Deutsche Messe: Interview mit Alexander Wurst

"Der Mai war für viele ein Wunschtermin für die Domotex"


Die Domotex 2021 wird vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie vom Januar in den Mai verschoben und zugleich auf drei Tage verkürzt. Was bedeutet das für Aussteller und Besucher? Was verändert sich eventuell noch? Darüber sprach Parkett Magazin mit Alexander Wurst, Senior Vice President Deutsche Messe.

Parkett Magazin: Sie haben die Domotex 2021 von Januar auf Mai verschoben, sicher keine einfache, aber eine strategische Entscheidung...

Alexander Wurst: Von unserer Seite aus könnten wir die Domotex durchaus im Januar stattfinden lassen, immerhin waren schon 63.000 m2 Ausstellungsfläche gebucht, und wir haben ein durchdachtes und tragfähiges Hygiene- und Schutzkonzept. Wir halten eine solche Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt aber nicht für sinnvoll, schließlich lebt die Domotex Hannover von ihrer großen Internationalität - davon, dass Besucher und Aussteller aus der ganzen Welt anreisen. Aber nun haben situationsbedingt beispielsweise in Ägypten und im Iran die deutschen Botschaften geschlossen, sodass es dort im Moment nicht möglich ist, Visa für Deutschland zu bekommen. Ob sich das bis Januar ändert, ist noch nicht absehbar. Ebenso weiß heute noch niemand, welche Reisebeschränkungen eventuell gelten.

Es bestand also die berechtigte Sorge, dass ein relevanter Anteil der Besucher nicht hätte kommen können, selbst wenn sie wollten.

Genau. Und das gilt natürlich auch für die Aussteller. Wir haben die Situation jedenfalls zum Anlass genommen, mit allen noch mal intensiv zu sprechen. Es ist uns übrigens sehr wichtig, solche Gespräche sowohl mit den Ausstellern als auch mit den Besuchern zu führen. Dabei wurde der Vorschlag laut, die Messe doch in den Mai zu schieben. Bis dahin kann sich noch einiges zum Positiveren entwickeln, und alle können in Ruhe planen. Das haben wir aufgegriffen.

Und wie kam das bisher an?

Viele haben uns rückgemeldet, dass der Mai eigentlich schon immer ihr Wunschmonat für die Domotex war. Gut, man kennt das ja - einige sagen: Machts im September, machts im Oktober, macht zwei Messen im Jahr, macht eine Messe alle zwei Jahre ... Man bekommt nie alle Wünsche unter einen Hut. Aber insbesondere den Besuchern hat der Mai als Domotex-Monat wunderbar gefallen, gerade für das Ordergeschäft. Da ist die Ware genau dann im Handel verfügbar, wenn das Herbstgeschäft losgeht.

Kundengespräche, Produkte erleben und anfassen - das geht unter Corona-Bedingungen nicht so wie gewohnt.

Wir müssen und werden natürlich alle Hygieneauflagen einhalten und haben dafür bereits ein umfangreiches Konzept erarbeitet. Dass das auch in der Praxis funktioniert, haben wir schon im März live erfahren. Da fand auf unserem Gelände in Hannover die Tire Technology Expo statt, eine Messe für Reifendesign und -produktion in Europa. Dem standen wir anfangs sehr zurückhaltend gegenüber, aber die britischen Veranstalter haben daran festgehalten und alle Hygieneauflagen umgesetzt - das hat wunderbar funktioniert. Wir veranstalten schließlich keine Rockkonzerte, sondern B2B-Events, da geht es deutlich ruhiger und geregelter zu. Die Leute müssen eben nur anreisen können.

Und wie gehen Sie jetzt weiter vor?

Momentan fragen wir bei allen Ausstellern an, ob und in welchem Umfang sie an einer Messe im Mai teilnehmen möchten. Auf Basis dieser - noch unverbindlichen - Aussagen erstellen wir einen Hallenplan. Anschließend wenden wir uns erneut an die Aussteller, um uns ihre Teilnahme bestätigen zu lassen. Natürlich hat dann jeder noch mal die Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen, also doch eine kleinere oder größere Fläche zu buchen, aus einer Absage eine Zusage zu machen und umgekehrt.

Was die Besucher angeht: Vermutlich werden auch im Mai nicht ganz so viele Interessenten anreisen können wie gewohnt. Deswegen erarbeiten wir gerade ein Konzept für eine hybride Domotex: also eine physische Messe ergänzt um digitale Formate.

