TFI Institut für Bodensysteme an der RWTH Aachen e.V.

Die Zukunftsmacher vom TFI


Es wurde vor rund 60 Jahren als reines Teppichforschungsinstitut gegründet, heute erforscht, entwickelt, prüft und zertifiziert das TFI in Aachen alle Produkte für Innenräume und ist vernetzt wie kaum eine andere Institution der Branche. Welche Vorteile diese strategische Neuausrichtung für die Branche eröffnet, erklären Geschäftsführer und Institutsleiter Dr. Bayram Aslan, sein Stellvertreter Dr. Jens-Christian Winkler sowie Stephan Naacke, Vorstandsvorsitzender des TFI.

BTH Heimtex: Im Juni diesen Jahres ist das viel beachtete und von der EU geförderte Kreislaufwirtschaftsprojekt Cisuflo gestartet. Es soll Bodenbeläge in Europa nachhaltiger, ressourcen- und klimaschonender machen und den Marktanteil kreislauffähiger Böden innerhalb der kommenden 15 Jahre auf 80 % erhöhen. Unter den rund 50 Beteiligten aus der europäischen Fußbodenbranche und mit ihr verbundener Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise Forschung und Recycling sowie Behörden befinden sich auch die Verbände Eufca, MMFA und EPLF. Was viele nicht wissen: Das TFI hat das Projekt mitinitiiert und unter anderem die unterschiedlichen Pilotprojekte entwickelt, leitet ein Projektteil und unterstützt den Projektkoordniator Centexbel im Qualitätsmanagement

Dr. Byram Aslan: Das ist richtig. Wir konnten viel zu diesem zukunftsweisenden Projekt beitragen, weil das TFI seit 30 Jahren über eine hohe Kompetenz auf den Gebieten Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Projektierung verfügt. Wir haben beispielsweise das erste Nachhaltigkeitsprojekt der EU zum Thema Recycling von Teppichböden 1995 zusammen mit Partnern auf den Weg gebracht. Allein in 2021 beschäftigen wir uns mit sieben weiteren Projekten zu den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Werden Sie über diese neuen Projekte aktiver und früher informieren als über Cisuflo?

Aslan: Ja. Wir wollen zukünftig die Wahrnehmung des TFI in der Branche und im Markt insgesamt deutlich verstärken.

Warum ist das aus Ihrer Sicht notwendig?

Aslan: Wir haben das TFI in den vergangenen rund dreieinhalb Jahren strategisch neu ausgerichtet. Ich bin im Oktober 2017 zum neuen Institutsleiter und Geschäftsführer der GmbH berufen worden. Im Dezember 2019 wurde Stephan Naacke zum Vorstandsvorsitzenden des TFI-Trägervereins gewählt und Anfang vergangenen Jahres ist die Satzungsänderung des Vereins in Kraft getreten.

Wie ist das TFI heute positioniert?

Aslan: Wir forschen, entwickeln, prüfen und zertifizieren nicht mehr nur in den Bereichen Bodenbeläge und Bodensysteme. Wir sind heute Dienstleister für alle Bau- und Einrichtungsprodukte im gesamten Innenraum wie beispielsweise auch Wand und Decke mit einem ganzheitlichen Ansatz und im Schwerpunkt in den Märkten Bauen und Wohnen. Wir sehen uns als kompetente Ansprechpartner für alle Hersteller von Innenraum-Systemen. Unsere Leitthemen sind Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, Gesundheit, Sicherheit, Komfort und Design. Mit unseren Kompetenzen, unserer Infrastruktur und unserem Netzwerk erarbeiten wir Lösungen für Hersteller, Handwerk und Handel.

Gegründet wurde das TFI 1964 als Deutsches Teppichforschungsinstitut

Dr. Jens-Christian Winkler: Teppichboden und Bodensysteme sind und bleiben weiterhin ein wichtiger Kompetenzbestandteil des TFI. Im Laufe der Jahre ist unser Ansatz allerdings ganzheitlicher geworden, weil Themen wie beispielsweise Innenraumluft, Brandschutz, Nachhaltigkeit, Recycling und Wertstoffkreisläufe effektiver und sinnvoller im Zusammenhang und ganzheitlich behandelt werden können. Unsere vier Prüfbereiche umfassen die Bereiche Bauphysik mit Akustik und Wärme, Brand, Chemie sowie Funktion und Qualität. Wir sind deswegen unter anderem in der Lage, als Überwachungs- und Prüfstelle für das
TÜV-Proficert-Label für Interiorprodukte zu agieren.

Wir haben die Satzung des Vereins Anfang 2020 geändert. Seitdem können nicht mehr nur Hersteller von Bodenbelägen und die entsprechenden Verbände ordentliche Mitglieder des TFI werden. Seitdem steht der Verein allen Unternehmen offen, die Produkte zur Ausstattung und Gestaltung von Innenräumen herstellen sowie deren Zulieferern und Produzenten von Maschinen, Anlagen und Prüfgeräten. Wir bilden mit der Satzungsänderung die Diversifikation unseres Tätigkeitsfeldes der vergangenen Jahre ab.

Wie erhält die Industrie Zugang zu Ihren Forschungsergebnissen, die die Basis für neue Produkte sind?

