W. Classen GmbH & Co. KG
"Mit Ceramin hat Classen einen enormen Know-how-Vorsprung"
Classen bringt die PVC-freie Fachhandelskollektion Nuva aus Ceramin auf den Markt - mit Designbelägen zum Klicken und Kleben. Erste Verlegungen in den USA und Deutschland stießen auf positive Resonanz.
BTH Heimtex: Im April 2024 erfolgt bei Classen der offizielle Launch der neuen Ceramin-Kollektion Nuva. Was zeichnet das Konzept aus?
Dirk Beneke: Mit Nuva haben wir ein europäisches Fachhandelskonzept aufgebaut, ein sogenanntes Baukastensystem mit PVC-freien Designbelägen aus Ceramin zum Klicken und zum Kleben, die sehr dimensionsstabil sind. Das Portfolio umfasst zum Großteil Holzdekore. Separat haben wir noch die Kollektion Rock mit reinen Fliesendekoren für den Fliesen- und Sanitärhandel, weil sich in der vorbereitenden Marktanalyse klar ergeben hat, dass man hier nach Zielgruppen separieren muss.
BTH Heimtex: Klick-Beläge aus dem PVC-freien Werkstoff Ceramin hat Classen seit 2015 im Programm; neu sind hier die Lösungen zum vollflächigen Verkleben fürs Objekt.
Céline Quervel: Das ist unser Produkt Ceramin Flex; in der Fachhandelskollektion Nuva heißt es Nuva Flex. Weil wir erstmals in die Produktkategorie Dryback für den Objektbereich eingestiegen sind, haben wir unsere Ceramin-Kapazitäten in den letzten zwei Jahren verdoppelt - auf ca. 20 Mio. m
2 pro Jahr.
Beneke: Als Zielgruppen bzw. Einsatzgebiete sehen wir einerseits vor allem Wohnungsbauunternehmen und Einfamilienhäuser und andererseits den gewerblichen Bereich mit Hotellerie, Gastronomie und Verwaltungsgebäuden. Insofern haben wir sowohl Endkunden-orientierte Dekore als auch Objektdekore dabei. Rund 90 % sind Eichenoptiken. Wir haben uns aber auch getraut, neue Holzoptiken hereinzunehmen, Walnuss zum Beispiel, auch Nadelholz. Die Laufzeit der Kollektion beträgt drei Jahre, außerdem werden wir sie jährlich ergänzen.
BTH Heimtex: Nuva wird ausschließlich digital bedruckt; wird auch digital strukturiert?
Quervel: An unserem Produktionsstandort Kaisersesch haben wir drei Digitaldrucklinien in Betrieb; diese Technologie beherrschen wir ausgesprochen gut. Draußen kommen jetzt verstärkt Maschinen an den Start, die das DLE+-Verfahren (Digital Lacquer Embossing; A.d.R.), also die digitale Strukturlackierung einsetzen. Diese Technologie ist sehr teuer, vor allem wegen der eingesetzten Strukturlacke. Auch wir verfügen über ein DLE-Aggregat und bieten ein kleines, digital strukturiertes Sortiment an.
Für das Volumengeschäft ist das allerdings preislich weniger attraktiv. Daher liegt unser Fokus aktuell auf einer supermatten Oberfläche. Es ist aber gut möglich, dass wir im Rahmen unseres Nuva-Baukastensystems noch andere Strukturen ergänzen.
BTH Heimtex: Nuva ist als Ceramin-Kollektion PVC-frei, wodurch unterscheidet sie sich von anderen PVC-freien Kollektionen?
Beneke: Ceramin wird mit PP hergestellt und hat deutliche technische Vorteile gegenüber PU- oder PET-gebundenen Bodenbelägen. Das ist auch bestätigt; wir sind viel stabiler und wertiger unterwegs - und mit einem großen Erfahrungsschatz. Außerdem sind alle Klick-Beläge der Nuva-Kollektion mit Trittschallkaschierung ausgestattet. Auch die basiert auf PP; wir haben also einen Mono-Aufbau. Von daher sind wir in Sachen Recyclingfähigkeit weit vorn.
Quervel: Hinzu kommt, dass PP ein Kunststoff ist, den wir in Deutschland im Gelben Sack finden. Tatsächlich handelt es sich bei mindestens 80 % des PP, das bei uns für Ceramin zum Einsatz kommt, um Recycling-Material.
BTH Heimtex: Im Klick-Bereich sind Ihre Produkte praxiserprobt, aber die Dryback-Produkte für den Objektbereich sind neu für Sie. Gibt es hier erste Erfahrungen?
