TKB-Branchengespräch 2023 in Düsseldorf
Meinungsaustausch zwischen Handwerk und Industrie kommt gut an
Ende September 2023 konnte die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) ihr Branchengespräch nach einer Coronapause von vier Jahren wieder regulär stattfinden lassen: Beim Industrieverband Klebstoffe (IVK) in Düsseldorf führte der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz) als Moderator durch den offenen Meinungsaustausch. Eingeladen waren 16 Vertreter aus Industrie- und Handwerksverbänden der Bodenbranche.Weniger Energieverbrauch, Reduzierung der Rohstoffe oder gleich die Lebensdauer von Bodenbelägen durch deren Sanierung verlängern - die Ansätze zur Förderung der Nachhaltigkeit sind vielfältig. Beim TKB-Branchengespräch diskutierten insgesamt 16 Vertreter aus Handwerksverbänden, Verlegewerkstoff- und Bauchemieherstellern sowie Fachpresse über aktuelle Branchenthemen. Dieser hilfreiche Austausch sorgte für neue Perspektiven bei allen Beteiligten und wurde abschließend durchweg als positiv eingeschätzt. FussbodenTechnik gibt einige Highlights der Diskussion wieder.
Der TKB-Vorsitzende Dr. Norbert Arnold berichtete für die Verlegewerkstoffhersteller, dass die Technische Kommission Bauklebstoffe (TKB) und die Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) eine Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit gegründet haben. Dr. Frank Gahlmann, Geschäftsführer Stauf, erläuterte die Gründung: "Wir als Bauchemiehersteller wollen frühzeitig analysieren, welche Anforderungen aus Brüssel auf uns zukommen und uns darauf einstellen." Dr. Gahlmann befürchtet, dass der Spielraum, in dem sich die Unternehmen bewegen, wahrscheinlich gering sein dürfte. "Wir werden den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks betrachten müssen und noch gibt es relativ wenig Informationen zum Recycling." Die Arbeitsgruppe habe sich erstmal orientiert und will zunächst Daten sammeln.
Volkmar Halbe, Vorsitzender des Fachverbands der Hersteller elastischer Bodenbeläge (FEB), sieht bei seinen Mitgliedern vergleichbare Diskussionen auf die Belagshersteller zukommen: "Wir haben einerseits eine politisch getriebene Regulierungswut, die aber die positive Innovationskraft und die industriellen Prozesse der Belagshersteller komplett außen vor lässt." Das passe nicht zusammen und könne irgendwann eskalieren oder kollabieren, so seine Befürchtung.
Volker Kettler, Leiter der Stabsstelle Forschung und Entwicklung bei den Meisterwerken, macht eine ganz andere Beobachtung. Kettler ist in diversen Verbänden aktiv, darunter dem Verband der Europäischen Laminatfußbodenhersteller (EPLF), dem Verband der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge (MMFA) und dem Verband der Deutschen Parkettindustrie (VDP), und stellte nüchtern fest: "Seit vier Jahren behandeln wir in den Verbänden kein technisches Thema mehr, sondern ausschließlich Nachhaltigkeit." Dieses Thema sei eigentlich ganz einfach: "Es gibt ein ganz klares, definiertes Ziel und das ist der European Green Deal, der seit fünf Jahren definiert ist." Die Europäische Union und Deutschland haben sich positioniert, dass sie bis 2045 eine CO
2-Neutralität anstreben. Bereits ab 2025 müssen Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbeleg erbringen, der Auskunft über den CO
2-Fußabdruck gibt. Für Volker Kettler geht es primär um die Reduktion von Rohstoffen - und dafür brauche es seiner Meinung nach Fakten. Bodenbeläge zukünftig länger zu nutzen, könne ebenfalls ein Ansatz sein.
Diesen Aspekt griff Dr. Thomas Brokamp, Geschäftsführer bei Bona, auf: "Wir sind darauf angewiesen, dass wir Angaben zur Lebenserwartung von Belägen und Klebstoffen machen können." Möglichkeiten, Parkett und PVC-Beläge zu sanieren, gebe es bereits. Für Dr. Brokamp müsse es in der Diskussion über Nachhaltigkeit immer zunächst einen Fokus auf die eingesetzte Energie gehen, erst viel später ginge es um das eingesetzte Material. Dr. Brokamp teilte die Meinung von Volkmar Halbe, dass es um pragmatische Lösungen gehen müsse: "Es besteht kein Zweifel, dass wir uns in Richtung Nachhaltigkeit verändern müssen. Jeder, der den Sommer 2023 erlebt hat, der weiß, dass wir ein massives Klima-Problem haben." Der Bona-Geschäftsführer forderte: "Man muss ein pragmatisches Ziel anstreben, das wir vernünftigerweise erreichen können, bei dem wir auch eine wirklich ökonomische Minimierung des Einsatzes haben." Ein Beispiel aus der Bodenbranche illustrierte die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit: "Die Verlegewerkstoffindustrie möchte Klebstoffeimer aus 100 % recycelten Kunstoffen einsetzen, aber die Hersteller kriegen das nicht hin", so Dr. Brokamp, der den derzeitigen Recyclinganteil der Eimer auf rund 75 % bezifferte.
