Interview mit Bernd Lesker, Leiter Technischer Beirat der GEV
"Kompromisse bei der Qualität sind keine Option"
Bernd Lesker übernahm Anfang November 2024 die Leitung des Technischen Beirats der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) von Hartmut Urbath. Der 47-Jährige verrät im Interview mit FussbodenTechnik seine Ziele bei der Führung dieses wichtigen Gremiums mit 16 Mitgliedern und benennt die großen Vorteile des Umweltsiegels Emicode.FussbodenTechnik: Herr Lesker, was sind aus Ihrer Sicht die Hauptvorteile des Emicodes?
Bernd Lesker: Bis auf den CO
2-Fußbadruck decken wir mit unserem Umweltsiegel alle relevanten Nachhaltigkeitsanforderungen ab. Mit dem Emicode erhalten die Hersteller einen einfachen Nachweis, dass ihr Produkt für die Green-Building-Zertifizierung geeignet ist. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) schreibt beispielsweise vor, dass die verwendeten Produkte schadstofffrei und emissionsarm sein müssen. Diese zwei immens wichtigen Eigenschaften stellt die GEV über ihre Vergabekriterien sicher. Diese Kombination, verbunden mit der Tiefe, mit der wir unsere Prüfungen vornehmen - das kann aus meiner Sicht fast kein anderes Label so abbilden wie der Emicode. Das ist ein schlagkräftiges Pfund, das wir da haben.
FT: Der Technische Beirat mit seinen 16 Mitgliedern trifft sich zweimal jährlich in Präsenz. Worin bestehen die Schwerpunkte Ihrer Aufgaben als dessen neuer Leiter?
Lesker: In erster Linie geht es um die Abstimmung von aktuellen Themen und den Umgang mit diesen. Kürzlich war dies beispielsweise die Diskussion um die Formaldehydmessung bei der Emicode-Vergabe. Die Messungen müssen so aufgebaut sein, dass die GEV-Mitglieder verlässliche Ergebnisse erhalten und die Prüfinstitute mit der labortechnischen Umsetzung zurecht kommen - darauf achtet der Technische Beirat.
Es besteht eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der GEV-Geschäftsstelle und den einzelnen Gremien. Wir klären gemeinsam, welche Themen für die nächste Sitzung des Technischen Beirats relevant sind oder ob eine außerplanmäßige Sitzung erfolgen muss. Zudem ist der Vorsitzende des Technischen Beirats im Vorstand der GEV vertreten und berichtet dort über die Aktivitäten des Gremiums. Ich bin also auch an den Entscheidungen des GEV-Vorstandes beteiligt.
FT: Worauf legen Sie persönlich in Ihrer neuen Position großen Wert?
Lesker: Auf ein gemeinschaftliches Miteinander. Im Technischen Beirat herrscht eine besondere Atmosphäre, da hier Wettbewerber zusammenkommen. Ich möchte die Diskussion um kontroverse Themen so moderieren, dass wir uns am Ende auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen können. Ich habe dabei meinen Vorgänger Hartmut Urbath immer bewundert: Er hat stets sehr ruhig und besonnen agiert - und immer lange zugehört. Er konnte die verschiedenen Positionen gut einbinden und Lösungsvorschläge erarbeiten. Ich denke, das ist das Wichtigste für meine neue Aufgabe, wenn wir als GEV vorankommen wollen: Die Sitzungen effektiv leiten und am Ende zu einem Konsens finden.
Zudem möchte ich die Vernetzung vorantreiben. Es gibt jetzt die Projektgruppe "Nachhaltigkeit Bau", bei der Vertreter der GEV und der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) des Industrieverbands Klebstoffe (IVK) zusammenarbeiten - mit mir als Obmann. Wir müssen uns enger verzahnen, um die vor uns liegenden großen Aufgaben gemeinsam zu lösen. Auch die Zusammenarbeit des Technischen Beirats mit der GEV-Arbeitsgruppe Labore sowie den Prüflaboren selbst sehe ich dabei als entscheidend an. Wir als GEV müssen für den Emicode Lobbyarbeit betreiben - sowohl beim Handwerk als auch bei den Zertifizierungsstellen für nachhaltiges Bauen - wie etwa DGNB, BNB und QNB. Dies ist wichtig, damit der Emicode als Kriterium für nachhaltiges Bauen weiterhin gelistet bleibt - das ist nämlich kein Selbstläufer.
