Praxisdialog mit Richard Kille

Verlegewerkstoffe als Baubeschleuniger

Eng getaktete Planungen, Zeitdruck und Fachkräftemangel - die Anforderungen auf der Baustelle verändern sich heute rasanter als in früheren Jahren. Schnelle, einfache, feuchtebeständige, alkaliresistente und planungssichere Verlegewerkstoffe sollen es richten. Der Sachverständige Richard A. Kille benennt im Gespräch mit Uzin-Anwendungstechnikleiter Thomas Schneider die Anforderungen an Verlegewerkstoffe der Zukunft.

Was treibt Verlegebetriebe im Alltag auf der Baustelle aktuell um? Wie verändern sich die Anforderungen von Planern und die Abwicklung von Bauvorhaben? Und welche Eigenschaften werden bei den zu verarbeitenden Verlegeprodukten damit wichtiger? Die Fragen erörterte Thomas Schneider, Anwendungstechnikleiter bei Uzin, mit dem Sachverständigen Richard Kille vom Kölner Institut für Fußboden und Raumausstattung (IFR) auf einer Uzin-Fachpresseveranstaltung in Berlin.

Herr Kille, seit 1991 führen Sie Ihr Sachverständigenbüro in Köln, erleben als Gutachter und Handwerksmeister mehrerer Gewerke der Fußbodentechnik die tägliche Praxis auf der Baustelle quasi im Wandel der Zeit. Wie beurteilen Sie die generelle Beschleunigung von Verlegearbeiten und welche Anforderungen an Verlegeprodukte leiten Sie daraus ab?

Richard Kille: Früher kannten wir unsere 24 Bodenleger-Stunden - abends um 6 Uhr wurde gespachtelt, morgens um 6 Uhr ging es weiter. Diese Zeitfenster sind angesichts der kontinuierlich gestiegenen Kosten am Bau dramatisch gesunken. Heute vergibt der Planer Aufträge mit festen Daten der Fertigstellung - und mit der Konventionalstrafe der Nichtfertigstellung. Für ihn ist die Fußbodenkonstruktion von der Dämmschicht bis zum Bodenbelag "ein Bauteil", dem ein enges Zeitfenster in der Bauplanung zugebilligt wird.

Nehmen wir das Beispiel Estrich. Ich kenne kaum eine Baustelle, auf der dem Estrich keine Additive zugefügt werden - sei es zur Frühfestigkeit oder zur schnelleren Trocknung. Und diese Situation setzt sich fort. Der Planer braucht heute eine zuverlässige Zeitangabe - und das wiederum bedeutet für den Bodenleger, dass er Produkte braucht, von denen er weiß, wann sie trocken sind.

Früher sagte man, die Spachtelmasse ist "trocken", heute spricht man von "Belegreife". Was nicht bedeutet, dass die Spachtelmasse trocken ist - sie ist fest und erhält die erforderlichen Eigenschaften, um den Bodenbelag möglichst schnell aufnehmen zu können

Kille: Wir alle kennen in Produktdatenblättern die Formulierung "begehbar nach 24 Stunden, Endfestigkeit nach 72 Stunden." Bekanntermaßen haben Klebstoffe in der Regel aber ihre Endfestigkeit erst nach ein bis drei Wochen erreicht. Und kaum ist der Bodenbelag verlegt, kommt auch schon der Umzugswagen. Deshalb brauchen Verlegebetriebe Produkte, die am besten noch am selben Tag begehbar sind. Ich nenne sie "Baubeschleuniger": zuverlässige Vorstriche und Spachtelmassen, die in drei bis sechs Stunden trocken sind, und Klebstoffe mit schneller Endfestigkeit.

Gleichzeitig sollten die Produkte verständlich, einfach und effektiv in der Verarbeitung sein. Was das angeht, muss ich zugeben, dass die Verlegewerkstoffe der Zukunft nicht mehr die sind, die ich mir früher für unser anspruchsvolles Fachhandwerk gewünscht habe. Denn wir müssen uns der Realität des Fachkräftemangels stellen. Verlegebetriebe brauchen heute einfach zu verstehende Produkte - und das beginnt bereits mit einer einfachen Deklaration, mit vielen Piktogrammen und in vielen Sprachen auf den Gebinden. Zeitgemäße Produkte für den Innausbau müssen auch ohne das Verstehen einer Verlegeanleitung funktionieren.

