I4F Licensing NV

"Für I4F hat Digitaldruck das größte Potenzial"

Früher teilten Unilin und Välinge das Patentgeschäft bei Bodenbelägen praktisch unter sich auf. 2013 kam das neue Unternehmen I4F ins Spiel - mit Erfolg. Gründer John Rietveldt erklärt, warum er sich neben Klicksystemen zukünftig vom Geschäft mit Digitaldruck viel verspricht.

BTH Heimtex: Herr Rietveldt, Sie haben eine steile Managementkarriere bei multinationalen Konzernen gemacht, bis Sie sich entschieden, noch einmal komplett neu anzufangen

John Rietveldt: Ja, ich hatte immer den Traum, ein großes, internationales Unternehmen zu führen. Den habe ich mir in den 2000er-Jahren bei Tarkett und später anderen Konzernen erfüllt. Das war eine unschätzbare Erfahrung. Aber: Es hat mich nicht besonders glücklich gemacht. Ich wollte eine neue Herausforderung, wollte beweisen, dass ich selbst ein Unternehmen aufbauen kann. Ende 2008 stieg ich als Co-Investor bei der Investmentgruppe Ramphastos ein. Das bin ich auch immer noch. Wir engagieren uns bei über 30 Unternehmen, ganz verschiedenen, großen und kleinen und aus ganz verschiedenen Branchen.

BTH Heimtex: Was war dann die Initialzündung für die Gründung von I4F?

Rietveldt: Ich hatte nie den Kontakt zur und auch nie die Vorliebe für die Bodenbelagsindustrie verloren. Schon zu meiner Zeit bei Tarkett waren Angle-Angle-Verriegelungssysteme üblich, die nicht so einfach zu installieren sind, und alle suchten nach einer wettbewerbsfähigen, einteiligen Droplock-Verbindung. Meine Vision war ein vertikales Klicksystem, das kinderleicht zu verlegen sein sollte.

Zu unserem Portfolio gehörte ein Unternehmen mit einem besonders kreativen Kopf dahinter, der einen innovativen Verschluss für Getränkeverpackungen erfunden hatte. Mit dem sprach ich eines Abends über meine Vision - und am nächsten Morgen kam er mit einer Idee zu mir, die wir dann zum 3 L Triple Lock-System weiterentwickelt und zum Patent angemeldet haben. Der Rest ist Geschichte.

BTH Heimtex: Nun gab es ja mit Unilin und Välinge schon zwei starke Lizenzanbieter für Verriegelungssysteme auf dem Markt. Welches Potenzial haben Sie neben den beiden noch gesehen?

Rietveldt: Ich hatte einfach das Gefühl, dass es Raum gibt für ein anderes Konzept, mehr eine Art Plattform für Innovationen als die übliche Lizenzgeber-Lizenznehmer-Beziehung. Ich besuchte viele Bodenbelagshersteller und stieß bei einigen durchaus auf Interesse. Aus diesen Gesprächen entstand dann Ende 2013 die Entscheidung, mit Ramphastos als Kapitalgeber I4F zu gründen, was für Innovations for Flooring steht. Das war natürlich anfangs ein bisschen wie bei David und Goliath. Wir mussten wirklich kämpfen, auch vor Gericht. Zeitweise hatten wir 32 Verfahren am Laufen und ich verbrachte jedes Wochenende damit, juristische Schriftsätze zu lesen. Aber inzwischen sind diese Rechtsstreitigkeiten beendet.

BTH Heimtex: Wir können uns an die vielen Pressemeldungen zu immer wieder neuen Patentklagen erinnern. Doch das hat Sie nicht abgehalten, I4F weiter aufzubauen.

Rietveldt: Richtig. Wir wurden immer stärker und stärker. In der Zwischenzeit war ich auf potenzielle Partner zugegangen. Der erste war Classen. Das passte perfekt, fand ich: Wir hatten die meisten wichtigen Patente für ein One Piece-Klicksystem und sie mit Megaloc ein Two Piece-Patent. Es hat lange gedauert, bis ich Dr. Hannig und Arne Loebel überzeugen konnte, unsere Kräfte zu bündeln. Aber nun arbeiten Classen und wir seit 2017 sehr gut und sehr erfolgreich zusammen.