Also sollen Teile der Messe online stattfinden?

Ganz genau. In Halle 18 lassen wir einen "Hybrid Event Hub" einrichten, unseren sogenannten H’Up, also eine multifunktionale Eventlocation speziell für digitale Messeformate. Darum kümmert sich unsere Tochtergesellschaft Event It. Das wird eine hochprofessionelle, permanente Infrastruktur, die wir als Messeveranstalter immer wieder nutzen können. Zwischen den Messen vermieten wir sie auch an interessierte Firmen. Und weil die Studios fest installiert werden, also immer wieder genutzt werden können, bleibt die Nutzung bezahlbar.

Speziell auf der Domotex wollen wir die Bühnen im H’Up zum einen zur Wissensvermittlung nutzen, aber auch für Events wie Preisverleihungen, die dann auf jeden Fall auch online übertragen werden können. Im Oktober soll schon alles fertig sein.

Dann steht der H’Up bald schon für andere Veranstaltungen zur Verfügung ... und im Mai für die Domotex. Und im Januar, zur gewohnten Domotex-Zeit, bleibt es still?

Nicht ganz. Für Freitag, 15. Januar, also den eigentlichen ersten Domotex-Tag, planen wir eine digitale Konferenz zum Thema "Wie verändert das New Normal nach Corona die Teppich- und Bodenbelagsbranche?" Das dürfte Hersteller und Einkäufer gleichermaßen interessieren. Unsere sehr engagierte Arbeitsgruppe "Hybride Formate" hat eine große Umfrage unter Ausstellern und Besuchern aller unserer Messen vorgenommen, um zu ermitteln, was den Beteiligten am meisten am Herzen liegt. Dabei hat sich gezeigt, dass Networking und Matchmaking mit die größte Rolle spielen. Durch den Online-Tag im Januar wollen wir die Bodenbelags-Community bereits im Vorfeld der Messe "treffen" und vor allem zusammenbringen.

Denken Sie darüber nach, den Mai-Termin grundsätzlich beizubehalten? Zumal es ja recht eng wird, wenn im Januar 2022 schon wieder die nächste Domotex ansteht.

Mehrere Gesprächspartner haben uns schon aufgefordert, ab jetzt immer in den Mai zu gehen, aber das ist für uns noch Zukunftsmusik. Wir sehen die Domotex 2021 zunächst als Ausnahmelösung ... und gleichzeitig als Lernchance. Auch um herauszufinden, wie so eine Domotex als Stand-Alone-Veranstaltung läuft, ohne Heimtextil und Bau im unmittelbaren Umfeld. Übrigens haben wir auch deswegen für den Mai nur drei Tage veranschlagt, statt der üblichen vier - weil es da keine Überschneidungen mit anderen Branchenterminen gibt. Wir gehen jedenfalls mit großer Zuversicht an die nächste Veranstaltung. Danach nehmen wir den Dialog mit Ausstellern und Besuchern wieder auf und suchen auf dieser Basis die bestmögliche Lösung für die folgende Domotex.


H’Up - Hybrid Event Hub in Halle 18
Die Deutsche Messe AG installiert auf dem Messegelände Hannover eine dauerhafte Infrastruktur für hybride Formate: Das H’Up ist ein Veranstaltungsort für Präsentationen, Preisverleihungen und Diskussionen - alle Events können gleichzeitig online zur Verfügung gestellt werden.
Die Randdaten:
-3.250 m2 Hallenfläche
-fest installierte Veranstaltungs-
und Streamingtechnik
-Inhouse-Service von Konzeption
über Personal bis Catering
-5G-Netz
-1.800 m2 große Eventfläche mit flexibler Raumtrennung
-5 Studiokulissen für
verschiedene Anlässe:
+ The Stage für Präsentationen
+ The Lounge für
entspannte Gespräche
+ The Talk für Interviews
+ The Product für die
Produktpräsentation
+ The MR als Szenenfläche für
Augmented und Virtual Reality
"Der Mai war für viele ein Wunschtermin für die Domotex"
Foto/Grafik: Deutsche Messe
Alexander Wurst: "Vermutlich werden auch im Mai nicht ganz so viele Interessenten anreisen können wie gewohnt. Deswegen erarbeiten wir gerade ein Konzept für eine hybride Domotex: also eine physische Messe ergänzt um digitale Formate."
aus Parkett Magazin 06/20 (Wirtschaft)