Tapeten-Gipfel

In der Veränderung liegt die Chance

Der Handel muss mit visionären Ideen der immer stärker werdenden Verhandlungsmacht der Kunden begegnen, gemeinsam Probleme lösen und darf Künstliche Intelligenz nicht ignorieren. Das ist das Fazit des sechsten Treffs der Tapetenbranche, diesmal bei Follmann in Minden.

Die Voraussetzungen für den sechsten Tapetengipfel der Initiative "Deutschland tapeziert" hätten nicht besser sein können. Blauer Himmel, zehn Stunden Sonnenschein und Referenten, die den rund 80 Teilnehmern aus Handel und Industrie wichtige Impulse gaben. Gastgeber war das Chemieunternehmen Follmann, das sein Technologie- und Wissenszentrum in Minden für das Branchentreffen zur Verfügung gestellt hatte. "Wir vereinen hier in angenehmer Atmosphäre all diejenigen, die gemeinsam dazu beitragen können, das wunderbare Produkt Tapete an den Kunden zu bringen", erläuterte der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Henrik Follmann das Ziel des Gipfels.

Mit "gemeinsam" lieferte er im Anschluss an die kurze Begrüßung durch den Geschäftsführer des Verbands der Tapeten (VDT), Karsten Brandt, und den Vorsitzenden Michael Caspar das Stichwort, das sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog. Ein gemeinsames Vorgehen, mahnte Follmann, dürfe aber nicht dazu führen, ausschließlich bewährte Pfade zu beschreiten. "Man muss vorangehen und Dinge anders machen als bisher", appellierte er an die Branche.

Handel im Umbruch

Dr. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln, zeigte auf, dass vor allem in Krisen die Chance für Neuentwicklungen lägen. "Der Kühlschrank, die elektrische Rechenmaschine und Penicillin entstanden in Krisenzeiten", betonte sie und verwies darauf, dass auch in der aktuellen, von Pandemie, Kriegen, Klimakrise und Inflation geprägten Phase zahlreiche Start-ups mit Innovationen auf den Markt kämen.

In ihrem Vortrag "Umbruch auf der Fläche - Handel und Konsumentenverhalten in der VUCA-Welt" beschäftigte sich Stüber mit den drastisch veränderten Kundenanforderungen und Wettbewerbsbedingungen der vergangenen Jahre. V steht für Volatilität, U für Unsicherheit, C für Komplexität und A für Ambiguität. Sie machte darauf aufmerksam, dass sich angesichts der verschiedenen Krisen die Kundenanforderungen verändert hätten. Zudem werde die Verhandlungsmacht der Kunden durch das Internet immer größer. Das Online-Wachstum habe in allen wichtigen Produktgruppen deutlich zugenommen.

War nach Auskunft der Referentin in den Vorjahren Preissensibiliät für viele Verbraucher allein wichtig, komme nun auch das Bewusstsein für Nachhaltigkeit dazu. "Preissensibilität und Nachhaltigeitsbewusstsein sind für bereits 16 % der Konsumenten kein Widerspruch mehr", betonte Stüber. Darauf müssten sich die alten und neuen Geschäftsmodelle einstellen.

Aus der Perspektive
des Kunden denken

Trotz vieler Veränderungen und Unwägbarkeiten sieht die Expertin aber auch in Zukunft Chancen für den Handel. Sie riet ihm, Visionen zu entwickeln, konsequent zu handeln, den Service zu verstärken und sowohl stationär als auch online aktiv zu sein. Im Mittelpunkt aber müsse der Kunde stehen. Alle Aktivitäten sollten von seiner Warte aus überlegt und umgesetzt werden. Dies bedeute, auch mal mit dem Wettbewerb nach individuellen Lösungen zu suchen. So könnte beispielsweise ein Händler, der ein Produkt in einer geforderten Größe nicht vorrätig habe, nach diesem bei einem anderen Händler zu fragen. "Der Tapetengipfel macht vor, wie man gemeinsam etwas weiter entwickeln kann", lobte Stüber das Zusammentreffen der Branche.

Gemeinsamkeit war auch wieder das Stichwort von Malermeisterin und Social-Media-Expertin Nicole Schneider. Sie rief Industrie, Handel und Handwerk zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf, um Tapete wieder zu einem attraktiven Einrichtungselement zu machen. Sinnvoll sind ihrer Meinung nach auch Workshops, in denen der Maler mehr über die Tapete und ihre Verarbeitung lernt. Sie müsse vom Handwerk teilweise neu entdeckt werden. Dazu ist der VDT nach Auskunft seines Vorsitzenden Michael Caspar mit dem Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz im Gespräch.

"KI bestimmt die Werbung"

Einen wichtigen Teil der Vortragsreihe nahm die Künstliche Intelligenz ein. Meike Brendel und Daniel Heitkamm von der Agentur Republic of Yes zeigten auf, wie KI-Programme schon heute als Assistenten im Design und Marketing eingesetzt werden können. Sie empfahlen der Branche, KI-Abteilungen in den Unternehmen aufzubauen.

Arne Stock, Co-Gründer und Geschäftsführer der Suchmaschine für Einrichtungen moebel.de, fügte hinzu: "KI-Tools sind nach der Einführung des Internets die fünfte industrielle Revolution." Die Werbung der Zukunft werde KI-basiert sein. So ließen sich Umsätze steigern und Kosten senken. Bezogen auf die Tapetenbranche erläuterte Stock die Vorteile, die KI in Verbindung mit optimal aufbereiteten Daten biete und zeigte, wie die visuelle Suche bereits heute Text ablöst. Das erleichtere es dem Nutzer, Tapetenmuster zu finden, die seinen Vorlieben entsprächen.

Gemeinsam diskutierten die Gipfel-Teilnehmer am Abend auf der Dachterrasse über die zahlreichen Anregungen und ließen es sich zwischendurch nicht nehmen, im Vorfeld der Fußball-EM an einer Torwand und Fußball-Schussanlage die eigenen spielerischen Fähigkeiten zu testen. Der Wettbewerb, bei dem EM-Trikots zu gewinnen waren, rundete das Branchentreffen ab.
| Cornelia Küsel
In der Veränderung liegt die Chance
Foto/Grafik: DTI
Zum sechsten Tapetengipfel kamen auf Einladung der Brancheninitiative "Deutschland tapeziert" rund 80 Vertreter aus Handel und Industrie zu Follmann nach Minden.
aus BTH Heimtex 07/24 (Wirtschaft)