Ein weiterer Meilenstein war dann die strategische Partnerschaft mit Kronospan. Allerdings wollten Matthias und Peter Kaindl nicht nur eine Lizenz, sondern auch Anteile an I4F. Die haben sie schließlich als einzige auch erworben. Ramphastos ist unverändert Mehrheitseigner von I4F.

Wir haben dann unsere Reise fortgesetzt. Weil ich dachte, dass wir das Patentportfolio in andere Bereiche erweitern sollten - zum Beispiel Materialkompositionen -, habe ich auch das Gespräch mit Ulrich und Matthias Windmöller gesucht und wir haben eine strategische Partnerschaft mit Ulrich Windmöller Consulting geschlossen.

BTH Heimtex: Können Sie dazu Ihr Geschäftsmodell im Detail erklären? Sie entwickeln nicht nur neue Technologien und Patente, sondern kaufen und vermarkten auch die Entwicklungen und Patente anderer Unternehmen?

Rietveldt: Genau. Wir wollen der Bodenbelagsindustrie den Zugriff auf innovative, nachhaltige und kosteneffiziente Spitzentechnologien eröffnen, mit denen sie ihre Marktposition stärken und ihren Umsatz steigern kann. Grundlage ist unser Plattform-Konzept, dass rund 3.000 Patente und Technologien umfasst, die in sechs Cluster gegliedert sind: Klicksysteme, Produktionsprozesse, Wand- und Deckenpaneelsysteme, Digitaldruck, Oberflächenveredlungen sowie neue Materialien und Materialkompositionen. So viele Innovationen und Patente kann kein einzelnes Unternehmen entwickeln und anbieten.

BTH Heimtex: Ihr Alleinstellungsmerkmal ist also, dieses ganze Know-how, diese Expertisen und diese Kompetenzen in einem Pool zu bündeln, und Sie übernehmen dann die Vermarktung beziehungsweise Lizenzierung?

Rietveldt: Nicht nur das. Wir helfen und unterstützen auch jeden, der mit einer Technologie oder Entwicklung zu uns kommt, sein Patent beziehungsweise seinen Patentanspruch zu optimieren. Denn wir sind überzeugt: Durch Teilen wird der Kuchen größer.

Darüber hinaus nähern wir uns dem Thema Innovationen auch auf ganz anderen, neuen Wegen. Wir wollen "out of the box" denken. So habe ich im letzten Jahr ein Unternehmen auf dem High Tech-Campus von Eindhoven angeheuert, auf dem über 12.000 Profis aus dem Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten. Dieses Team soll für uns rein auf analytischen Methoden basierend neue Lösungen entwickeln. Sie haben keine Ahnung von Bodenbelägen, sondern füttern ihre Systeme zum Beispiel mit den Charakteristika des Rohmaterials. Und diese kalkulieren, welches Klicksystem dafür optimal wäre. Diese wissenschaftliche Herangehensweise ist wirklich einzigartig.

BTH Heimtex: Dass der Kuchen durch Teilen größer wird, ist kein Geheimnis. Aber Ihre strategischen Partner sind Wettbewerber auf dem Markt. Sind da nicht die individuellen Egoismen stärker? Wie managen Sie das?

Rietveldt: Das beginnt schon damit, dass sich ihre Technologien unterscheiden beziehungsweise komplementär sind, also nicht im Wettbewerb miteinander stehen. Die tun sich nicht gegenseitig weh. Wobei klar ist, dass sie nicht miteinander in Kontakt treten oder sich austauschen können, weil wir natürlich strikt die kartellrechtlichen Bestimmungen beachten. Das ist die eine Seite. Auf der anderen teilen manche ihre Geheimnisse mit mir und ich weiß, woran sie arbeiten. Dieses Vertrauen würde ich niemals missbrauchen, und ich will mir nicht den geringsten Fehler erlauben. Deshalb habe ich extra einen persönlichen juristischen Berater engagiert, der mir genau sagt, was ich tun kann und was nicht.

