Balta Industries NV

Corona bremst den Aufwärtstrend bei Balta

Die Verantwortlichen bei Balta sind optimistisch, schnell an die guten Umsätze vom Anfang des Jahres anknüpfen zu können. Der neue Geschäftsführer Oliver Forberich, der das Teppichbodengeschäft weltweit verantwortet, sieht den Konzern als "schlafende Schönheit" mit viel Potenzial.

Die weltweiten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie treffen die Balta-Gruppe doppelt hart. Denn Europas größter Hersteller von textilen Bodenbelägen hatte sich nach einer Phase 2018 und 2019 mit lediglich verhaltenem Umsatzwachstum, teilweise -rückgängen und empfindlich schrumpfenden Jahresgewinnen seit November vergangenen Jahres gerade wieder aus eigener Kraft Aufwind verschafft.

"Bis Mitte März konnten wir diese Entwicklung auch 2020 fortführen und lagen deutlich über Vorjahr und auch über Plan mit sehr guten Renditen. Doch dann stoppte Corona jäh unseren Aufwärtstrend und unsere Hoffnungen, weiter voll durchzustarten", schildert Oliver Forberich Anfang Juni die abrupten und starken Auswirkungen von Corona auf den Konzern. Allein in den beiden letzten Märzwochen sei der Umsatz um 29 % eingebrochen, berichtete der General Manager, weltweit verantwortlich für den Geschäftsbereich Teppichboden und Nadelvlies. Die Belgier mussten hilflos mit ansehen, wie sie um die Früchte ihrer Arbeit gebracht wurden: Das erste Quartal 2020 schloss der Hersteller mit einem weltweiten Erlöseinbruch von 13,6 % ab.

Werke standen still

Es folgten acht schwere Wochen: Im April wurden sechs der acht Werke zeitweise heruntergefahren, für zahlreiche Arbeiter und Angestellte Kurzarbeit angeordnet. Auch die D/A/CH-Vertriebsmannschaft unter Leitung von Arnold Skiba arbeitete kurz und im Homeoffice.

Seit Mitte Mai produziert Balta wieder an allen Standorten durchgängig. Noch nicht auf dem gleichen Niveau wie vor Corona, denn die Nachfrage ist in den einzelnen Absatzmärkten und -regionen teilweise sehr unterschiedlich - je nach dem, wie stark die Länder von der Pandemie betroffen waren und wie ausgeprägt der Lockdown war.

"Ich schätze aber, dass wir, vorausgesetzt die Pandemie ebbt weiter ab, bereits im Juni schon wieder zwischen 60 und 80 % des Vorjahresniveau liegen könnten", zeigte Forberich sich optimistisch. Forecast und Auftragseingang seien gut. Für den Juli hoffte er, an die Vorjahreszahlen beinahe wieder heranzukommen.

Corona ein Problem
von vielen

Die Covid-19-Pandemie verursacht bei den meisten Herstellern von Bodenbelägen eine deutliche Delle. Für Balta kommt die weltweite Krise aus einem anderen Grund zur Unzeit: Der börsennotierte Hersteller steht seit geraumer Zeit unter Druck. Die Nachfrage nach textilen Böden sinkt, die Rohstoffpreise lassen die Kosten ansteigen, Werke in Belgien müssen geschlossen werden, der Brexit sorgt für Verunsicherung auf dem wichtigen Markt Großbritannien, und das wichtige E-Commerce-Geschäft mit Teppichen in den USA hatte Anlaufschwierigkeiten.

Gleichzeitig verlangen die Private Equity Fonds, denen Balta seit 2004 mehrheitlich oder komplett gehört, Kostenreduzierungen und hohe Gewinne. Die Folge: Es mangelt an ausreichend hohen Investitionen in Maschinen, Produkte, Konzepte und Personal, wie es von dem größten Hersteller seiner Art in Europa eigentlich zu erwarten ist.

Potenziale ausgemacht

Die US-amerikanische Investmentgesellschaft Lone Star Funds, seit 2015 alleinige Eigentümerin des Balta-Konzerns, hat 2017 diesen Kurs justiert: Man kaufte den profitablen Teppichfliesenproduzenten Bentley in den USA dazu und besetzte im Laufe des Jahres 2019 zahlreiche Führungspositionen neu, beispielsweise für die Geschäftsbereiche Teppichboden und Teppichfliese sowie den Finanzgeschäftsführer; für Oktober 2020 ist ein Nachfolger von Luc Jongbloet auf dem Posten des weltweiten Vertriebsleiters Teppichboden, Balta-Teppichfliesen und Nadelvlies angekündigt. Bereits Ende 2018 wurde zudem das auf drei Jahre angesetzte Programm Next gestartet: ein Programm zur Kostensenkung und Effizienssteigerung, aber auch für Investitionen.