Aslan: Das hängt davon ab, wie das Projekt gefördert und aufgehängt ist und welche Vereinbarungen zwischen einem Hersteller und dem TFI geschlossen wurden. Das reicht von komplett öffentlich zugänglichen Ergebnissen auf einer vorwettbewerblichen Stufe bis zu Projekten der Auftragsforschung, deren Ergebnisse ausschließlich einem einzelnen Hersteller, dem Auftraggeber, zur Verfügung stehen.

Winkler: Wir sind sehr nah an der Industrie, um zu gewährleisten, dass sich unsere Forschungsergebnisse entfalten. Deswegen ist der wissenschaftliche Beirat des TFI essentiell für unsere Arbeit. Dort tauschen wir uns mit den Herstellern sehr eng und regelmäßig über laufende und zukünftige Projekte aus. Sie bewerten die Projektideen und klopfen sie auf Marktfähigkeit ab. Das Thema Technologietransfer ist für uns sehr wichtig.

Ihre Neuausrichtung ist umfassend, weil Sie jetzt den gesamten Innenraum in den Fokus nehmen. Können Sie das von der Infrastruktur in Verein, Institut und GmbH denn auch abbilden?

Winkler: Definitiv. Das TFI verfügt über eine große Anzahl von Mitarbeitern, Laboren, Maschinen und Apparaturen. Hier wird beispielsweise getuftet, geschoren, beschichtet, laminiert, umgeformt, gedruckt und verpresst. Was das Wissen über Bauprodukte angeht, gibt es wohl nur sehr wenige Institute, bei denen alles aus einer Hand kommt. Wenn ich als Hersteller oder Händler eine Rund-um-Serviceleistung für mein Produkt bekommen möchte, bin ich beim TFI richtig. Denn wir liefern nicht nur Ergebnisse aus Forschung, Entwicklung, Prüfungen und Zertifizierungen, sondern können die Ergebnisse mit unseren Partnern aus der Industrie diskutieren und sie auch bei den Herstellern implementieren und begleiten.

Naacke: Und auf der anderen Seite ist das TFI extrem gut vernetzt. Diese Vernetzung hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren erheblich zugenommen. Hier haben sich Leute aus der Branche zusammengefunden, die etwas bewegen und die Zukunft gestalten wollen. Das war für mich mit ein Grund, für den Vorstandsvorsitz des Vereins zu kandidieren, denn ich glaube, dass es sinnvoller ist, seine Kompetenzen zusammenzubringen, als dass jeder alleine in seinem Unternehmen an seinen Entwicklungen sitzt. Zudem sind die technischen und gesetzlichen Anforderungen sowie die Ansprüche im Markt etwa beim Thema Nachhaltigkeit hoch und komplex und verändern sich häufig, so dass das TFI ein kompetenter Partner ist, weil es auch alle relevanten Rahmenbedingungen für die Branche im Blick behält.

Viele Dinge, von denen Sie berichten, sind sehr relevant für die Branche, aber wenig bekannt

Winkler: Richtig. Das TFI ist ein Wissensriese aber gleichzeitig ein Kommunikationszwerg - noch. Denn das wird sich in Zukunft ändern.

| Das Gespräch führte Jochen Lange


Bayram Aslan, Leiter TFI - zur Person
Der 44-jährige, promovierte Maschinenbauer, Diplom-Ingenieur mit Vertiefung Textiltechnik und MBA-Absolvent leitet seit Oktober 2017 das TFI, das Institut für Bodensysteme an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und ist seitdem auch Geschäftsführer der ausgegründeten TFI Aachen GmbH.

Jens-Christian Winkler, Leiter Zertifizierungstelle - zur Person
Der heutige Leiter der Zertifizierungsstelle beim TFI, Prokurist und stellvertretende Institutsleiter ist seit 28 Jahren für das Institut tätig. Der 54-jährige Diplom-Ingenieur und -Wirtschaftsingenieur hat an der RWTH Maschinenbau mit Schwerpunkt Textiltechnik studiert und dort auch promoviert.

Stephan Naacke, Vorstandsvorsitzender TFI - zur Person
Der 56-Jährige ist einer der dienstältesten Geschäftsführer der Branche. Seit 22 Jahren ist er Geschäftsführer des Nadelvlies-Spezialisten Findeisen. Darüber hinaus engagiert Stephan Naacke sich in Verbänden; neben seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender des TFI ist Naacke Sprecher der Fachgruppe Teppichboden im Verband der deutschen Heimtextilien-Industrie.


Das TFI
Vom Teppichboden zum kompletten Innenraum

Das TFI wurde 1964 als Deutsches Teppichforschungsinstitut gegründet und hat zahlreiche Qualitäts- und Teststandards für Bodenbeläge insgesamt etabliert. Das Institut ist heute auch sogenanntes An-Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und ist in der Lehre tätig. Im Laufe der Jahre hat das Institut so viele Aufträge für die Prüfung und Zertifizierung von Böden und anderen Produkten erhalten, dass die TFI GmbH als 100 %-ige Tochter des Vereins gegründet wurde. Heute erforscht, prüft und zertifiziert das TFI in eigenen Laboren Produkte aus den Bereichen Bauen und Wohnen in Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, Gesundheit, Komfort und Sicherheit. Das TFI ist beispielsweise autorisiert, TÜV-Label zu vergeben und nach EU-Bauprodukteverordnungen und ISO zu zertifizieren.
aus BTH Heimtex 07/21 (Wirtschaft)