit der Entwicklungen nimmt weiter zu. Dazu tragen auch politische Prozesse auf EU-Ebene bei, vor allem die immer restriktiver werdenden Bestimmungen bei Grenzwerten bestimmter Inhaltsstoffe von PVC-Belägen. Gerade wird von der EU-Kommission diskutiert, künftig ganze Stoffgruppen in der Europäischen Union verbieten zu können. Unsere Verbandsaufgabe ist es, aufzuklären und Informationen zu liefern. Nachhaltigkeit steht in unseren Arbeitskreisen auf der Tagesordnung.
Diese Herausforderungen kann aber kein Marktteilnehmer alleine meistern - auch der FEB nicht. Wir haben deshalb eine starke Allianz mit dem Netzwerk Vinylplus geschlossen - der deutsche Ableger, Vinylplus Deutschland, war früher als "Arbeitsgemeinschaft PCV und Umwelt" (AGPU) bekannt. Das ist eine Achse, die wir extrem stark spielen - vor allem in Verbindung mit dem Programm "Vinylplus 2030". Eines dessen Ziele ist, dass die europäische PVC-Industrie die jährliche PVC-Recyclingmenge bis 2030 auf mindestens eine Million Tonnen steigern soll. Der einzelne Unternehmer sollte dabei drei Pfade beschreiten: Kreislaufwirtschaft, Klimaneutralität und Allianzen. Die Zukunft liegt in Allianzen. Der FEB ruft daher immer wieder dazu auf, solche zu bilden.
FT: Welche Ziele sollen die einzugehenden Allianzen haben?
Halbe: Ein Beispiel: Die Arbeitsgemeinschaft PCV-Bodenbelag Recycling (AgPR) betreibt in Troisdorf bei Köln eine Recyclinganlage für PVC-Altbeläge. Deren Kapazitäten sind aber überschaubar. Die AgPR ist nur ein einzelner Spieler - wir müssen daher ein System aller Spieler entwickeln, um eine möglichst große Fläche für das Recycling alter PVC-Beläge abdecken zu können. Der Weg wird dahin gehen, Allianzen mit Spezialisten zu bilden. Die Herausforderungen beim Recycling elastischer Beläge sind nämlich vor allem technischer Natur: Sollen die Altbeläge mechanisch oder chemisch zerlegt werden, um sie später wiederverwerten zu können? Auch die logistischen Anforderungen des Recyclings sind gewaltig: Der Altbelag muss als Teil einer Kreislaufwirtschaft seinen Weg von der Baustelle bis in die Produktion finden. Diese beiden Herausforderungen kann ein Unternehmen alleine nicht lösen. Die Entsorgungsunternehmen und die Bodenbelagshersteller müssen an einem Tisch sitzen und gemeinsam entsprechende Zerlegungs- und Rückführungstechniken entwickeln - damit aus einem Altbelag wieder ein wertvoller Rohstoff wird. Wir sind in Sachen Kreislaufwirtschaft heute schon sehr viel weiter als vor fünf Jahren - wir sind aber noch nicht am Ziel, hier ist noch Luft nach oben - auch für unseren Verband. Der FEB und die Branche müssen dieses Feld aktiv bespielen: Denn wer nicht leitet, der wird geleitet.
FT: Wird es bei all den Verminderungen von Grenzwerten und drohenden Verboten in fünf Jahren überhaupt noch Bodenbeläge aus PVC geben?
Halbe: Ich bin davon überzeugt, dass es auch künftig PVC-Beläge geben wird - und das sehr umfangreich. Ein komplettes PVC-Verbot wird es nicht geben - allein schon, weil dieses keine Probleme lösen wird und die Alternativen fehlen. In der Medizintechnik ist PVC nicht wegzudenken. Im Vergleich dazu macht unsere Boden-Welt nur einen kleinen Teil des PVC-Marktes aus. Was sich aber verändern wird, sind die Details bei der Zusammensetzung des PVCs in den Belägen. Ich denke zudem, dass elastische Beläge auch in Zukunft weiterhin geklebt werden. Looselay- und Klickbeläge werden das Verkleben nicht verdrängen - es wird eine Koexistenz der Systeme geben.
FT: Sehen Sie Ihren Verband für die Zukunft gut aufgestellt oder könnten Sie es sich vorstellen, dass es einmal zu einer Fusion mit dem Verband der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge (MMFA) kommt?
