VDB Online-Tagung

"Wir haben diese Krise bislang sehr gut gemeistert"

Köln. Experiment gelungen: Die erste Online-Verbandstagung des VDB brachte in kompakter Form Vorträge und Informationen per Webinar zu den Mitgliedern. Angesichts der Corona-Umstände das richtige Format - aber natürlich kein Ersatz für ein physisches Treffen. Dennoch gelang es dem Verband, positive Stimmung zu vermitteln.

Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft und hoffe, dass die Lobbyarbeit, die wir auch künftig für diesen Verband leisten werden, uns allen zugutekommen wird." VDB-Präsident Marc Böhle gab sich in seinem Grußwort an die Teilnehmer der Tagung optimistisch. Während Online-Anbieter Casper sich in die USA zurückziehe, hätten die Fachhändler "in ihrer charmanten Unscheinbarkeit einmal mehr durch wirtschaftliche Robustheit geglänzt", so Böhle. "Wir haben diese Krise bislang sehr gut gemeistert. Und ich hoffe, wir werden diese Krise auch gemeinsam weiterhin gut meistern."

Den Satz, nachdem in jeder Krise auch eine Chance stecke, könne er eigentlich nicht mehr hören, erklärte der VDB-Präsident. "Für uns ist es doch fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns jeden Tag auf neue Gegebenheiten einstellen und uns neu erfinden müssen, um wirtschaftlich voranzukommen, auch wenn man uns voraussagt, dass mehr als die Hälfte von uns in einigen Jahren schon gar nicht mehr am Markt sein werden." Umso erstaunlicher sei es, dass jemand mit dem finanziellen Hintergrund wie Casper schon jetzt die Segel streiche. Böhle: "Und wer bleibt, das sind wir."
Der VDB-Präsident gab sich stolz, dass die Zumutungen der zurückliegenden Wochen mit Lockdown, Kurzarbeit, Wiedereröffnung, Hygienekonzepten und Abstandsregelungen von den Händlern "mit Bravour gemeistert" worden seien. "Von Verbandsseite her waren wir auch nicht unerfolgreich mit unserer Lobbyarbeit", betonte Böhle. "Gemeinsam mit dem BTE und dem HDE haben wir entscheidend Einfluss darauf genommen, welche Themen in der Politik platziert werden."

Als Beispiele nannte er eine temporäre Änderung im Schuldrecht, also die Möglichkeit, Gewerbemieten bis zu drei Monate zu stunden, ohne dass der Vermieter die Option zur fristlosen Kündigung hat. Zum anderen die Möglichkeit des Verlustrücktrages von diesem Jahr in das Geschäftsjahr 2019. "Das sind entscheidende Schritte, die uns guttun und viel besser sind als die Reduzierung der Mehrwertsteuer bis zum Ende des Jahres."

Eigentlich hätte die VDB-Tagung bereits Ende April in Ulm stattfinden sollen, musste jedoch Corona-bedingt ausfallen. Gleichwohl blieben die Regularien, die mit einer solchen Versammlung verbunden sind, beispielsweise die Wahl des Präsidenten. Böhles Amtszeit endete mit der Online-Tagung, doch der Hamburger Fachhändler kündigte an, sich zur Wiederwahl zu stellen, die nun in einem schriftlichen Verfahren erfolgt.

"Im Moment zeigt sich
das Bild relativ robust."

Sebastian Deppe von der Münchner Handelsberatung BBE gab in seinem Vortrag einen Überblick über die aktuelle Lage im Fachhandel. "Im Moment zeigt sich das Bild relativ robust", erklärte Deppe, und dies wurde auch von den Teilnehmern der Online-Tagung bestätigt. Sie konnten in einer Live-Befragung ihre Einschätzung der Lage abgeben, und die ergab zur Umsatzentwicklung von Januar bis Juni 2020 "ein spannendes Bild", wie Deppe erklärte: 29 Prozent der Befragten gaben an, einen besseren Umsatz als im ersten Halbjahr 2019 erzielt zu haben, 18 Prozent sprachen von einem gleichbleibenden Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum- wohl gemerkt in einem Situation, in der die Geschäfte über Wochen geschlossen bleiben mussten. Diesen 47 Prozent der Befragten standen 53 Prozent mit gesunkenen Umsätzen gegenüber: leicht (29 Prozent), deutlich oder erheblich (jeweils 12 Prozent).

