B.I.G. Beaulieu International Group NV

Zuversicht in der neu geordneten Textil-Sparte von B.I.G.

Der Beaulieu-Konzern schafft für Messe- und Eventbodenbeläge einen separaten Geschäftsbereich, um fokussierter arbeiten zu können. Der klassische und jetzt ebenfalls eigenständige Vertrieb von Tufting- und Nadelvliesbelägen soll von der Umstrukturierung ebenfalls profitieren.

Es ist ein Befreiungsschlag, welcher der Beaulieu International Group (B.I.G.) da gelungen ist: Der belgische Konzern hat im September 2019 seine Aktivitäten mit textilen Bodenbelägen, der Keimzelle des Familienunternehmens De Clerck, in zwei Bereiche aufgeteilt. Einerseits Böden für Messen und Events - in der Regel Nadelvliesbeläge. Andererseits Tufting-, Nadelvlies- und Kunstrasenprodukte für alle anderen Bereiche im Handels- und Objektgeschäft.

Bisher hat es mit Anthony Vanden Berghe einen gesamtverantwortlichen Verkaufsdirektor gegeben. Er ist seit Juli General Manager Division Matten (ehemals Hermosa) und führt zusätzlich das weltweite Messegeschäft, bis es einen Nachfolger für dieses so genannte Expo-Geschäft gibt.

Sylvie Vankeirsbilck verantwortet seit Herbst 2019 den weltweiten Vertrieb für alle anderen textilen Beläge der Beaulieu-Gruppe. Sie ist 16 Jahre für Swarovski in Vertrieb, Strategie und Marketing im B2B-Geschäft tätig gewesen, hat unter anderem den Interieur-Bereich aufgebaut und daher eine Affinität zu textilen Einrichtungsprodukten.

Neue Struktur

Nötig ist diese tiefgreifende Umstrukturierung geworden, weil beide Bereiche ein derart unterschiedliches Vorgehen im Vertrieb erfordern, dass schon sich so einige Vertriebsleiter in der D/A/CH-Region an diesem Spagat die Zähne ausgebissen und am Ende kapituliert haben: Hier die Akquise etwa von Hotelketten mit hochwertigen, chromojetbedruckten Level-Cut-Loop-Qualitäten; dort das Volumengeschäft mit beispielsweise 230 g-Nadelvliesbelägen und mit bis zu 45 Mio. verkaufter Quadratmeter pro Jahr, bei denen um die letzten Cents hart verhandelt werden kann. Nun soll sich in zwei getrennten Bereichen mehr Erfolg einstellen für die textilen Bodenbeläge des Konzerns.

Vankeirsbilck zeigt sich im Gespräch mit BTH Heimtex Anfang Juni optimistisch, dass sie ihren Bereich unter anderem in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausbauen kann. "Ich habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Wir sind auf einem guten Weg", erklärt sie. Hoffnung machen ihr vor allem drei Dinge: die Personalsituation, die strategische Ausrichtung sowie das Produktsortiment.

Zum Thema Personal: Das Unternehmen hat einen Nachfolger für Andreas Nikiel gefunden, dessen Position des Vertriebsleiters D/A/CH seit Herbst 2019 kommissarisch mit Jürgen Zander besetzt gewesen ist. Im September kommt Assen Radkovski. Er hat unter anderem lange bei der Toto-Gruppe und Kludi, einem Hersteller von Badezimmerausstattungen, gearbeitet. Sein vierköpfiges Verkaufsteam soll zudem ausgebaut werden.

Fokus auf Objekt

Diese Investition in Köpfe hängt mit der neuen strategischen Ausrichtung zusammen: "Während wir unser Handelsgeschäft unter der Marke Ideal beibehalten, bauen wir die Aktivitäten im Objekt unter der Marke Carus aus", erklärt Vankeirsbilck die zukünftige Stoßrichtung.

Optimistisch ist sie auch im Hinblick auf das Sortiment - speziell für den Objektbereich. In den Jahren 2017 und 2018 hat B.I.G. unter anderem eine LCL- und eine 1/8’’-Anlage sowie eine Infinity-Maschine mit Einzelgarnansteuerung in Betrieb genommen. Auf ihnen werden unter anderem die gelungenen Objektkollektionen Impact, Impressions und Expedition aus solution-dyed Polyamidgarn produziert. Ab 600 m2 können die Tweed- und Linien-Dessinierungen von Impact nach individuellen Vorstellungen mit den Standardfarben gestaltet werden, die jetzt mit Kupfer und Gold-Kolorits erweitert wurden. Die 2019 erstmals vorgestellte Impressions Chromo-Serie verbindet als besonderes Merkmal gekonnt LCL-Tufting mit Chromjet-Druck.

