TKB: Vorsitzender Dr. Norbert Arnold in der Diskussion mit Sachverständigen

Wann ist ein Estrich belegreif?

Kein Expertentreffen ohne die bekannte Frage: Wann ist ein Estrich belegreif? Immer wieder der gleiche Zwist: Wie kann der Parkettleger das am besten feststellen? Auf der BVPF-Sachverständigentagung nahm sich Dr. Norbert Arnold (Uzin) in seiner Funktion als TKB-Vorsitzender des Themas an. Seine provokante Überschrift: "Beschleunigte und magere Zement-Estriche - fette Schäden?"

Eigentlich geht es gar nicht um den Estrich selber. Wie er hergestellt und aus welchen Materialien er zusammengesetzt ist, ist Sache des Estrichlegers und für den Parkettleger in der Regel nicht zu erkennen. Letztlich geht es um Belegreife und Feuchtemessung. Welche Methode verspricht dem Parkett- und Bodenleger eine Arbeit ohne spätere Reklamation?

Zeit ist Geld, heißt es am Bau. Und deswegen sind, laut Dr. Norbert Arnold, knapp die Hälfte der Zementestriche am Markt so zusammengesetzt, dass sie eine schnellere Belegreife erzielen sollen. Es handelt sich in diesen Fällen überwiegend um sogenannte beschleunigte und zu einem geringen Teil um magere Zementestriche. Letztere zeichnen sich durch einen niedrigen Anteil an Zement und/oder Bindemittel aus. Daher trocknen sie flotter als ein zementreicher Estrich. Laut Arnold sind magere Estriche jedoch bei 2,0 CM-% noch feucht und nur mit der KRL-Messung könne ihre Belegreife sicher beurteilt werden.

Beschleunigte Estriche wiederum werden im TKB-Merkblatt 14 beschrieben und arbeiten mit Estrichzusatzmitteln, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Zum Beispiel mit Luftporenbildnern als Verarbeitungshilfe, mit Fließmitteln zur Wasserreduzierung und mit Erhärtungsbeschleunigern (z.B. Aluminate), die zwar schnellere Härtung, aber nicht unbedingt auch schnellere Trocknung bewirken. Beschrieben sind solche Zusatzmittel in der DIN EN 934-2.

"Zementestriche mit Estrichzusatzmitteln trocknen wie übliche Zementestriche", betont Dr. Arnold und bezieht sich auf eine Untersuchung zum Trocknungsverlauf beschleunigter Estriche. Die hätten zwar eine niedrigere Ausgangsfeuchte, aber die anfängliche chemische Bindung von Wasser (Zementhydratation) und danach ab etwa 5 Tagen Liegezeit die überwiegend physikalische Trocknung verlaufen gleichartig. Dr. Arnold: "Bisher gibt es keinen Anhaltspunkt, dass beschleunigte Estriche wesentlich andere Ausgleichsfeuchten haben als normale Estriche."

Estriche mit Zusatzmitteln trocknen also auf die gleiche Weise wie übliche Zementestriche. Dennoch ist es ihr erklärtes Ziel, die gewünschte Belegreife früher zu erreichen. Ob und wann das der Fall ist, kann nur eine Feuchtemessung ergeben. Und da beginnt das altbekannte Problem: Wann soll man messen? Wo soll man messen? Mit welchen Geräten darf man messen?

Der Belegreifegrenzwert von 2,0 CM-% entspricht etwa einem KRL-Wert von 80 % relativer Luftfeuchte. Reicht es also oder ist es sogar geeigneter, mit der neueren KRL-Methode die relative Luftfeuchte zu ermitteln, statt mit der traditionellen CM-Methode den Wassergehalt im Estrich aufzuspüren? Da bleiben die Lager gespalten. Handwerker sind die CM-Messung gewohnt. Sie gilt als baustellengerechtes Verfahren, ist anerkannte Regel der Technik und in verschiedenen Merkblättern, Normen und Fachbüchern beschrieben. Dagegen befürworten Techniker von Verlegewerkstoffherstellern zunehmend die KRL-Methode. Ihr Ansatz: Wichtig für den Oberbelag ist am Ende nicht, wie viel Wasser sich im Estrich befindet, sondern wie viel nach oben entweicht. Und das, so Dr. Arnold als Sprecher der TKB, könne nur mit der korrespondierenden relativen Luftfeuchte (KRL) bestimmt werden.

Es geht um die Zeit, in der Wasser entweicht

Dr. Arnold: "Die Messwerte einer Estrichtrocknung verlaufen nicht gradlinig. Würde man jeden Tag CM-% messen, würde der Wert mal runter, mal wieder hoch gehen. Messfehler der CM-Methode liegen geschätzt bei 10-15 %. Tägliche KRL-Messungen haben dagegen einen Messfehler von nur etwa 3 % ergeben. Das wurde im TKB-Bericht Nr. 8 publiziert." Die Mess-Ungenauigkeit beim CM-Wert rühre nicht vom Gerät her, erklärt Arnold, sondern von der Estrichprobe, die nicht homogen sei. Weil der Feuchtegehalt vom Mischungsverhältnis des Estrichs abhänge, komme es darauf an, wie der Estrichleger seinen Estrich gemischt hat. Die Feuchte stecke nicht im Sand und Zuschlagsstoff, sondern im Bindemittel, nämlich dem Zement.

Und hier, so Arnold, komme der Unterschied der zwei Messmethoden zum Tragen. Eine CM-Messung sei abhängig von Prüfgutmenge und Zementmenge. Messfehler entstünden zusätzlich durch die Probenahme. "Daher kann es keinen CM-Grenzwert für alle Untergründe geben." Bewährt hätte sich der 2,0 CM-%-Wert zwar trotzdem, aber die KRL-Methode hätte weniger Unsicherheitsfaktoren, weil Zementmenge, Mischungsverhältnis und Menge des Prüfgutes keine Rolle spielen würden.