Die Verlegewerkstoff-Sortimente haben sich in den vergangenen zehn Jahren bereits in Richtung der einfachen Verarbeitung verändert. Dazu gibt es mittlerweile viele Video-Tutorials, etwa um das korrekte Anmischen einer Spachtelmasse zu zeigen. Aber unabhängig von seiner Qualifikation trifft der Mitarbeiter auf der Baustelle immer wieder auf kritische Situationen, zum Beispiel wenn die Heizung nicht in Betrieb ist und die geforderten klimatischen Bedingungen nicht gegeben sind

Kille: Die meisten Anfragen erreichen uns in unserem Gutachter-Alltag, weil eine Spachtelmasse nicht in Ordnung ist. Wenn wir uns das auf der Baustelle dann ansehen, liegt zunächst der Verdacht nahe, dass zu viel Wasser in der Mischung ist. Aber tatsächlich sind zunächst physikalische Naturgesetze wie zum Beispiel der Taupunkt zu hinterfragen: Wurde ein Gebäude komplett durchgespachtelt und die Fenster blieben geschlossen, dann ist der Boden am nächsten morgen fleckig weiß, weil Wasserdampf bei sinkenden Temperaturen zu flüssigem Wasser wird, das auf die Spachtelmasse fällt.

Und deshalb müssen Vorstriche, Spachtelmassen, Klebstoffe und Sonderprodukte künftig handwerkliche und baupraktische Unzulänglichkeiten ein Stück weit verzeihen: Das heißt keine 15 °C-Unterbodentemperatur, keine 18 °C-Lufttemperatur, ein Stück weit mehr als 65 %- oder maximal 75 %-Luftfeuchte. Die Produkte, die wir in Zukunft brauchen, müssen so etwas verkraften können.

Auch eine gewisse Restfeuchte aus dem Untergrund zu verkraften, lautet eine relevante Anforderung. Dieses Thema ist bekanntermaßen komplex. Aber wenn Zementestriche heute mit dem Mischungsverhältnis 1:8 statt 1:5 hergestellt werden, verändern sie ihre Ausgangsfeuchte. Muss sich der Verarbeiter auf einmal mit Feuchtigkeit beschäftigen, die zusätzlich aus dem Estrich kommt?

Kille: Richtig, neue Messwerte, neue Grenzwerte - und der Verleger kennt sie zum Teil nicht. Er kann lediglich die Regeln des Fachs beachten, eine CM-Messung und zusätzlich eine KRL-Messung durchführen. Ich würde nebenbei erwähnt noch ein Stück Folie auf den Estrich kleben, möglichst in einen Bereich mit Sonneneinstrahlung, und am nächsten Tag nachsehen, ob sich darunter Wassertropfen gebildet haben.

Aber die Anforderung sollte natürlich eine andere sein, nämlich die nach feuchtigkeitsbeständigen Vorstrichen, Spachtelmassen und Klebstoffen. Die Produkte sollten alkalibeständig und konventionell auf Untergründen mit erhöhter Feuchte verarbeitet werden können.

Die Forderung nach der Verarbeitung von Verlegewerkstoffen im System ist generell nicht neu. Was ist konkret der neue Ansatz?

Kille: Neu ist, dass künftig feuchte- und alkaliresistente Systeme integriert werden. Bei immer schneller werdendem Bauablauf besteht in Zukunft nicht nur die Anforderung der schnellen Aushärtung und Trocknung der Produkte, sondern auch die der Feuchtebeständigkeit und in der Folge auch der Alkalibeständigkeit in Bezug zu mineralischen Untergründen.

Darüber hinaus stellt der Innenausbau im Bestand in Zukunft noch weitere neue Anforderungen an das bodenlegende Handwerk: Für energetische Sanierungen werden zukünftig dünne Heizestriche benötigt - möglicherweise auch Dämmschichtsysteme, die zur Wärmedämmung auf den Estrich kommen. In der Vergangenheit haben sich die Verlegebetriebe hier aber rein auf die Dämmung des Trittschalls fokussiert.


Der Sachverständige Richard Kille
IFR KölnInstitut für Fussboden- und Raumausstattung

Pestalozzistraße 23
50767 Köln
Tel.: 02 21 / 590 70 41
info@kille-koeln.de
www.kille-koeln.de

Bestellung:
Von der Handwerkskammer zu Köln öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Raumausstatter- und Parkettleger-Handwerk, Bodenleger-Gewerbe und Estrichleger-Handwerk (Teilgebiet Hohlraum- und Doppelboden).

Vita
-Ausbildung aus Raumausstatter
-seit 1974 praktische Berufserfahrung mit dem Schwerpunkt Fußbodentechnik im Objekt- und im Privatbereich
-kaufmännische Ausbildung und Tätigkeit im europäischen Branchenhandel
-seit 1988 überregional tätig als Sachverständiger
-seit 1991 Leitung des Institutes für Fußboden und Raumausstattung, aus dem 1995 die IFR Sachverständigenbürogesellschaft für Fußbodentechnik und Raumausstatter entstanden ist
Verlegewerkstoffe als Baubeschleuniger
Foto/Grafik: Uzin
Zu den Verlegewerkstoffen der Zukunft aus dem Hause Uzin gehört die neue Spachtelmassen-Technolgie Fusion Tec.
aus FussbodenTechnik 02/24 (Sortiment)