Messegeschäft
ist "eine Katastrophe"

Der Bereich Bodenbeläge für Messen und Events von Beaulieu unter Vertriebsdirektor Vanden Berghe hat normalerweise als besonderes Merkmal ein jährliches Produktionsvolumen - hauptsächlich Nadelvlies - zwischen 40 und 45 Mio. m2. Damit ist der Konzern der größter dieser Art in Europa.

Im "Corona-Jahr" 2020 ist alles anders: Denn Messen sind eine der durch die Einschränkungen am stärksten getroffenen Branchen weltweit. Seit Mitte März dürfen keine größeren Veranstaltungen mehr stattfinden. "März und April sind normalerweise Monate, in denen wir rund 4 Mio. m2 im Messe- und Eventgeschäft absetzen", berichtet Vanden Berghe. In diesem Jahr habe man in diesem Zeitraum weniger als 100.000 m2 verkauft. Der Mai sei zwar schon wieder etwas besser gewesen; "im Vergleich zum Budget aber immer noch eine Katastrophe", zeigt sich der Vertriebsleiter konsterniert.

Man rechne im September wieder mit den ersten Messeveranstaltungen, aber trotzdem mit Umsatzrückgängen bis zu 60 % allein im Zeitraum von September bis Dezember. "Wir gehen davon aus, dass wir - wenn es gut läuft - 2022 oder 2023 wieder auf die Mengen der Vor-Corona-Zeit kommen", schätzt Vanden Berghe. Zum Glück sei man Teil der gesunden und 2 Mrd. EUR Umsatz schweren Beaulieu-Gruppe und könne die Krise in diesem Segment leichter verkraften.

Rewind - die
"Zukunft der Messebeläge"

Stichwort Vor-Corona-Zeit: Im September 2019 hatte der Konzern weltweit als erster Hersteller die Cradle to Cradle-Zertifizierung in Bronze für seine Nadelvliesbeläge unter der Marke Rewind erhalten. Beaulieu sieht in ihnen nichts weniger als die "Zukunft der Bodenbeläge für den modernen Messebau". Der Kern des Konzeptes, an dem der europäische Marktführer schon lange gearbeitet hat: Der flache, nur 230 g/m2 leichten Nadelvlies aus Polypropylen kommt komplett ohne Latex aus, ist somit zu 100 % recyclingfähig und als hochwertiges Recyklat Ausgangsmaterial für neue Produkte wie beispielsweise Bodenbeläge. Der Recyclingprozess werde heute von Partnern durchgeführt; langfristig will Beaulieu das in Eigenregie machen und auch das Recyclat selbst nutzen.

"Außerdem verbraucht unsere Rewind-Produktion kein Wasser, 83 % weniger Gas und emittiert 35 % weniger CO im Vergleich zum herkömmlichen Produktionsprozess", zählt Vanden Berge weitere Vorteile auf. Technisch sei dieser Nadelvlies aufgrund der besonderen, innerhalb der Gruppe selbst entwickelten Faserverbindung leichter, aber gleichzeitig kompakter.

Die Division Messebeläge hatte mit Rewind 2020 eigentlich voll durchstarten wollen. 2019 hatte man bereits 1 Mio. m2 verkauft und ist auch schon in Deutschland erfolgreich gewesen "Wir als Marktführer hatten große Ambitionen, Neukunden kamen von sich aus auf uns zu, weil sie von Rewind gehört hatten. Aber dann hat Covid-19 unsere Pläne vorerst durchkreuzt", zeigt sich Vanden Berghe enttäuscht.

Trotzdem wird an dem Konzept festgehalten und weiter investiert. "Anno 2020, zu einer Zeit, in der überall Nachhaltigkeit der große Trend ist, kann man niemandem mehr erklären, warum jedes Jahr Hunderte Millionen Quadratmeter Messebeläge nach ein paar Tagen Nutzung deponiert oder verbrannt und nicht recycelt werden", beschreibt Vanden Berghe den Ansatz hinter dem Konzept. Die Entsorgungskosten für ausgediente Beläge stiegen von Jahr zu Jahr. Und wer könne ausschließen, dass es in Zukunft verboten wird, überhaupt Bodenbeläge mit Latex auf Messen zu verlegen. Auch deshalb sei Rewind für Messegesellschaften und Verleger gleichermaßen interessant. Letztere könnten die Beläge schneller verlegen, weil die Rollenware leichter und damit handlicher ist.

Die Beaulieu-Gruppe hat sich als Ziel gesetzt, früher oder später rund 40 Mio. m2 Messebeläge mit Rewind zu produzieren. Langfristige soll das Konzept auch auf andere Bodenbeläge des Konzerns angewendet werden.
|jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 09/20 (Wirtschaft)