Halbe: Unsere Zusammenarbeit mit dem MMFA und dessen handelndem Personen funktioniert sehr gut. So müssen wir nicht alles doppelt machen, da wir uns optimal ergänzen: Der MMFA ist stark in der Normungsarbeit unterwegs, der FEB in der Produkt- und Anwendungstechnik. Zusammenarbeit ist sehr wichtig - auch mit den entscheidenden Verbänden aus der Klebstoff- und Estrichbranche kooperieren wir. Zur künftigen Entwicklung des Verbands kann ich sagen, dass sich auf dem Feld der Mitglieder zahlenmäßig wahrscheinlich nicht mehr sehr viel ereignen wird. Unsere Mitglieder decken ja bereits die wichtigsten Hersteller elastischer Bodenbeläge ab. Aber bei unseren Fördermitgliedern ist noch Luft nach oben, denke ich. Kürzlich stieß dort der Flächenheizungshersteller Lofec hinzu. Solche neuen Felder haben wir im Blick. Am Ende des Tages wollen wir das Bodensystem als Ganzes abdecken. Wir sind eine Verbandsgemeinschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Fußbodensysteme.
FT: Eine wichtige Rolle in dieser Wertschöpfungskette spielt ja auch das verlegende Handwerk. Der FEB engagiert sich in der Ausbildungsinitiative "Das ist Bodenhandwerk", die sich für den Nachwuchs in den Berufen Boden-, Parkett- und Estrichleger sowie Raumausstatter engagiert. Sie selbst sitzen dort im Beirat. Was waren die Hintergründe für diesen Einsatz?
Halbe: Ich bin überzeugt, dass es aufgrund des Fachkräftemangels im Handwerk in Zukunft einen ganz großen Engpass auf den Baustellen geben wird. Jemand muss den Belag auf den Boden bringen, es steht aber nicht ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung - angesichts der Menge an Aufträgen, die erledigt werden soll. Und mit qualifiziert meine ich: ausgebildete Fachkräfte. Einen Engpass gibt es eben nicht nur bei der Verfügbarkeit der Materialien. Ich höre aus Verlegebetrieben immer wieder: "Ach, hätte ich doch nur mehr Personal. Ich bin limitiert durch Personalmangel." Gerade hier bewirkt die Initiative "Das ist Bodenhandwerk" sehr viel Gutes und ist mit Herzblut dabei, um junge Menschen für eine Karriere im Handwerk zu begeistern. Als Fachhandwerker hat man so viele tolle Möglichkeiten - man kann sich auf die Selbstständigkeit freuen. Die Sicherung des Fachkräfte-Nachwuchses sorgt dafür, dass aus einem Belag auch in Zukunft ein Boden wird - ansonsten ist da nur eine Planke in einer Kiste.
FT: Zum Abschluss eine persönliche Frage. Seit Jahrzehnten sind Sie in der Bodenbranche tätig und machen sich seit drei Jahren als FEB-Vorsitzender für elastische Beläge stark. Was für ein Fußboden liegt denn bei Ihnen zu Hause? Setzen Sie dort auch auf elastische Beläge?
Halbe: Da ich mehr als 20 Jahre in der Parkettszene aktiv war, liegen in meinem Haus überall Eiche- und Birne-Massivdielen - sogar im Bad. Das ist meiner Leidenschaft für Holz geschuldet. Massivdielen sind unkaputtbar und halten wirklich ewig - und von daher besteht mutmaßlich kein weiterer Bedarf. Aber wenn ich heute noch einmal neu bauen würde, könnte ich mir gut LVT-Böden für mein Zuhause vorstellen.
Volkmar Halbe - zur Person, FEB-Vorsitzender
Der 61-jährige Volkmar Halbe ist studierter Betriebswirt. Nach seinem Studium war er fünf Jahre lang in der Stahlindustrie tätig. Durch Zufall wechselte er in die Holz- und Bodenbranche - und fand dort seine Leidenschaft. Von 1998 bis 2014 war Halbe Geschäftsführer von Parador. Außerdem engagierte er sich acht Jahre lang im Vorstand des Verbands der europäischen Laminatbodenhersteller (EPLF). Im Anschluss machte er sich mit seiner Beratungsagentur "360° Wirksamkeit" im nordrhein-westfälischen Münster selbstständig. Diese hat sich auf die Entwicklung von Geschäftsmodellen im Bereich Interieur spezialisiert. Im Mai 2019 trat Halbe die Nachfolge von Hans Joachim Schilgen als Vorsitzender des Fachverbands der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB) an. Er leitet die FEB-Geschäftsstelle in Münster. Volkmar Halbe wurde auf der FEB-Mitgliederversammlung im November 2021 einstimmig für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt.
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FussbodenTechnik 04/22
(Wirtschaft)