Quervel: Mit der Verlegung haben wir uns intensiv auseinandergesetzt. Unser neuer Vertriebspartner, der amerikanische Bodenkonzern Shaw, ist im Bereich des Commercial-Marktes der größte Player. Gemeinsam haben wir zahlreiche Testverlegungen in den USA durchgeführt: an Schulen, im Gesundheitswesen und in öffentlichen Einrichtungen. Und wir haben von Shaw und den Verlegern durchweg positives Feedback bekommen; das belegen auch die Testergebnisse und die technischen Daten. Zusätzlich wurden in Deutschland Verlegungen durchgeführt, unter anderem durch den Sachverständige Richard Kille - ebenfalls mit sehr positiven Rückmeldungen. Weil Ceramin Flex etwas steifer ist als gängige LVT-Planken, sei das Handling angenehmer.
Ein weiterer Vorteil von Ceramin Dryback besteht darin, dass bei der Deinstallation vergleichsweise wenig Klebstoff und Estrichreste an dem Material haften bleiben, obwohl die Bodenhaftung genauso gut und sicher ist wie bei PVC-Belägen. Das ist vorteilhaft für den Recyclingprozess.
BTH Heimtex: Wer sind Ihre Zielkunden für das Nuva-Konzept, und wie treten Sie an diese heran?
Beneke: Nuva ist eine reine Fachhandelskollektion, die wir über den Großhandel in den Markt bringen. Zielkunden sind demnach der europäische Bodenbelagsgroßhandel, der Malergroßhandel, zum Teil auch der Holz- und der Baustoffgroßhandel, sofern er zu unserem selektiven Vertriebskonzept passt. Ebenfalls der Fliesengroßhandel, der sich in den letzten Jahren verstärkt den Designbelägen widmet - daher unsere separierte Nuva-Kollektion Rock mit Steindekoren. Classen ist in vielen europäischen Ländern eher eine Fachhandelsmarke. Das wollen wir auch auf dem D/A/CH-Markt stärker vorantreiben.
BTH Heimtex: Ist es nicht schwierig, in Zeiten einer Baukrise Kunden für einen neuen Bodenbelag zu gewinnen?
Beneke: Es ist richtig, dass im Großhandel 2023 eigentlich alle in Konsolidierung gegangen sind. Gleichzeitig sieht der Handel, dass er sich dem Konzept PVC-Freiheit widmen muss, weil hier ein stark wachsender Bedarf besteht, gerade im Objektbereich. Trotz Baukrise suchen alle verstärkt nach emissionsarmen, PVC-freien Produkten für den Wohnungsbau, für Hotels, Altenheime, öffentliche Gebäude. Der Privatkunde hat zwar derzeit Geld, spart es aber erst mal - zumindest im Raum D/A/CH. In Osteuropa etwa wächst die Bauwirtschaft schon wieder. Wir sind seit Spätsommer/Herbst mit Nuva im Prelaunch bei den einschlägigen europäischen Zielkunden, die wir im selektiven Vertriebssystem beliefern, und bekommen sehr viele Listungszusagen.
BTH Heimtex: Sie gehen also ausschließlich über den Großhandel ans Objekt?
Beneke: Ja, da wir bisher nicht im Objektvertrieb aktiv waren und diesen gemeinsam mit unseren Großhandelspartnern bearbeiten. Ab dem zweiten Halbjahr 2024 wollen wir aber intensiver in den Vorverkauf einsteigen, um die Platzierung des Werkstoffes Ceramin zu propagieren. Wir denken an einen Messeauftritt auf der Architect@Work und kontaktieren die großen Immobilienunternehmen in Deutschland.
BTH Heimtex: Neben den Markenkollektionen bietet Classen seine Ceramin-Beläge als White-Label-Ware an - sogar als Vorprodukte zur industriellen Weiterverarbeitung.
Beneke: Auch unsere Mitbewerber sind auf der Suche nach PVC-freien Produkten, und wir können sie bedienen. Wir haben ja bereits vor über zehn Jahren mit der Ceramin-Entwicklung angefangen und dadurch einen Technologie- und Know-how-Vorsprung gegenüber anderen PP-Herstellern.
Quervel: Hier herrscht noch enormes Wachstumspotenzial. Der Designbelagsmarkt ist gigantisch groß, und der Anteil der Non-PVC-Beläge liegt in Europa derzeit bei 6 bis 10 %. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sehen wir deutliche Entwicklungen in Richtung 15 bis 20 %; treibend sind vor allem der skandinavische und der D/A/CH-Markt. Im Markt der Non-PVC-Designbeläge können wir wohl die kostengünstigste Alternative bieten, die aktuell möglich ist. Wir haben die Möglichkeit, 20 bis 25 % günstiger zu sein als herkömmliche PVC-freie Beläge.
