Explodierende Rohstoffpreise

Industrie nennt Versorgungslage existenzbedrohend

Wuppertal. Die explodierenden Rohstoffpreise und Versorgungsengpässe sind für die Industrie existenzbedrohend, warnen mehrere Branchenverbände und mahnen einen fairen Umgang miteinander an. "Das kann nicht mehr lange gut gehen", sagt Martin Auerbach vom Matratzenverband.

Zusätzlich zu den mit der Coronapandemie verbundenen Herausforderungen wird die Wirtschaft zunehmend durch die stockende Rohstoffversorgung und die damit verbundenen Preissteigerungen gequält. Einer Umfrage unter den Mitgliedern der drei Verbände des Kompetenz-Zentrums Textil +Sonnenschutz (Heimtex, ViS, Matratzenverband) zufolge sind praktisch sämtliche Unternehmen betroffen.

Insbesondere Preise für PU-Schaum, Stoffe, Vliese, Federkerne oder Verpackungsmaterialien aus Papier und Pappe sowie Kunststoff steigen seit Ende letzten Jahres kontinuierlich. Ferner wurden Holz, Aluprofile, Latexkerne sowie Garne und Farbstoffe/Textilhilfsmittel als weitere Preistreiber genannt.

Auch die deutsche Möbelindustrie sieht sich derzeit extremen Engpässen bei Holzwerkstoffen, Polstermaterialien, Metallteilen und Kunststoffartikeln gegenüber. Auch bei Verpackungsmaterialien und Transportdienstleistungen wird es zunehmend enger. In einer aktuellen Umfrage der Möbelindustrieverbände (VDM/VHK) berichten 70 Prozent der Mitgliedsunternehmen von produktionsbehindernden Knappheiten. Damit verbunden ist auch eine Verteuerung der Zulieferprodukte. So sind etwa die Beschaffungskosten bei Spanplatten in den vergangenen sechs Monaten um durchschnittlich rund 30 Prozent gestiegen.

Allein im April kam es nach Angaben von Martin Auerbach, Geschäftsführer unter anderem des Matratzenverbandes, zu Preissprüngen im zweistelligen Prozentbereich, die auf die bisherigen Steigerungen noch oben drauf zu rechnen seien. Transporte für Vorprodukte aus Übersee haben sich laut der Verbandsumfrage sogar um ein Fünffaches gegenüber dem Vorjahr erhöht, wobei dies im Mai schon wieder übertroffen zu sein scheint.

Bereits im ausgehenden Jahr 2020 stimmten die Preiskalkulationen der Mitglieder, die nach den Verträgen mit den Abnehmergruppen eigentlich über Monate Bestand haben sollen, vorne und hinten nicht mehr. "Aktuell implodieren die Kalkulationen. Wer heute zu den in 2020 vereinbarten Konditionen liefert, legt ordentlich drauf", sagt Auerbach. In Teilbereichen seien die Unternehmen wegen der Rohstoffverknappung nicht mehr lieferfähig.

Das Phänomen hat aus Industriesicht neben klar erkennbaren Gründen wie dem Ausbleiben des Sommerlochs 2020 auch solche, die im stillen Kämmerlein geplant und initiiert worden sein könnten. Vorlieferanten erhöhten die Preise in einer Form, die wirtschaftlich nicht nachvollziehbar sei, heißt es aus dem Kompetenzzentrum. Neben einem notgedrungenen Umdenken bei der Ressourcennutzung seien nun vor allem die deutschen und europäischen Marktaufsichtsbehörden gefragt, ihre vornehme Zurückhaltung aufzugeben und die Ärmel hochzukrempeln. Denn die enormen Erhöhungen der Rohstoffkosten schlagen sich letztendlich bei den Verbrauchern nieder, sofern die Produkte aktuell überhaupt im Markt verfügbar sind.

Angesichts der angespannten Versorgungslage rufen der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) und der Handelsverband Möbel und Küchen (BVDM) die Branchenakteure zu einem fairen Umgang auf. Informationen zu Materialknappheiten und daraus resultierenden Lieferzeitenveränderungen sollten frühzeitig und offen kommuniziert werden, schreiben VDM-Präsident Elmar Duffner und BVDM-Präsidiumsmitglied Markus Meyer in einem gemeinsamen Appell. Von Handelsseite sollten etwaige Verzögerungen nicht zum Anlass für Sanktionen genommen werden. "Nur gemeinsam werden wir diesen Herausforderungen gerecht werden und sie zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher managen können", betonen VDM und BVDM.
aus Haustex 06/21 (Wirtschaft)