Neben diesem spontanen Bild erläuterte Deppe auch die Zahlen der Quartalserhebungen von BBE. Hier wurde ein dreiprozentiges Umsatzplus des Bettenfachhandels für das erste Quartal verzeichnet - trotz des Lockdowns, der Mitte März bereits griff. "Insgesamt sind wir sehr stark und mit viel Rückenwind ins Jahr 2020 gestartet", so Deppe. Vor allem Matratzen- und Schlafsysteme konnten im ersten Quartal 2020 im Vorjahresvergleich gut zulegen. Sowohl Federkernmatratzen als auch Boxspringbetten gehören zu den Gewinnern, ganz besonders aber Motorrahmen, Topper, Latexmatratzen sowie Bettgestelle. Demgegenüber standen textile Sortimente wie Bettwäsche und Frottierwaren, Bettwaren sowie Tag- und Nachtwäsche im Vorjahresvergleich auf der Verliererseite.

Mit dem Lockdown kamen Themen, mit denen sich die Händler plötzlich auseinandersetzen mussten. Ganz oben auf der Liste der Herausforderungen nannten die Händler in der BBE-Befragung Fixkosten, Liquidität und Umsatz. Auch Fragen der Planungssicherheit, des Konsumverhaltens oder der Gesundheits- und Hygieneauflagen wurden sehr häufig genannt. "Einige haben mit sehr starker Hektik reagiert, andere sehr besonnen", so Deppe. Insgesamt habe der Mittelstand und insbesondere auch der Bettenfachhandel aber sehr schnell gehandelt und die Themen gut aufgenommen.

Zur Frage der Mehrwertsteuersenkung ergab sich ein indifferentes Bild. 38,4 Prozent der von BBE Befragten wollten die Senkung vollumfänglich an ihre Kunden weitergeben, jeder Fünfte allerdings nicht. 21,5 Prozent hatten sich Mitte Juni noch nicht entschieden, und wiederum 20,4 Prozent wollten den Steuervorteil anteilig weitergeben. "Die Kunden fordern durchaus eine Weitergabe, da müssen Sie Ihren Weg finden", mahnte Deppe. Insofern habe es ihm ein wenig Angst gemacht, dass Mitte Juni die Hälfte der befragten Händler noch nicht vorhatte, die Kunden über die jeweilige Entscheidung zur Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung zu informieren. "Hier besteht Handlungsbedarf. Die Kommunikation mit den Kunden war noch nie so wichtig wie jetzt", mahnte der Handelsexperte. "Kommunizieren Sie in alle Richtungen. Egal, was sie entscheiden: Sie müssen es erklären."

Fakt sei, dass sich die Handelswelt noch nicht wieder normalisiert habe. "Aktuell ist das Thema des lokalen Einkaufs sehr stark", erklärte der Handelsexperte, befördert durch Initiativen wie "Kauf lokal" oder "Heimat shoppen". Ob dies aber mehr als nur ein kurzer Trend sei, bleibe abzuwarten. Deppe warnte davor, zu überziehen. "Ich war nie ein Freund davon, Schaufenster zuzukleben und zu sagen: So sieht es aus, wenn alle nur noch online einkaufen. Mitleid war noch nie ein gutes Verkaufsargument." Aber: "In der jetzigen Phase ist es wichtig, auf der lokalen Welle zu schwimmen." Die aktuelle Sympathiewelle für den lokalen Handel werde jedoch nicht zur neuen Normalität. "Nutzen Sie die Möglichkeiten aktiv, gewinnen sie wieder Kunden für sich, die sie in der Vergangenheit vielleicht verloren haben. Jetzt ist die Chance, ihre Leistung zu beweisen", so Deppe. "Aber verlassen Sie sich nicht darauf, dass das alles so bleibt und sich alle auf den Fachhandel besinnen. Der Fachhandel ist nicht plötzlich des Deutschen liebstes Kind."