Gips- kontra Zementspachtelmassen
Der Sachverständige Thomas Allmendinger berichtete von Schadensfällen, bei denen die Industrie Aufbauempfehlungen von bis zu 5 mm zementärer Spachtelung auf Gussasphaltestrichen freigegeben habe. Er schlug vor, für solche Fälle Calciumsulfatspachtelmassen als Alternative einzusetzen und dies auch in einem TKB-Merkblatt festzuhalten.
In diesem Zusammenhang wies Dr. Norbert Arnold darauf hin, dass es beim verlegenden Handwerk durchaus jeweils Vorlieben für Gips- und Zementspachtelmassen gebe. Es komme immer wieder vor, dass empfohlene Aufbaudicken deutlich überschritten werden. HartmutUrbath, Leiter Technical Sales Management bei Thomsit, macht die Erfahrung, dass Handwerker nicht gerne mit Gipsspachtelmasse arbeiten, weil diese einen Tag länger trocknen müsse: "Wir schreiben regelmäßig Aufbauempfehlungen mit einer Gipsspachtelmasse und dann kommt der Anruf, diese doch bitte durch eine Zementspachtelmasse zu ersetzen, da der Handwerker sich eine straffere Terminplanung wünscht. Urbath steht auch zukünftig zur Empfehlung von zementären Spachtelmassen auf Gussasphaltestrichen, "weil Thomsit keine Häufung von Schadensfällen verzeichnet." Dr. Arnold zitierte in diesem Zusammenhang eine ältere Aussage von Dr. Thomas Brokamp, die inhaltlich passte: "Schon wenn wir Schäden im Promillebereich hätten, wären wir alle bankrott." Soll heißen: Die Verlegewerkstoffhersteller verzeichnen keine auffälligen Schäden mit zementären Spachtelmassen auf Gussasphaltestrichen, sonst würden sie die Aufbauempfehlungen automatisch anpassen.
Bundesinnungsobermeister Manfred Weber vom Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF) vermutete, dass Handwerker vielleicht auch mal zu günstigen Preiseinstiegs-Spachtelmassen greifen, anstatt bewährte, teurere Produkte zu wählen, die in anspruchsvollen Verlegefällen vielleicht sogar faserarmiert sind. Dr. Arnold empfahl, sich den einzelnen Schadensfall genau anzugucken, um Aussagen dazu machen zu können.
Asbest: Was bringt die
neue Gefahrstoffverordnung?
Aktuell gibt es Verwirrung um eine mögliche neue Gefahrstoffverordnung, die noch nicht auf politischer Ebene verabschiedet wurde. Ralf Vowinkel, Präsident des Zentralverbands Raum und Ausstattung (ZVR), sensibilisierte für das Thema: "Der Auftragnehmer muss künftig dem Handwerker Auskunft darüber erteilen, ob ein Haus asbesthaltig ist oder nicht. Falls er das nicht kann, sei davon auszugehen, dass alle Häuser, die vor 1993 gebaut wurden, per Definition asbesthaltig sind." Vowinkel war davon überzeugt, dass eine solche Gefahrstoffverordnung das aktuelle Sanierungsgeschäft ausbremsen würde, da zusätzliche hohe Kosten auf die Bauherren zukommen. Tatsächlich müsste man bei einem vermeintlich asbestverseuchten Objekt zukünftig mit Schleuse und Absaugung arbeiten. Ralf Wollenberg, Sachverständiger für das Bodenlegergewerbe, berichtete, dass man für Asbestarbeiten eine Zertifizierung benötigt: "Die Kosten erreichen schnell eine Größenordnung von 50 EUR plus Mehrwertsteuer pro m
2 - das ist dann eventuell teurer als der neue Bodenbelag."