FT: In welcher Form profitiert das bodenlegende Handwerk vom Emicode und der Arbeit der GEV und ihrer Gremien ?
Lesker: Insbesondere überall dort, wo Nachweise zum Emissionsverhalten der Verlegewerkstoffe gefordert sind, hat der Handwerker über die Emicode-Lizenzen eine einfache und schnelle Möglichkeit, Belege abzuliefern. Der Emicode ist ein anerkanntes Umweltsiegel, es gibt keine Diskussionen und somit erleichtert dies das Tagesgeschäft. Was aber deutlich wichtiger ist: Beim Einsatz von Emicode-geprüften Produkten gibt es bei fachgerechter Verarbeitung keine Probleme wie Schadstoffausstöße in den Gebäuden. Somit hat sich der Handwerker vor unschönen Beanstandungen in diesem Segment abgesichert. Betriebe können unser Umweltsiegel zudem nutzen, um bei Kunden zu punkten, die auf nachhaltige Produkte und Aufbauten Wert legen.
FT: Der Emicode als Kennzeichen für emissionsarme Bauprodukte hat in den 28 Jahren seines Bestehens eine große Erfolgsgeschichte geschrieben. Anfang 2025 vermeldete die GEV, dass im Vorjahr mehr als 2.000 neue Produktanmeldungen hinzugekommen sind. Wo gibt es für den Emicode noch Potenzial, um weitere Produktgattungen aus der Baubranche als emissionsarm auszuweisen?
Lesker: Die jüngste Produktgruppe, die wir für die Emicode-Zertifizierung aufgenommen haben, sind Innenraumputze und -spachtel für Wand und Decke. Davor kamen die Kunstharzbeschichtungen hinzu. Mittlerweile decken wir fast alle Bauprodukte für den Innenraum ab - für Boden, Wand und Decke. Vor allem bei den Verlegewerkstoffen sind wir sehr breit aufgestellt. Bodenbeläge, Tapeten und Dispersionsfarben haben wir allerdings außen vor gelassen. Es werden auch immer wieder Lizenz-Anfragen für Produkte für den Außenbereich an uns gestellt - etwa für Dachdichtungsbahnen. Dieses Feld möchten wir aber ganz bewusst nicht aufmachen: Unser Fokus bleibt auf Baustoffen, die im Innenbereich verwendet werden - dort sind Emissionen relevant. Alles, was dazu gehört und was auch über die Mitglieder der GEV abgedeckt werden kann, ist denkbar - solange Verbraucher- und Umweltschutz bei guten Produkten im Zentrum stehen: Denn Kompromisse bei der Qualität sind keine Option.
FT: Warum werden Bodenbeläge nicht im Rahmen der Emicode-Vergabe geprüft?
Lesker: In der Vergangenheit gab es Gespräche mit dem Vorsitzenden des Fachverbands der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB), ob sich die Branche dem Emicode-System anschließen möchte. Der FEB wollte sich jedoch nicht festlegen. Hintergrund ist, dass die Bodenbelagshersteller in der Regel sehr individuell auf verschiedene Umweltsiegel setzen: teilweise auf den Blauen Engel, das Eco-Label oder das Indoor Air Quality Gold-Siegel - aber auch auf eigene Label. Das war damals das größte Problem, dass sich die Marktteilnehmer nicht auf ein Siegel einigen, sondern weiterhin individuell unterwegs sein wollten.
FT: Wie läuft die Emicode-Zertifizierung für ein bestimmtes Bauprodukt ab?
Lesker: Im Vergleich mit anderen Prüfsiegeln ist dies ein sehr schneller und einfacher Vorgang. Das GEV-Mitglied wendet sich mit seinem Produkt an ein von uns empfohlenes Labor und lässt dort die Emissionsprüfung gemäß unserer Kriterien durchführen. Der Prüfbericht wird anschließend von der GEV bewertet und bei einem positiven Ergebnis eine Emicode-Lizenz erteilt. Bei uns müssen die Hersteller allerdings mit einer zukünftigen Stichprobenuntersuchung rechnen. Vor allem wenn bei der Erstprüfung die Grenzwerte nur knapp unterschritten wurden, können manche Produkte später durchfallen. Im schlimmsten Fall droht der Verlust der Emicode-Lizenz. Diese Kontrolle ist immens wichtig, da sie Seriosität vermittelt und jedes GEV-Mitglied dazu verpflichtet, ehrlich mit den Ergebnissen umzugehen. Die Auswahl der Produkte für die Stichprobenuntersuchung nimmt übrigens die GEV-Geschäftsstelle im Losverfahren vor - weder Vorstand noch Technischer Beirat wissen, welche Produkte ausgesucht wurden. Die Prüfmuster werden auf dem freien Markt erworben und zur Untersuchung an unabhängige Labore geschickt.
