Saum & Viebahn Geschäftsführer Andreas Klenk zum neuen Konzept S&V+

BTH Heimtex: Corona ist seit einem Jahr das alles beherrschende Thema. Wie sind Sie bis dato durch die Pandemie gekommen?

Andreas Klenk: Mit dem Ausbruch der Pandemie war eine große Verunsicherung da, denn es wusste ja niemand, wohin die Reise geht. Das hat sich im Lockdown sofort auf die Umsätze ausgewirkt, ganz besonders im Export und im Objektbereich mit teilweise zweistelligen Umsatzeinbußen. Als die Baumärkte wieder öffnen durften, gingen die Aktivitäten beim Verbraucher los und es zeigte sich schnell, dass Urlaubsbudgets umgeschichtet wurden. Wir hatten dann die Situation, innerhalb von vier Wochen vom zweistelligen Minus auf ein zweistelliges Umsatzplus zu kommen, was in der Warenbeschaffung für die Disposition eine extreme Herausforderung darstellte.

BTH Heimtex: Wie haben Sie das gehandhabt?

Klenk: Durch eine frühzeitige, gute Bevorratung, insbesondere mit Produkten aus Asien.

BTH Heimtex: Das heißt, Sie waren durchgehend lieferfähig?

Klenk: Ja, wir hatten eine gute Lieferquote und es war erfreulich, dass es aus unserer Sicht ab Mitte Mai kontinuierlich gut gelaufen ist. Allerdings haben wir im Export ein deutliches Minus zu verzeichnen. Wir trennen zwischen Objekt-, Export- und Warenumsatz - und im Warenumsatz sind wir in einzelnen Produktgruppen bei Saum & Viebahn sogar mit einem guten Plus rausgekommen. Bei Heco haben die Schließungen im Möbelhandel und bei den Fachmarkt-Ketten eine Delle verursacht, aber trotz alledem konnten wir in den Monaten wieder gut aufholen.

BTH Heimtex: Was hören Sie von Ihren Kunden aus dem Handel? Wie kommen die durch die Krise?

Klenk: Auch im zweiten Lockdown zeichnet sich ab, dass das Fachhandwerk nahtlos weiterläuft. Das Handwerk hat gut zu tun und ist bestens ausgelastet. Hier berichten unsere Kunden von leichtem Plus bis hin zu Rekordumsätzen von 30 Prozent Plus. Insgesamt sind alle sehr positiv. Insofern sind wir mit dem Jahresstart 2021 zufrieden, was die Warenumsätze angeht und wir verzeichnen auf überschaubarem Niveau wieder mehr Anfragen im mittelgroßen Objekt.

BTH Heimtex: Haben Sie angesichts der besonderen Umstände spezielle Maßnahmen für Saum & Viebahn und Heco getroffen?

Klenk: Im November war ja bereits abzusehen, dass Lockdown-Maßnahmen der härten Art anstehen. Darauf konnte man sich vorbereiten. Bei beiden Marken reden wir von rund 600 bis 700 Kontakten pro Woche, deshalb stand für uns schnell fest, dass unsere festangestellten Außendienst-Mitarbeiter während des harten Lockdowns im Home Office arbeiten. Damit wollen wir sowohl unsere Mitarbeiter als auch unsere Kunden schützen, denn ein Außendienstmitarbeiter kann sich unter den gegebenen Umständen ganz schnell zum Super-Spreader entwickeln.

Daher haben wir für S & V und Heco unsere digitale Rundreise entwickelt, in der über Filme Emotionen rübergebracht und die Kollektionen digital im Detail vorgestellt werden.

BTH Heimtex: Wie genau funktioniert diese digitale Rundreise?

Klenk: Wir informieren die Kunden über unseren Newsletter darüber und spielen das Thema auch immer wieder über unsere Social Media Kanäle. Parallel dazu vereinbart der Außendienst aus dem Home Office Termine zu einer digitalen Vorlage und Besprechung und bittet die Kunden, sich im Vorfeld auf unserer Homepage die Kollektionsfilme anzuschauen, um vorbereitet in das Gespräch hineinzugehen. Dazu stehen neben den Filmen auch Kollektionsbeschreibungen und digitalisierte Bügel und Möbelstoff-Kollektionen auf der Homepage zur Verfügung.