BTH Heimtex: In welchen Märkten sind Sie aktuell aktiv, welche sind die Schlüsselregionen?

Rietveldt: 2013, am Anfang, waren wir hauptsächlich auf China und den US-amerikanischen Markt fokussiert. Ich würde sagen, dass unser Klicksystem heute in den USA eine der marktführenden Technologien ist. Seitdem wir gewachsen sind und auch mehr Partnerschaften geschlossen haben, änderte sich unser Fokus. Natürlich bleiben die USA für unser Geschäft wichtig, aber Europa gewinnt künftig für uns klar an Bedeutung. Deshalb haben wir vor anderthalb Jahren Matthieu Dekens geholt, der früher bei Tarkett war und dessen Aufgabe unter anderem ist, uns und unsere Technologien bei den großen europäischen Handelsorganisationen bekannt zu machen. Unsere beiden Schlüsselmärkte 2021 sind ganz klar - neben den USA und China - Deutschland als größter europäischer Markt und darüber hinaus Vietnam.

BTH Heimtex: Und wenn Sie auf Ihre sechs Cluster blicken: Welche sind am wichtigsten, und bei welchen sehen Sie das größte Potenzial?

Rietveldt: Wir werden und wollen immer ein Spezialist für Klicksysteme bleiben. Und wir werden sie noch weiterentwickeln. Ich glaube nicht, dass wir hier schon unser volles Potenzial erreicht haben. Wenn wir allerdings über die Zukunft reden, also drei Jahre plus, dann sehe ich das größte Potenzial beim Digitaldruck. Da sind wir noch ganz am Anfang, was das Layout der Maschinen anbetrifft, die Oberflächen, die Strukturierung, die Kratzfestigkeit. Und es ist auch noch sehr teuer. Aber wir werden da weiterkommen, und dann ist Digitaldruck der große Gewinner.
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Das
Patent-Cluster-Konzept
I4F konzentriert sich auf die Entwicklung von Patenten und Technologien für die Bodenbelagsindustrie. Das Portfolio verteilt sich auf sechs Cluster:

1. Klicksysteme für Parkett-, Laminat und Designböden
2. Optimierte Produktionsprozesse, nachhaltig, material- und kostensparen
3. Wand- und Deckenpaneelsysteme
4. Digitaldirektdruck für Bodenbeläge auf verschiedenen Substraten
5. Oberflächenfinish für matte Optik und hohe Strapazierfähigkeit
6. Neue Materialien, Material-Kompositionen und -konstruktionen
"Für I4F hat Digitaldruck das größte Potenzial"
Foto/Grafik: I4F
John Rietveldt – zur Person
Der Gründer und CEO von I4F hat in all seinen Führungspositionen in der Industrie mit unkonventionellen Eingebungen und neuen Herangehensweisen Erfolg gehabt. Nach Stationen bei Electrolux und Moulinex verantwortete er als jüngster Geschäftsführer bei Whirlpool das Benelux-Geschäft, stieg dann in die oberste Führung des Weißwaren-Herstellers auf. 2003 holte ihn Tarkett an die Spitze des Handelsgeschäftes. 2006 wechselte er zu American Standard, dato weltweit die Nr. 1 bei Küchen- und Bauausstattung, um von Brüssel aus die Europa-Aktivitäten zu lenken. Ein Jahr später wurde Rietveldt zum CEO des ausgegründeten Küchen- und Badbereiches berufen und damit verantwortlich für 28.000 Beschäftigte und 55 Werke. 2008 folgte ein Schnitt: Der gebürtige Niederländer verabschiedete sich aus der Großindustrie, stieg als Partner bei der niederländischen Private Equity-Gesellschaft Ramphastos ein und wollte nun beweisen, dass er selber Unternehmen aufbauen kann.

aus BTH Heimtex 02/21 (Wirtschaft)