Manfred Weber vermutete allerdings, dass man als korrekt arbeitender Handwerker einen solchen Auftrag nicht bekommen werde: "Manche Auftraggeber werden versuchen, einen Handwerker zu finden, der das Thema Asbest nicht kennt." Zukünftige Hauseigentümer müssen die Asbestsanierung mit in ihre Finanzierung integrieren, was das Budget wahrscheinlich sprengen dürfte. Dr. Frank Gahlmann wies abschließend darauf hin, dass es sich bei der Gefahrstoffverordnung um eine Ausführungsvorschrift des Arbeitschutzgesetzes handele, bei dem es nicht nur, aber auch um Asbest ginge. Die Schutzrichtung gilt den Parkett- und Bodenlegern, die nicht erkranken sollen.
"Renaissance" der Buche
In Zeiten von Eiche-Parkett beobachtet Michael Schmid, Vorsitzender des Verbandes der deutschen Parkettindustrie (VDP), bei seinem Unternehmen Jaso (Jakob Schmid Söhne) einen ganz anderen, auf den ersten Blick überraschenden Trend: "Seit fünf Jahren verzeichnen wir einen Trend zu Buche und Ahorn." Warum das? "Vor 20 Jahren gab es eine große Nachfrage nach Ahorn- und Buche-Parkett, kombiniert mit Buche-Türen, -Treppen und -Küche. "Wer jetzt nur den Fußboden renovieren lassen möchte, entscheidet sich nicht für Eiche-Parkett", so Schmids Überzeugung.
Der VDP-Vorsitzende ging sogar noch weiter: "Wenn die Nutzungsdauer des Parketts und der Renovierungszyklus 20 bis 25 Jahre beträgt, dann müssten wir als Industrie die Produkte eigentlich so lange vorhalten. Aber das können wir natürlich gar nicht." Als Volker Kettler schließlich vorschlug, Böden digital mit Buche-Optik bedrucken lassen zu wollen, brachen die Te Anhänger des Parkettbodens ilnehmer in Gelächter aus. Kettler schlug alternativ vor, einen Buche-Furnier-Boden zu empfehlen. Er hielt es dagegen für illusorisch, jetzt vermehrt Stabparkett aus Buche zu fertigen. Das sei vornehmlich etwas für kleine Spezialanbieter.
Anwendungstechniker für
CM-Messungen eingespannt
Eine andere Frage beschäftigte sich mit der anwendungstechnischen Unterstützung des Handwerks durch die Industrie: "Fühlt sich der Handwerker ausreichend unterstützt?" Ralf Vowinkel machte die Erfahrung, dass die technische Unterstützung nachgelassen habe. "Man muss schon Glück haben, dass der richtige Ansprechpartner für eine Fachfrage gerade greifbar ist, sonst wird man vertröstet." Ralf Wollenberg berichtete von positiven Erlebnissen mit Verlegewerkstoffherstellern: "Wir fragen aber auch nur in kniffligen Fällen an, und missbrauchen die Anwendungstechniker nicht für CM-Messungen, wie es immer wieder vorkommt." Wollenberg ist überzeugt, dass ein Fachhandwerker wissen muss, wie er einen Unterboden zu behandeln hat. "Wenn es Problemstellungen gab, ist die Unterstützung der Industrie eigentlich immer möglich gewesen."
Dr. Thomas Brokamp stellte nüchtern fest: "Der demografische Wandel trifft uns alle und kommt auch in der Verlegewerkstoffindustrie an." Er könne sich nicht vorstellen, dass wir das Beratungsniveau der vergangenen 30 Jahre halten werden. Stattdessen werde es zukünftig noch stärker einen Trend zu Videobeurteilungen und digitalen Filmen zu Schulungszwecken gehen.
Teilnehmer beim TKB-Branchengespräch 2023 waren:
•Thomas Allmendinger, Sachverständiger für Estrich, Parkett und Bodenbeläge
•Dr. Norbert Arnold, TKB / Uzin Utz
•Jörg Baumann, Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz
•Dr. Thomas Brokamp, TKB / Bona
•Dr. Frank Gahlmann, TKB / Stauf Klebstoffwerk
•Volkmar Halbe, Fachverband der Hersteller elastischer Bodenbeläge
•Volker Kettler, Verband der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge
•Michael Schmid, Verband der deutschen Parkettindustrie
•Hartmut Urbath, TKB / PCI Augsburg
•Ralf Vowinkel, Zentralverband Raum und Ausstattung
•Manfred Weber, Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik
•Klaus Winkels, TKB / Industrieverband Klebstoffe
•Ralf Wollenberg, Sachverständiger für das Bodenlegergewerbe
aus
FussbodenTechnik 01/24
(Wirtschaft)