So können sich unsere Kunden in relativ kurzer Zeit einen guten Überblick verschaffen und der Außendienst kann zielführend durch die Kollektionen gehen. Das funktioniert bei rund 60% der Kunden richtig gut. Wir werden auch nach Corona als Ergänzung zu den Außendienst-Aktivitäten verstärkt in digitale Maßnahmen investieren, um mehr Kunden schneller erreichen zu können.

BTH Heimtex: Das Thema Lieferketten scheint weiterhin in großen Teilen die Achillesferse in vielen Branchen zu sein. Wie sieht das bei Saum & Viebahn und Heco aus?

Klenk: Das ist aktuell eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen. Wir sind glücklicherweise in der Situation, dass wir als kerngesundes und mit guter Liquidität ausgestattetes Unternehmen dastehen und während des gesamten Jahres 2020 sofort reagieren konnten. In den letzten Wochen haben wir insbesondere in der Zusammenarbeit mit unseren Convertern unsere Lagerartikel angeschaut und verstärkt zugekauft, um einfach besser durch die Zeit zu kommen und für die Nach-Lockdown-Zeit gerüstet zu sein. Zusätzlich zum Thema Lieferketten kommen jetzt allerdings noch Transportprobleme hinzu.

BTH Heimtex: Können Sie das konkretisieren?

Klenk: Die Transport Preise per Schiffsfracht haben sich teilweise verdreifacht und vervierfacht. Es gibt einen Container-Rückstau in Asien. Und jetzt, wo die Produktionen größtenteils wieder laufen, verzögern sich dadurch nun die Lieferzeiten um rund ein bis zwei Monate und das bei Transportzeiten von per se sechs bis acht Wochen.

Aktuell berechnen einigen Lieferanten bereits Aufschläge, weil sie diese Steigerung der Transportkosten nicht mehr alleine tragen können. Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, faire Lösungen zu finden. So berechnen wir diese Aufschläge beispielsweise nicht an unsere Kunden, hoffen jedoch, dass sich das nicht noch weiter in der Breite auswirkt.

Bei Flugfrachten, auf die wir in den letzten Jahren immer mal zurückgreifen konnten, sind die Kosten mittlerweile um das Sechs- bis Achtfache gestiegen. Wir haben daher auch nicht die Flexibilität zu sagen, wir holen mal per Flugfracht Ware rein, weil es schnell gehen muss.

BTH Heimtex: Was sind Ihre Strategien, mit dieser Situation umzugehen?

Klenk: Ein wichtiger Punkt für die nächsten Jahre wird das Thema Lieferantenkonzentration sein. Wir werden mit unseren Lieferanten in gemeinsame Entwicklung gehen, um dort mehr Stabilität zu erreichen und im besten Fall mit stabilen Lieferanten noch enger zusammen zu arbeiten.

BTH Heimtex: Heißt das, dass Sie sich mittelfristig von Lieferanten trennen werden?

Klenk: Wir werden uns definitiv von einzelnen Produzenten lösen, und versuchen, insbesondere mit deutschen und europäischen Lieferanten von unserer Seite aktiv Produktionsentwicklungen anzuschieben.

BTH Heimtex: Werden Sie sich in diesem Kontext verstärkt auf Lieferanten aus dem europäischen Raum konzentrieren?

Klenk: Es gibt Produktbereiche wie beispielsweise Black-Outs oder Dim-Outs, die mittlerweile komplett aus Europa abgewandert sind. Hinzu kommt, dass weder die Verbraucher noch unsere Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen.

Daher versuchen wir Lieferanten mit transparenten Lieferketten zu finden, die im Idealfall auch eine Garnproduktion vor Ort haben, um aktiv in eine gemeinsame Entwicklung einzusteigen. Denn die Transportkosten werden auch nach Corona deutlichen Kostensteigerungen unterworfen sein, Stichwort Nachhaltigkeit. Hier sind wir alle aufgefordert, uns wieder stärker mit den Transportwegen und den damit verbundenen Lieferketten auseinanderzusetzen.

Die entscheidende Frage ist, ob wir uns weiterhin auf Rabatt-Schlachten konzentrieren wollen oder ob die Konsumkette vom Objekteur bis hin zum Verbraucher bereit ist, mehr in Qualität zu investieren.

BTH Heimtex: Wie hat sich Ihrer Einschätzung nach das Konsumverhalten verändert?