FT: Neben den Stichprobenuntersuchungen tragen auch die Ringversuche zur Glaubwürdigkeit des Emicodes bei. Können Sie kurz ausführen, was es damit auf sich hat?
Lesker: Die Ringversuche sind eine große Aufgabe des Technischen Beirats und der Arbeitsgruppe Labore. Wir suchen drei Produkttypen aus, von denen alle teilnehmenden Labore die gleichen Prüfmuster erhalten. Die Institute untersuchen diese Muster nach den aktuellen GEV-Prüfkriterien und senden die Ergebnisse an eine neutrale Auswertestelle. Da alle Prüfmuster gleich sind, müssen die Ergebnisse der verschiedenen Labore letztendlich auch einigermaßen vergleichbar sein.
Allerdings stellen wir dabei regelmäßig wirklich große Unterschiede fest. Schneidet ein Labor schlecht ab, verliert es gegebenenfalls seinen Status als empfohlenes Labor für eine Emicode-Lizenzierung. Beim jüngsten Ringversuch mussten wir vier Labore von der Liste streichen.
Unsere Ringversuche helfen den Laboren dabei, sich weiterzuentwickeln. Wir sorgen so dafür, dass die Emissionsmessungen vergleichbar sind und einen entsprechenden Stellenwert haben. Die Ergebnisse der Ringversuche teilen wir auch dem Umweltbundesamt mit, damit sich auch dessen Prüfmethoden im AgBB-System weiterentwickeln können. Übrigens: An den Ringversuchen können alle interessierten Labore teilnehmen - und nicht nur die 17 von der GEV empfohlenen Institute. In der Regel machen immer rund 40 Labore mit, teilweise auch Betriebslabore.
FT: Gibt es Themenfelder des Technischen Beirats, die in jüngster Zeit neu hinzugekommen sind?
Lesker: Das Thema Nachhaltigkeit ist sicherlich präsenter geworden. Dabei deckt der Emicode schon seit jeher eine Vielzahl an heute relevanten Nachhaltigkeitskriterien ab. Das ist vielleicht nicht immer allen am Bau Beteiligten so bewusst - spielt aber doch eine sehr bedeutende Rolle. Der GEV war und ist es wichtig, Aussagen auf Basis von Fakten und wissenschaftlichen Grundlagen zu treffen. Nicht ohne Grund ist die Green Claims Directive der EU in Vorbereitung: Auf Basis einer vorgelagerten Studie fand man heraus, dass ein Großteil der Nachhaltigkeitsaussagen (53 %) vage, missverständlich oder unbegründet sind. 40 % haben keine vorzeigbaren Belege für die Aussagen. Von daher ist es umso wichtiger, hier Klarheit zu schaffen und die Vorteile des Emicodes, der eine klare Orientierung bietet, nochmals deutlich hervorzuheben und publik zu machen.
FT: Blicken wir einmal in die Zukunft. Wird der Emicode weiter an Bedeutung gewinnen?
Lesker: In Zeiten, wo es immer mehr Fake-News und Greenwashing gibt, wird eine verlässliche und vor allen Dingen vertrauenswürdige Kennzeichnung von Produkten immer wichtiger. In diesem Kontext wird aus meiner Sicht der Emicode sicherlich weiterhin an Bedeutung gewinnen. Auch die Tatsache, dass nachhaltige Gebäudezertifizierungen wie beispielsweise DGNB, BNB, QNB und LEED den Emicode als Nachweis zulassen, spricht für seine Bedeutung. Das Thema der Gebäudezertifizierungen wird in den nächsten Jahren weiterhin wichtig sein und an Bedeutung gewinnen - somit wird auch der Emicode vermutlich wichtiger werden.
FT: Sie sprachen gerade das Greenswashing an - also den Umstand, dass Unternehmen sich selber oder Produkte ökologischer darstellen als sie es in Wirklichkeit sind. Wie lassen sich vermeintlich ökologische Produkte entlarven? Haben Sie Tipps für das bodenverlegende Handwerk?
