Ausblick: Wirtschaftswandel betrifft auch Klebtechnik

Produkte so lange wie möglich im Kreislauf führen

Das Jubiläum des Industrieverbands Klebstoffe (IVK) bietet auch die Gelegenheit, nach vorne zu schauen und zukünftige Themen für das Geschäftsfeld Boden zu benennen. IVK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Vera Haye ordnet die Auswirkungen des Green Deals für die Klebtechnik ein. Es geht unter anderem darum, nachhaltige Rohstoffe in ein intelligentes Produktdesign zu überführen.

Die Agenda 2030 und die darin formulierten 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen richten sich weltweit sowohl an Regierungen als auch an die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und die Industrie. Sie dienen der Bewahrung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene.

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission im Dezember 2019 den Green Deal vorgestellt, der das Ziel verfolgt, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen der EU bis 2050 auf null zu reduzieren und Europa als ersten Kontinent klimaneutral zu gestalten. Darüber hinaus zielt er auf eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen ab und fordert damit alle Akteure in ihrem Handeln gleichermaßen.

Diese Umgestaltung der Wirtschaft betrifft also auch die Klebtechnik, die in nahezu allen industriellen Bereichen zum Einsatz kommt. Bisher lineare Wertschöpfungsketten müssen zirkulär gestaltet werden und dies bedeutet, dass nicht nur die Produktionen von Werk- und Klebstoffen den Nachhaltigkeitskriterien unterliegen, sondern auch die geklebten Produkte selbst. Es geht also darum, nachhaltige Rohstoffe in ein intelligentes Produktdesign zu überführen und Produkte und Materialien so lange wie möglich im Kreislauf zu führen. Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit der Produkte müssen entsprechend schon während der Designphase berücksichtigt werden.

Energie- und Materialeffizienz
muss kein Widerspruch sein

Während energiesparende Leichtbaukonstruktionen ohne Klebstoffe undenkbar sind, stehen Klebstoffe andererseits in Verdacht, die Kreislaufwirtschaft zu verhindern. Die EU sieht hier einen Zielkonflikt zwischen Energie- und Ressourceneffizienz. Es steht aber fest, dass das Kleben weder die Reparatur noch das Recycling per se verhindert. Das sogenannte Entkleben - also die Demontage von geklebten Teilen - muss von Anfang an Teil der Anforderung an den Produkthersteller sein und in Zusammenarbeit mit dem Klebstofflieferanten im Produktdesign berücksichtigt werden.

Dem Bausektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Der gesamte Lebenszyklus von der Errichtung über die Nutzung bis zum Rückbau des Gebäudebereichs steht deutschlandweit für ca. 40 % des Materialeinsatzes, 52 % des Abfallaufkommens und 40 % der Treibhausgasemissionen. Insbesondere wegen der langen Lebensdauer von Bauwerken wird der starke Handlungsdruck in diesem Sektor deutlich. Aus diesen Gründen gehört das Thema Bauen und Renovieren zu den acht Kernmaßnahmen des Green Deals. Die nachhaltige Entwicklung hin zu einer energiesparenden und ressourcenschonenden Bauweise soll einen wesentlichen Beitrag leisten.

"Debonding on Demand"
als Teil des Produktdesigns

Vor diesem Hintergrund soll die momentan in Überarbeitung befindliche EU-Bauproduktenverordnung sicherstellen, dass die Gestaltung neuer und renovierter Gebäude in allen Phasen den Erfordernissen der Kreislaufwirtschaft entspricht und zu einer Erhöhung der Energie-, Material- und Ressourceneffizienz des Gebäudebestands führt. Unter anderem ist die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen schon heute eine Grundanforderung im Anhang I der Bauproduktenverordnung; hier werden voraussichtlich noch detailliertere Anforderungen an Bauprodukte formuliert werden.

Elastische und textile Bodenbeläge, die geklebt werden, gehören zu den Bauprodukten, die primär im Fokus stehen. Und auch für eben diese geklebten Bodenbeläge müssen innovative Lösungen erarbeitet werden, die einen Rückbau und ein effizientes Recycling ermöglichen. Das schon viel diskutierte "Debonding on Demand" muss Teil des Produktdesigns werden.

Das 9. Forschungsrahmenprogramm der EU - Horizon Europe - hält für den Forschungsbereich Circular (Bio)Economy hohe Fördergelder bereit, die Industrie und Academia für ihren F&E-Aktivitäten beantragen können. Und auch der Gemeinschaftsausschuss Klebtechnik (GAK) bietet Forschungsstellen auf nationaler Ebene die Möglichkeit, ihre mit der Industrie und den Forschungsvereinigungen entwickelten Projektideen zum Thema "Debonding on Demand" einzureichen.


Dr. Vera Haye die Autorin

Dr. Vera Haye ist seit 1.Januar 2021 Hauptgeschäftsführerin des Industrieverbands Klebstoffe.
Produkte so lange wie möglich im Kreislauf führen
Foto/Grafik: Vereinte Nationen
Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) ist ein globaler Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten.
Produkte so lange wie möglich im Kreislauf führen
Foto/Grafik: Europäische Union
Das bedeutet der Green Deal im Detail.
aus FussbodenTechnik 03/21 (Wirtschaft)