Klenk: Früher hat man zum Beispiel auf ein Möbel gespart. So lange, bis man es sich leisten konnte. Heute kauft man sich mal schnell hier ein Sofa, dort ein Schränkchen oder eine Fertig-Gardine und ein, zwei Jahre später wird alles wieder rausgeschmissen. Wir müssen alle wieder lernen, bewusster zu kaufen. Ich denke es ist sehr wichtig, dass wir uns wieder hin zu einer wertschätzenden Gesellschaft entwickeln, einer Gesellschaft, die im wahrsten Wortsinn wieder Werte schätzen kann. Und dann sind wir auch bereit, weniger zu kaufen, dafür aber mehr Geld auszugeben.

BTH Heimtex: Die Trendforscherin Oona Horx-Strathern spricht im Zusammenhang mit den Erfahrungen aus dem ersten Lockdown bereits von einer zunehmenden Wertschätzung der Verbraucher für ihr Zuhause

Klenk: In den letzten Jahren wurde Cocooning immer wieder als Wohntrend thematisiert. Doch das war weitegehend blanke Theorie, denn der postulierte Trend hat sich leider nicht in den Umsätzen unserer Branche widergespiegelt. Die reisefreudigen Verbraucher haben ihr Geld lieber in Urlaube investiert als in ihre Einrichtung.

Ausgerechnet durch Corona findet Cocooning nun tatsächlich statt, weil die Konsumenten nicht wie üblich reisen können und stattdessen gezwungen sind, zu Hause zu bleiben. Ich bin überzeugt, dass diese Sonderkonjunktur in 2021 und auch im nächsten Jahr anhalten wird, denn es gibt im Bereich Wohnen noch massiven Nachholbedarf. Ich schätze mal, dass wir frühestens ab Spätsommer dieses Jahres wieder europäisch reisen können, Ferienreisen im großen Stil werden sicherlich erst ab 2023 oder 2024 wieder möglich sein. Ob und inwieweit das dann nachhaltig sein wird, kann heute niemand verlässlich sagen.

BTH Heimtex: Was sind Ihrer Einschätzung nach in diesem Szenario die größten Herausforderungen für den Fachhandel und die Raumausstatter?

Klenk: Ich denke, die größte Herausforderung für den Raumausstatter wird es sein, das Thema "Wertschätzung seiner Dienstleistungen" zu transportieren, den Wert seiner qualitativ guten Beratung für den Verbraucher erkennbar und buchstäblich schätzbar zu machen.

Die zweite große Herausforderung ist im Rahmen der Digitalisierung die Tatsache, dass sich auch das Fachhandwerk stärker mit dem Thema digitale Medien auseinandersetzen muss. Zum einen für sein regionales Image und für die nachwachsende Kundschaft, ganz besonders aber auch, um sich als guter und zukunftsorientierter Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb darzustellen und damit auch für junge Leute attraktiv zu sein.

BTH Heimtex: Kommen wir zu S & V+. Sie machen gerade mit äußerst plakativen Motiven wie bunt gefüllten Eistüten oder bonbonfarbenen Donuts auf sich aufmerksam. Haben Sie neuerdings die Food-Branche im Visier oder was steckt dahinter?

Klenk: Wir wollen weg vom Image des Verbandes und stattdessen hin zu einem echten Mehr-Wert für jeden Saum & Viebahn Kunden, indem wir ihn mit in Zukunft existentiell wichtigen Dienstleistungen unterstützen. Völlig unabhängig von jeglicher Einkaufsverbands-Historie. Stattdessen konzentriert sich unser Konzept auf die für den Raumausstatter wichtigen Zukunftsthemen.

BTH Heimtex: Keines der sehr originellen Motive hat einen Bezug zu unserer Branche. Welche Idee steht dahinter?

Klenk: Die Idee dahinter ist ganz simpel. Wir wollen den raumausstattenden Fachhandel wachrütteln und ihn geschmackvoll ermuntern, aus der Kommunikationsdefensive zu gehen. Ich will jetzt nicht sagen, wir wollen lecker sein, aber wir wollen mit Leckereien und fröhlichen Farben animieren, sich mit den wichtigen Zukunftsthemen auseinander zu setzen. Mit schönen Produktbildern allein werden wir das nicht erreichen.

BTH Heimtex: Was war die Initialzündung zu dieser Kampagne?