Und wie geht es nun weiter? Auch hierzu konnten die Teilnehmer der Online-Tagung eine Frage beantworten und ihre Einschätzung der Umsatzentwicklung für das zweite Halbjahr 2020 abgeben. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) glauben, unterm Strich besser als im Vorjahr abzuschneiden, 11 Prozent sehen sich auf Vorjahresniveau. Diesen zwei Dritteln positiv gestimmter Händler steht ein Drittel pessimistischer Kollegen gegenüber: 33 Prozent rechnen mit leicht schlechteren Umsätzen. Deppe wertete die Zahlen als ein insgesamt gutes Zeichen. Ausreißer nach oben wie nach unten (deutlich bessere oder deutlich schlechtere Umsatzerwartungen) gab es nicht.

Im Möbelbereich gebe es eine robuste Situation, auf der Großfläche hätten viele Unternehmen wieder gut aufholen können. Und auch für den Fachhandel sieht der Unternehmensberater insgesamt gute Voraussetzungen: "Wir glauben, dass wir mit den Nachholeffekten auf einer breiten Basis eine relativ schnelle Erholung erleben werden." Trotzdem warnte Deppe vor zu großer Euphorie. "Insgesamt kommen wir robust aus der Krise, wenn die Einflüsse relativ sauber bleiben." Niemand wisse aber, wie sich Zukunftsängste aufgrund von Kurzarbeit oder Jobverlust auf die Konsumfreude auswirken. Und auch die berühmte zweite Welle sei ein Thema. Deppe: "Es gibt also auch Gründe, weiterhin vorsichtig zu sein."

Neben Deppe setzten Markus Kamps sowie die Fachhändler Björn Steinbrink und Michael Gouram weitere inhaltliche Akzente der Onlineveranstaltung (siehe nebenstehende Artikel). Im Abschlussvortrag ging Lattoflex-Geschäftsführer Boris Thomas auf die Ergebnisse der Schlafstudie ein, die sein Unternehmen durchgeführt hat (siehe auch Interview des Monats ab Seite 16). Er richtete, auch auf Basis der Studienergebnisse, den dringenden Appell an die Branche und insbesondere den stationären Bettenfachhandel, jetzt in die Offensive zu gehen. "Es nervt mich, wie wir mit dem Rücken an der Wand gestanden haben", so Thomas.

Die VDB-Tagung soll im kommenden Jahr wieder wie gewohnt stattfinden. Geplant ist sie für den 20. bis 21. April in Kassel.


Neue Ausbildung: 400 Schlafcoaches gesucht

Seit gut anderthalb Jahren betätigt sich der Wuppertaler Fachhändler Björn Steinbrink auch als Schlafcoach. Mit seiner Aktion "Deutschland lernt schlafen" startete er den ersten Schritt, die zertifizierte Ausbildung zum Schlafcoach ist der nächste. "Wir verdienen unser Geld mit Beratung und Produktverkauf", so Steinbrink, "unsere Branche ist sehr produktlastig." Das will er ändern respektive erweitern. "Denn 99 Prozent der Menschen schlafen deutlich schlechter, als sie eigentlich könnten", ist er überzeugt. Und das liege nicht an der Bettausstattung allein. Fragen wie Stressmanagement, Regeneration, Ernährung, Sport und anderes mehr spielten bei der Schlafqualität eine entscheidende Rolle. Hier setzt das Schlafcoaching an.

Und damit das Hand und Fuß hat und die Branche davon profitiert, brachte Steinbrink gemeinsam mit dem MZE und der Steinbeis Akademie eine zertifizierte Ausbildung zum Schlafcoach auf den Weg. Sie funktioniert in einer Mischung aus Online-Seminaren und Präsenzveranstaltungen sowie einer Hausarbeit. Der erste Kurs mit 25 Teilnehmern stand zum Termin der VDB-Onlinetagung unmittelbar vor dem Abschluss. "Unser Ziel ist es, in den kommenden drei Jahren 400 Schlafcoaches auszubilden", unterstrich Steinbrink. "So viele brauchen wir zur Marktdurchdringung."

