Who is Who im Sachverständigenwesen – Der Sachverständige Gerhard Gasser

Keine Angst vor Sonderkonstruktionen


Viele Handwerker scheuen sich, Sonderkonstruktionen einzusetzen. Dass diese in der Praxis durchaus erfolgreich gelingen, zeigt folgendes Beispiel einer großflächigen und dennoch fugenlosen Estrichverlegung in Offenbach. Es beweist, dass Sonderkonstruktionen den anerkannten Regeln der Technik nicht unterlegen sein müssen. Der Sachverständige Gerhard Gasser gibt Einblicke in eine spannende Estrich-Baustelle.

Die Herausforderung
Planer fordert fugenlosen Estrich

Der Helaba Campus in Offenbach am Main erhielt auf einer Fläche von rund 1.400 m einen zementgebundenen Heizestrich. Nach den Vorgaben des Planers sollte die Ausführung fugenlos erfolgen. Laut Normung wären Fugen im Estrich angezeigt gewesen, da es sich um eine deutlich größere Flächenlast als von der DIN 18560, Teil 2, Tabelle 4 abgedeckt, handelte. Eine zusätzliche Anforderung bestand darin, dass die Fußbodenkonstruktion für eine Flächenlast von 15 kN/m, u.a. für den Einsatz von Hubsteigern zur Innenreinigung der Fassadenflächen, ausgelegt sein musste.

Die Ausführung
Estrichmörtel zwischenverdichtet

Zunächst wurde der alte Untergrund oberhalb einer Tiefgaragen-Deckenfläche mit einer hochdruckbelastbaren, gebundenen Ausgleichsschicht begradigt. In diesem Zuge wurden Schichtdicken von bis zu 54 cm ausgeführt, wofür ca. 265 m Duro-Ausgleichsmörtel von Thermotec zum Einsatz kamen. Darauf wurden drei Lagen hochdruckbelastbare, extrudierte Hartschaumdämmplatten verlegt. Auf der PE-Abdeckschicht wurden Baustahlgitter ausgelegt, an denen die Kunststoffrohrleitungen der Fußbodenheizung fixiert wurden. Als Bindemittel für die Herstellung des Estrichmörtels wurde der schwundarme Schnellzement Ardex A58 verwendet.

Weil eine Toleranzgrenze in der Höhenlage des einzubauenden Estrichs nach DIN 18202 nicht festgelegt ist, wurde vertraglich vereinbart, dass, von dem planungsmäßigen Bezugspunkt aus die Höhenlage der Estrichlast-Verteilplatte mit einer maximalen Toleranzgrenze von 2 mm zu verlegen ist. Die Kontrolle ergab, dass dies eingehalten wurde.

Als weitere Vorgabe war festgelegt worden, dass der Estrichmörtel in einer plastischen Konsistenz, mindestens der Biegezugfestigkeitsklasse F6, eingebaut werden musste. Um diese zu erreichen, mussten beide Estrichkolonnen den jeweils vorgezogenen Estrichmörtel zwischenverdichten. Die Estrichkolonnen stellten die Arbeitsflächen lediglich als sogenannte Pressfugen her.

Im Zuge der Estrichverlegearbeiten war die Fußbodenheizung mit einer Vorlauftemperatur von rund 25°C in Betrieb. Als die Belegereife beim Heizestrich vorlag, wurden die Arbeitsfugen der Länge nach 35 mm tief aufgeschnitten. Zum Verfüllen der hergestellten Fugen ist ein niedrigviskoses Reaktionsharz auf Epoxidharzbasis für die kraftschlüssige Beseitigung der Arbeitsfugen verwendet worden. Auf dem Heizestrich wurde im Anschluss eine Imprägniergrundierung auf Epoxidharzbasis appliziert. Danach erfolgte auf der gesamten Fläche der Einbau eines epoxidharzgebundenen Terrazzobodens in einer Dicke von rund 12 mm.

Im Zuge der hergestellten Prismensätzen wurde nach DIN EN 13892-2 die Biegezugfestigkeitsklasse F7N/mm erreicht. Dass die hohen Vorgaben für den Estrich erreicht wurden, konnte durch das Zwischenverdichten des plastisch hergestellte Estrichmörtels sichergestellt werden.

Mein Tipp
Erfahrung geht vor Norm

Der Estrich entspricht formal nicht der DIN 18560, Teil 2. Inwieweit solche Leistungsausführungen daher gelegentlich als Sonderkonstruktionen bezeichnet werden, erscheint nach sachverständigen Sicht nicht sachbezogen, weil auch bei einer Sonderkonstruktion der Erfolg gemäß der geforderten Beschaffenheit erreicht werden muss. Fakt ist, dass diese Ausführung auf der Erfahrung von mehreren Jahrzehnte basiert. Bauherr und Architekt zeigten sich mit Ergebnis voll zufrieden.



Der Sachverständige Gerhard Gasser

Gerhard Gasser ist von der Handwerkskammer Wiesbaden öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk, das Parkettlegerhandwerk, das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk sowie das Bodenlegergewerbe und für Abdichtungstechnik.

Kontakt:
Institut für Bautechnik
und Fußbodenkonstruktionen Gasser
Taubenberg 103
65510 Idstein
Tel.: 0 61 26 / 31 39
Fax: 0 61 26 / 5 61 95
E-Mail: ePost@baulabor.de
Web: www.baulabor.de
Keine Angst vor Sonderkonstruktionen
Foto/Grafik: Gasser
Der 1.400 m2 große zementgebundene Heizestrich im Offenbacher Helaba Campus liegt fugenlos.
Keine Angst vor Sonderkonstruktionen
Foto/Grafik: Gasser
Im Zuge der Estrichverlegearbeiten war die Fußbodenheizung mit einer Vorlauftemperatur von rund 25°C in Betrieb.
Keine Angst vor Sonderkonstruktionen
Foto/Grafik: Gasser
Im Zuge der hergestellten Prismensätzen wurde nach DIN EN 13892-2 die Biegezugfestigkeitsklasse F7 N/mm2 erreicht.
aus FussbodenTechnik 02/21 (Wirtschaft)