Klenk: Lassen Sie es mich so formulieren: Wir leben aktuell in einer schwermütigen Zeit. Die Branche und auch die Werbung lechzen wieder nach Farben, Formen und Sprache aus der Zeit des Wirtschaftswunders aus den sechziger Jahren. Nach Fröhlichkeit, Ehrlichkeit und Leichtigkeit. Das waren die Ausgangspunkte, über die wir mit unserer Agentur diskutiert haben. Denn wir wollen modern, fröhlich und aufmerksamkeitsstark sein. Und wir wollen uns bewusst von klassischen Branchen- und Verbandsauftritten abgrenzen. Uns geht es in der Dienstleistung um das Thema Eigenständigkeit und um Zukunftsorientierung, nicht um Konditionen.

BTH Heimtex: Wird jedes Coratex-Mitglied automatisch Mitglied bei S & V+?

Klenk: Wir sind das Plus von Saum & Viebahn und wollen für jeden S & V Kunden interessant sein. Dabei stehen wir nicht im Wettbewerb zu den Einkaufsverbänden. Mir persönlich ist es wichtig, die Coratex-Mitglieder in der direkten Kommunikation zu begeistern, sich dem neuen Konzept anzuschließen. Aber selbstverständlich darf sich jeder individuell entscheiden.

BTH Heimtex: Können Sie in wenigen Worten zusammenfassen, welchen konkreten Marktvorteil Sie Ihren Kunden mit S & V+ verschaffen?

Klenk: Im Kern wollen wir der spezialisierte Dienstleister für den Raumausstatter und den raumausstattenden Fachhandel sein, indem wir technische Möglichkeiten nutzen, um Zeit zu sparen. Damit der Handel zum Beispiel die digitalen Medien mit einfachen Möglichkeiten bespielen kann.

Ich denke, dass der Handel zu wenig über sich spricht und zu wenig für sich wirbt. Es wird zu wenig über die Attraktivität der Betriebe gesprochen und darüber, welchen Nutzen unsere Branche dem Verbraucher liefert. Das ist aber wichtig, nicht nur um Umsatz zu akquirieren sondern auch, um nachwachsende Kunden auf sich aufmerksam zu machen und um sich als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb mit einem guten Image regional zu präsentieren.

Die meist relativ kleinen Betriebe können beispielsweise die digitale Beschleunigung kostenmäßig im Alleingang auf Dauer nicht aushalten. Wir haben in dem Bereich langjährige Erfahrungen, da wir seit Jahren die Partner Homepage für etwa 150 Kunden betreiben. Das Thema technische Updates einer Homepage ist so komplex, dass der Raumausstatter das alleine mit Lizenzverträgen und Dienstleistungskosten nicht schaffen kann, dafür sind keine Marketing Budgets vorhanden. Eine weitere sehr große Herausforderung ist das Thema Datenschutz, um das wir uns sehr stark für unsere Kunden kümmern, denn hier sehen wir unsere Aufgabe, der starke Partner zu sein. Das spart unseren Partnern Zeit und Geld.

BTH Heimtex: Was ist Ihre mittelfristige Zielsetzung mit S & V+, wo möchten Sie mit Ihren Partnern im Handel in drei Jahren stehen - und was wünschen Sie sich persönlich für S&V+ ?

Klenk: Vieles wird in drei bis fünf Jahren nicht mehr so sein wie heute. Bereits die Zeit der Corona-Pandemie hat sich wie ein Brandbeschleuniger auf die Digitalisierung ausgewirkt. Ich wünsche mir vom Fachhandel die Offenheit, Begeisterungsfähigkeit und Freude, sich mit uns gemeinsam auf diese Reise zu begeben, und die sich hier bietenden Chancen der Kommunikation zu nutzen. Nur so schaffen wir es gemeinsam, das Thema Nachhaltigkeit im Sinne von Wertschätzung beim Verbraucher zu verstärken und erfolgreich zu sein. | Die Fragen stellte Michaela Fischer.


Daten + Fakten Saum & Viebahn

Saum & Viebahn
GmbH & Co. KG
E.-C.-Baumann-Straße 12
95326 Kulmbach
Tel.: 09221 / 800-0
service@
saum-und-viebahn.de
www.saum-und-viebahn.de

Geschäftsführung:
- Susanne Schicker-Westhoff
- Andreas Klenk

Produktgruppen:
- Dekostoffe
- Gardinen
- Polster- und Möbelstoffe
- Contract-Stoffe
- Sicht- und Sonnenschutz
- abgepasste Teppiche
aus BTH Heimtex 03/21 (Sortiment)