Sein Kölner Kollege Michael Gouram von Betten Sauer, Teilnehmer des ersten Kurses, zeigte sich begeistert: "Es ist eine ganz andere Herangehensweise an das Thema Schlafen." Mit der zertifizierten Zusatzqualifikation kann er nun gegenüber seinen Kunden und dem Wettbewerb punkten. Fragen der Ernährung und der Bewegung sind wichtige Punkte der Ausbildung. "Ein Teil des Coachings ist natürlich auch die Ergonomie", erklärt Steinbrink. "Aber nicht gleich zu Beginn."

Bessere Regeneration, besseres Stressmanagement, besserer Schlaf: Das alles sollen die künftigen Coaches ihren Kunden vermitteln können. "Das Konzept ist keins für den Bettenfachhandel allein", so Steinbrink. 60 Prozent der Teilnehmer kämen sogar aus anderen Bereichen, etwa Physiotherapeuten oder Mitarbeiter aus dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Doch auch für seine unmittelbaren Kollegen sieht der Wuppertaler Fachhändler hier ein spannendes Potenzial, ihre Kompetenzen vor Ort zu erweitern: "Die Ausbildung muss ja nicht der Chef oder Inhaber machen - es kann auch ein Mitarbeiter sein."


Schlafexperte Markus Kamps: "Denken Sie preissensibler"

"Wir dürfen einen gesunden Zukunftsmut entwickeln, denn wir sind in der Bettenbranche weniger oder anders betroffen als etwa die Textil- oder andere Branchen." Schlafexperte Markus Kamps versuchte zu Beginn seines Onlinevortrages, Optimismus zu verbreiten, auch wenn er gegen Ende eine klare Warnung aussprach. Kamps setzte sich unter anderem mit aktuellen Erkenntnissen aus der Trendforschung während der Corona-Zeit auseinander.

Demnach habe sich das Bewusstsein vieler Menschen verändert. Themen wie Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit und Sinnfragen stünden aktuell stärker im Vordergrund und würden sich letztlich auch auf das Einkaufsverhalten auswirken, glaubt Kamps: "Wir profitieren künftig von Menschen, die eine optimistische Grundeinstellung haben, aber lokal denken." Auch beim Matratzenkauf würden Nachhaltigkeitsthemen immer wichtiger. "Wir müssen bei der Kundenansprache lernen, neu zu denken", so Kamps. "Es sind neue Beratungswege mit mehr Menschlichkeit notwendig."

Gesundheit werde als Trendthema immer stärker. Kamps nannte insgesamt drei Themen, die aktuelle Trendgewinner seien: Neben der Gesundheit noch Familie und familiäre Werte sowie Erfolg. Die Themen Nachhaltigkeit, Sicherheit und Generationen hätten dagegen leicht verloren. Eine Momentaufnahme: "Ich warne davor, sich nur auf Gesundheit oder Familie zu fokussieren.

Wenn Gesundheit für die Menschen so wichtig sei, müsse sich dennoch jeder Händler überlegen, wie er damit im eigenen Geschäft umgehe - das Thema sei aktuell größer als der Klimawandel. "Da muss man sich als Händler die Frage stellen: Was mache ich da selber?", so Kamps. "Was wissen sie beispielsweise über das Thema Ernährung und den Zusammenhang zum Schlaf und zum Bett? Was ist mit Bewegung? Mit psychosozialer Gesundheit?"

Kamps appellierte an die Händler, neue Angebote zu kreieren. "Denken Sie preissensibler, denken Sie mit mehr Sicherheitsankern", lautete seine Aufforderung, die er mit einer aktuellen Umfrage untermauerte. Demnach wollen 57 Prozent der deutschen Konsumenten künftig weniger Geld ausgeben, 69 Prozent gaben an, aktuell weniger Geld zur Verfügung zu haben. "Da können Sie als Händler nicht sagen: Ich mache einfach weiter wie bisher."
aus Haustex 07/20 (Personalien)