Auf der Grundlage von umfangreichen Marktanalysen sei man zum Schluss gekommen, sich entschlossen gegen den Trend weg von textilen Belägen stellen zu können, da Balta noch großes Wachstumspotenzial habe, unterstreicht Forberich. Man könne noch mehr tun in Produktentwicklung und -innovation (siehe Kasten "ITC - Blick ins Sortiment", Seite 87), im Marketing, in der Herangehensweise im Vertrieb, in verschiedenen Exportmärkten außerhalb Europas sowie neuen Anwendungen und Bereichen.

Neue Köpfe,
neuer Optimismus

"Um das umzusetzen, haben wir uns in verschiedenen Bereichen verstärkt und verjüngt und verfolgen unsere Ziele mit einer deutlich veränderten Mannschaft", beschreibt Forberich. Auf der Open Week 2019 sowie der Domotex Anfang des Jahres habe man auf die neuen Produkte und Konzepte bereits ein starkes Feedback erhalten.

Forberich ist seit rund einem Jahr im Unternehmen. Er sehe Balta als "Sleeping Beauty" (schlafende Schönheit). "Ich bin aus allen diesen Gründen sehr optimistisch, dass wir an die starken Monate zwischen November und Februar schnell wieder anknüpfen werden." Trotzdem müsse man erst einmal abwarten, wie die "neue Realität nach Corona" aussieht und welche Auswirkungen sie auf das Geschäft hat.

Der Konzern hat einen immensen Schuldenstand von mehr als 300 Mio. EUR in den vergangen Jahren angehäuft. Im Februar sah die Gruppe sich gezwungen, zwei belgische Werke über einen sogenannten Rückmietverkauf an ihre Gläubigerbanken zu verkaufen und dann zurückzuleihen, um einen kurzfristigen Kredit in Höhe von 35 Mio. EUR zu bedienen. Ist die Balta-Gruppe denn überhaupt in der Lage, wie beschlossen, zu investieren?

"Unser Verschuldungsgrad ist sicherlich höher als in anderen Unternehmen", bestätigt Forberich. Den Mietrückverkauf sieht der Manager hingegen als "starken Vertrauensbeweis unserer Banken". Man habe eine kurzfristige Verbindlichkeit mit hohen Zinsen in einen langfristigen Kredit mit niedrigen Zinsen umwandeln können. "Das machen Banken nur, wenn sie Vertrauen in das Unternehmen haben." Die Gruppe verfüge also über die notwendigen finanziellen Ressourcen, um zu investieren und zu wachsen.
| jochen.lange@snfachpresse.de

Balta-Gruppe kurz notiert

Messen
Wenn Domotex und BAU 2021 stattfinden, nimmt die Balta-Gruppe auch teil. Die internationale "Open Week" findet 2020 bereits im November im Showroom in Oudnenaarde statt. Wegen der Corona-Einschränkungen überlegt der Konzern, diese Hausmesse auf zwei bis drei Wochen zu strecken.

Managementgehälter
Aus Solidarität hat der Vorstand sich und dem gesamten Management auf freiwilliger Basis eine Gehaltsreduzierung in Höhe von 40 % während der Zeit der Kurzarbeit im Unternehmen verordnet.

Aktienkurs
Seit der Börsennotierung Mitte Juni 2017 kennt der Kurs der Aktie fast nur eine Richtung: nach unten. War das Papier anfänglich mit 12,51 EUR bewertet, liegt es heute am Boden: 1,08 EUR (Stand: 21. August 2020).

Zweites Quartal 2020
Mitte Juli gab Balta bekannt, dass die weltweiten Umsätze im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 36,5 % auf 106,7 Mio. EUR abgestürzt sind. Die Corona-Pandemie hat in den drei Division unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Erlöse gehabt: Rugs -35,2 %, Objekt -28,1 %, Wohnbereich -43,7 %. Positiv: Alle geschlossenen Werke des Konzerns sind Mitte Mai wieder hochgefahren worden.
aus BTH Heimtex 09/20 (Wirtschaft)