Lesker: Greenwashing ist aktuell schon in der Diskussion und wird zukünftig sicherlich noch intensiver zur Sprache kommen. Hier muss innerhalb der Branche und der Bevölkerung ein Bewusstsein entwickelt werden - wozu der Emicode beitragen wird. Bei allen Dokumenten, Veröffentlichungen, Stellungnahmen etc., die von der GEV erstellt werden, ist das Thema Greenwashing immer schon präsent gewesen, bevor die EU-Kommission überhaupt darauf gekommen ist. Im Grunde genommen war es das Gründungsthema der GEV: Durch ein Klassensystem sollten unlautere Werbeaussagen zu einzelnen Produkten vermieden werden. Für den Handwerker ist es immer am einfachsten, sich auf den Emicode zu verlassen, damit liegt er immer auf der richtigen Seite. Sofern aber Fragen zu bestimmten Produkten oder Kennzeichnungen aufkommen, stehen ihm die GEV und ihre Mitglieder mit Rat und Tat zur Seite.
FT: Abschließend gefragt: Haben Sie als Leiter des Technischen Beirats so etwas wie eine Vision für den Emicode?
Lesker: Als Vorsitzender des Technischen Beirates ist das ja keine One-Man-Show, in der die Ziele und die Ausrichtung vorgegeben werden. Bei der GEV sind wir eine Gemeinschaft, die vom Input der einzelnen Mitglieder und der Diskussion zu den Themen lebt. Dabei findet ein guter Austausch zwischen allen Gremien wie dem Technischen Beirat, dem Beirat für Öffentlichkeitsarbeit, dem Vorstand sowie der Geschäftsführung statt. Und das ist es auch, was eine solche Gemeinschaft ausmacht. Daraus ergeben sich dann die weiteren Ziele samt dem dazugehörigen Weg. Damit entwickeln sich die Ziele und Veränderungen organisch und aus der gemeinschaftlichen Beratung heraus.
Bernd Lesker, Leiter Technischer Beirat GEV
Seit 7. November 2024 ist Bernd Lesker Leiter des Technischen Beirats der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) - er trat in dem Gremium die Nachfolge von Hartmut Urbath an. Der 47-Jährige startete 2007 als Anwendungstechniker Fußbodentechnik und Parkett beim Verlegewerkstoffhersteller Mapei und ist seit 2019 Leiter Anwendungstechnik & Produktmanagement Fußbodentechnik & Parkett. Der gelernte Handwerker mit Ausbildung zum Diplom-Bauingenieur und Betriebswirt (VWA) ist dort verantwortlich für technische Beratungen und die Erstellung von Aufbauempfehlungen, Produkt-Neueinführungen und Sortimentspflege, Schulungen und Seminare sowie die Beanstandungsbearbeitung. Neben der GEV vertritt Lesker Mapei auch in weiteren Verbänden, wie etwa in der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe (IVK) und im Arbeitskreis Bodenbeläge im Bundesverband Estrich und Belag (BEB).
Emicode-Produktgruppen
Boden- und Untergrundvorbereitung
- Estriche
- Spachtel- und Ausgleichsmassen
- Vorstriche, Grundierungen
- Untergründe reparieren
Wandaufbau
- Wandputze und -spachtel für den Innenraum
- Wandplatten für den Innenraum
Fliese/Naturstein verlegen
- Fliesenklebstoffe
- Fügenmörtel
- Verbundabdichtungen unter Fliesen
Bodenbeläge und Parkett verlegen
- Bodenbelagsklebstoffe
- Fixierungen für Bodenbeläge
- Trockenklebstoffe, Klebebänder für Bodenbeläge
- Parkettklebstoffe
Oberflächenbehandlungsmittel/Lacke/Versiegelung/Öle
- Oberflächenbehandlung von Parkett
- Oberflächenbehandlung von mineralischen Untergründen
- Lacke für elastische Bodenbeläge
Dämm- und Dichtstoffe/Dampfbremsen/Entkopplungsmatten
- Fugendichtstoffe
- komprimierte Dichtungsbänder, Fugendichtungsbänder
- Montage- und Dämmschäume
- Bahnen / Platten zum Dämmen, Entkoppeln und Sanieren von Untergründen
- Dampfbremsen im Dachinnenbereich
- Flüssige Abdichtungen
Sonstige Klebstoffe
- Montageklebstoffe
- Holzleime
Kunstharzbeschichtungen für Böden
aus
FussbodenTechnik 03/25
(Wirtschaft)