BTH Heimtex: Wie ist es um die Nutzungseigenschaften von Ceramin bzw. PP bestellt - im Vergleich zu PVC?
Quervel: Die sind tatsächlich besser. Wir sind ganz schnell dahintergekommen, dass wir mit einer hochwertigen 0,3mm starken Folie aus PP mindestens genauso gute Werte erreichen wie mit einer 0,5 mm starken Folie aus PVC. Das können wir durch Laborwerte belegen, und so lässt sich wertvolles Material sparen. Das wollen wir auch noch stärker über die Beanspruchungsklassen kommunizieren.
BTH Heimtex: PVC ist grundsätzlich kein Teil des Classen-Portfolios
Quervel: Das stimmt, von Beginn an fokussieren wir uns ausschließlich auf den Non-PVC-Bereich. Auch darin unterscheiden wir uns stark von anderen Anbietern PVC-freier Produkte aus dem europäischen wie auch aus dem asiatischen Raum: Die werden nicht unbedingt sortenrein in den Anlagen gefertigt, sondern etwa auch in Kalanderanlagen, durch die vorher PVC geflossen ist. Bei uns in Kaisersesch kann es keinerlei Verunreinigungen geben.
BTH Heimtex: Einen Teil des Recycling-Granulats für Ceramin hat HC Plastics geliefert, ein Joint Venture zwischen Classen und Hündgen, Betreiber von Wertstoffsortieranlangen. Ende letzten Jahres hat HC Plastics Insolvenz angemeldet. Wie geht es hier weiter?
Quervel: Es gab Unstimmigkeiten zwischen uns und den anderen Gesellschaftern, insofern war das Konstrukt nicht mehr tragbar. Allerdings haben wir ohnehin nur rund 20 % unseres Bedarfs an Rezyklaten über HC Plastics bezogen; es ist genügend Material auf dem Markt vorhanden, auf das wir zurückgreifen können. Wir geben das Konzept aber nicht auf, auch wenn es diesmal nicht funktioniert hat.
BTH Heimtex: Letztes Jahr hat Classen eine neue Nachhaltigkeitsabteilung um Sebastian Wendel und Julie Quervel ins Leben gerufen. Was passiert dort?
Quervel: Hier laufen fleißig Vorstellungsgespräche, es gibt jede Menge zu tun! Aktuell sammeln wir alle im Unternehmen befindlichen Informationen und tragen sie zusammen, um unsere Aktivitäten zukünftig noch besser im Blick zu haben. Es sind auch verschiedene neue Zertifikate und Dokumente in Planung: zum Beispiel die EPD, die wir gerade fertigstellen. Außerdem wurde der Cradle-to-Cradle-Zertifizierungsprozess Material Health gestartet. Herr Wendel übernimmt dies federführend in der Zusammenarbeit mit dem EPEA. Darüber hinaus stellen wir unseren zweiten Nachhaltigkeitsbericht fertig, den wir im April herausgeben werden.
BTH Heimtex: 2022 stieg der Umsatz bei Classen um 17,5 %. Wie ist das herausfordernde Jahr 2023 für Sie verlaufen?
Quervel: 2023 war definitiv herausfordernd, das ist auch kein Geheimnis. Im Umsatz werden wir fast gar nicht einbrechen, weil wir über alle Bereiche hinweg Preiserhöhungen durchführen mussten, aufgrund einer geringeren Auslastung und Rohstoffpreiserhöhungen. Allerdings ist die Quadratmeterzahl zurückgegangen; die ersten Anzeichen für 2024 deuten darauf hin, dass sich das im zweiten Halbjahr erholen wird. Wir haben sehr viele Neuheiten auf den Markt gebracht und uns intensiv mit der Shaw-Partnerschaft und neuen Technologien befasst, sodass wir sehr gut für die Zukunft aufgestellt sind.
Beneke: Wichtig zu beachten ist auch, dass wir global unterwegs sind. Die Euphorie, die auf dem deutschen Markt noch nicht spürbar ist, klingt in anderen Ländern bereits deutlich an - beispielsweise in den USA, wo wir gerade auf der Messe Surfaces in Las Vegas ausgestellt haben.Die Fragen stellte Meike Stewen.
aus
BTH Heimtex 03/24
(Wirtschaft)