Sachverständigenobmann Manfred Weber pflichtet Dr. Arnold in einer Sache bei: "Es gibt nicht den ,einen’ Estrich. Deshalb müssen wir anerkennen, dass es Messverfahren mit Erfahrungswerten gibt, die durchaus zu guten Ergebnissen führen." Andererseits sieht Weber auch die Gewohnheit des Handwerkers. "Damit wir Messfehler überspielen können, ist der Wert von 2,0 CM-% geeignet. Ich habe die Erfahrung, dass man auch bei 2,4 CM-% Parkett verlegen kann. Das ist aber nicht allgemein verbindlich."

Wie sieht es bei einem Calciumsulfatestrich aus? Dr. Arnold: "Ein Zementestrich (CT) enthält bei 2,0 CM-%, die vierfache Wassermenge eines mit 0,5 CM-% gemessenen CA-Estrichs. Das liegt daran, dass Zement als Estrichbindemittel wesentlich mehr Wasser bindet als Calciumsulfat.
Wann gibt es Schäden?

"Bei richtig gemessenen Zementestrichen gibt es keine Schäden. Allerdings hat ein magerer Estrich bei 2,0 CM-% nicht das Sicherheitsniveau eines normalen Estrichs", behauptet Dr. Arnold. "Trotzdem kann er funktionieren." Und weiter: "Feuchteschäden gibt es nur mit den Estrichen, die bei höheren Normwerten als belegreif ausgewiesen werden." Dazu noch einmal die Klarstellung: "Beschleunigte Estriche sind normale Estriche. Wird eine andere Belegreife als 2,0 CM-% ausgelobt, handelt es sich um Sonderestriche."

Die Begriffe sollten nicht verwechselt werden. Sonderestriche sind solche, die eine Belegreife beispielsweise bei Grenzwerten von 2,5 bis 3,5 CM-% versprechen. Grundsätzlich aber darf die Belegreife in keinem Fall als absoluter Maßstab betrachtet werden. Dr. Arnold: "Belegreife ist nur ein vereinbarter Wert, bei dem das Risiko verringert ist, mehr nicht." Es geht für den Parkett- und Bodenleger letztlich also nicht um die technischen Fragen einer Estrichmixtur, sondern um eine "Vereinbarung" in Form der Vertragsverhältnisse. "Der Oberbodenleger darf sich nicht auf die Auslobung eines Estrichproduktes verlassen, sondern muss sich mit dem Bauherrn abstimmen."

Der Ratschlag ist eindeutig: Boden- und Parkettleger schließe einen Vertrag mit Deinem Auftraggeber. Erst wenn der Bauherr die Freigabe gibt, darfst Du auf unbekannte Estriche verlegen. In jedem Fall solltest Du vorsorglich und schriftlich Bedenken anmelden.

Der Estrichsachverständige Oliver Erning hat die gleiche Empfehlung für Parkettleger: "Messe die Feuchtigkeit nach Norm. Und wenn die nicht erreicht wird, wende dich mit Bedenken an deinen Bauherrn oder Auftraggeber. Der ist Vertragspartner." Dem entspricht der Hinweis von Dr. Arnold: "Der Parkett- und Bodenleger muss im juristischen Sinne seine Vertragsverhältnisse und Informationspflichten befolgen, im Zweifelsfall Bedenken anmelden und eine Freigabe der Arbeiten durch den jeweiligen Vertragspartner einfordern."

Doch Realität und Ratschlag sind oftmals widerstreitende Aspekte. Wer meldet Bedenken an, wenn der Bau sich dadurch verzögert? Und welcher Handwerker möchte sich Folgeaufträge verscherzen? Bundesinnungsmeister Peter Fendt: "Der Parkettleger darf sich nicht auf den Estrichleger verlassen, er muss selber die Belegreife feststellen, ob mit Messung oder aus Erfahrung."


Zwei Beispiele für Feuchteschäden

Mosaikparkett: nach vier Wochen Liegezeit Ablösungen im Randbereich. Gemessene Estrichprobe 2,4 CM-%, elektrisch 3,1 CM-% gemessen, KRL-Messung 90,2 % rLf. Holzfeuchte vorab 7,0 - 7,5 %, nach Verlegung 13,8 - 14,2 % - also war das Holz bei Verlegung eigentlich untertrocknet. Der Parkettleger besaß jedoch eine schriftliche Freigabe des Auftraggebers, hatte alles genau dokumentiert und unter den beschriebenen Feuchte-Umständen weitere Räume nicht mehr bearbeitet.

Designbelag: Der Belag stippte auf 300 m2 auf. Die Estrichprobe im Juni ergab 2,1 CM-%, die KRL-Messung 83 % rLf. Fazit: Dieser Estrich war zum Zeitpunkt der Belegung zu feucht, insbesondere für eine Designbelagsart, die auf Feuchte sehr sensibel reagiert.


Norm für Estrich-Festigkeit

In der Estrich-Norm DIN 18560 gibt es keine Festlegung für den Zementgehalt eines "fertigen" Estrichs. Es gibt lediglich Vorgaben für die Festigkeiten. Tendenziell nimmt die Festigkeit mit steigender Zementmenge zu. Das ist auch für den Parkettleger wichtig, denn er braucht eine ausreichende Oberflächenzugfestigkeit, um den Boden dauerhaft sicher kleben zu können.
aus Parkett Magazin 01/22 (Wirtschaft)