Hain Naturböden: Tomas Schwab im Interview

"Wir haben uns ganz klar für die Profischiene ausgesprochen"


2018 übernahm Meisterwerke Hain Naturböden, im August 2019 trat Tomas Schwab als Geschäftsführer in Rott am Inn an. Jetzt präsentiert sich das Unternehmen mit neuer Vertriebs- und Marketingstrategie. Die Positionierung im Hochwertbereich mit naturgeöltem Nut- und Feder-Dreischichtparkett bleibt unverändert. Parkett Magazin sprach mit Schwab über die Neuausrichtung und befragte dabei auch Meisterwerke-Marketingleiter Jörg Peterburs.

Parkett Magazin: Herr Schwab, Sie waren vorher in anderen Branchen unterwegs, als Sie mit der Geschäftsführung von Hain betraut wurden. Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Tomas Schwab: Mir ist die Parkettbranche gar nicht so unbekannt. Es ist nur schon ein bisschen her, gut 25 Jahre, dass ich für den finnischen Hersteller Paloheimo Parquets die deutsche Niederlassung aufgebaut habe. Und die Aufgabe ist sehr spannend, weil Hain-Parkett ein tolles Produkt ist, der Markt noch viele Möglichkeiten für dieses Produkt bietet und die Möglichkeit bestand, das Unternehmen auf ein neues Gleis zu setzen. Das mache ich persönlich gerne, und das liegt mir auch.

Sie sagen, Aufgaben dieser Art liegen Ihnen...
was hat Sie noch dafür prädestiniert?

Ich bin ja nicht erst seit gestern in dem Geschäft und habe viel Erfahrung in den Bereichen Marketing und Vertrieb sowie im General Management, d.h. auch Personalwesen, Finanzen und IT sind mir nicht fremd. Plus die Historie im Bereich Holz - das passt alles ganz gut zusammen.

Wie ist Ihr Eindruck von der Branche,
verglichen mit Mitte der 1990er Jahre?

Damals war der große Konkurrent des Parketts das Laminat, heute ist es Vinyl, bzw. sind es Designbeläge - aus der reinen Holzsicht gesprochen. Und Themen wie der Preisverfall und der Wettbewerb aus Fernost sind aktueller. Das begann sich damals am Horizont abzuzeichnen, war aber lange nicht in der Form ausgeprägt wie heute.
Und die Sortimente waren anders. Die Landhausdiele war noch kein solches Thema, sondern Schiffsboden bzw. Mehrstabparkett. Auch bei Mosaikparkett war die Welt noch in Ordnung. Fertigparkett war ganz neu, musste erst noch von den Profis akzeptiert werden. Klickparkett gab es überhaupt noch nicht. Es hat sich also vieles verändert - und dann doch wieder nicht so viel, denn die großen Branchenplayer sind im Wesentlichen die Gleichen wie früher.

Aber es gab schon geölte Oberflächen, wobei nicht viele geölt haben. Insofern schließt sich hier für mich der Kreis, denn wir waren mit Paloheimo Kunde bei Hain und haben Rohdielen aus Finnland beim Öl-Pionier Hain ölen lassen.

Als Sie im vergangenen Sommer zu Hain kamen,
was fanden Sie dort vor?

Ein tolles Produkt, eine relativ gut strukturierte Produktion und eine zweigeteilte Vertriebsorganisation. Damals hat Hain in den Showrooms noch direkt an den Endverbraucher verkauft... ein etwas verzettelter Ansatz in den Bereichen Vertrieb und Marketing. Das galt es zusammenzuführen.

Welche Maßnahmen haben Sie zuerst ergriffen?

Wir wollten zuerst weg vom Direktverkauf, haben also den Werksverkauf eingestellt, die Showrooms geschlossen, samt allem, was damit zusammenhängt wie Kündigung der Mietverträge, Rückbau der Räumlichkeiten und den Vertrieb zusammengeführt. Danach haben wir das Sortiment weiter gestrafft, was in eine neue Preisliste und einen neuen Katalog gemündet ist.

Ich habe eine Zahl von 300.000 m2 für Hain im Kopf. Ist die so richtig und war das Unternehmen ausgelastet, als Sie nach Rott am Inn kamen?

Wir hatten in der Tat mit Lieferzeiten zu kämpfen, gerade im Sommer. Diese Probleme haben wir inzwischen gelöst, auch durch die Restrukturierung des Programms. Das ist immer noch sehr vielfältig, das ist auch unser Anspruch, und trotzdem übersichtlicher. Hain hatte zuvor sehr viele verschiedene Formate gefertigt. Die Kapazität ändert sich dadurch natürlich nicht, aber die Produktivität: Wir können die Losgrößen verändern. Wir fahren nach wie vor im Einschichtbetrieb, könnten aber jederzeit auf zwei Schichten erweitern, wenn wir das wollten und die Auftragslage es verlangt. Die Weichen dafür sind gestellt.

Hain macht doch eigentlich nur Auftragsfertigung - warum ist es dann nötig, das Programm zu straffen? Oder nehmen Sie mehr Standardprodukte als Halbfertigware auf Lager?

Beides. Für Profikunden war es eher Auftragsfertigung, im Direktvertrieb natürlich nicht, da haben wir bestimmte lagerhaltige Produkte verkauft. In der Tat ist es so, dass wir nun die Produktion dahingehend straffen wollen, dass wir mehr Halbfertig- und Fertigprodukte am Lager führen, die dann zum Beispiel nur noch oberflächenveredelt werden müssen.

Aber war nicht die Flexibilität und das Angebot,
alles machen zu können, auch ein USP?

Das ist es ja nach wie vor. Wir machen immer noch alles, aber man muss auch differenzieren zwischen dem, was nachgefragt wird und was tatsächlich möglich ist. Wir werden weiterhin unser "Unica"-Sortiment haben, d.h. ein Manufaktur-Angebot auf Bestellung und ein Standard-Sortiment aus dem Katalog. Das übrigens immer noch sehr breit ist und viele, viele Möglichkeiten bietet.

Und dieses Standard-Sortiment wird ab Lager geliefert oder als Halbfertigware vorgehalten?

Meistens als Halbfertigware, weil die Anzahl der Oberflächenvarianten so groß ist, dass wir sie nicht komplett am Lager halten können.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ihrem Sägewerk in der Slowakei? Schneiden die das Rundholz ein und beziehen Sie die Decklagen von dort?

Ja, genau. Allerdings nicht komplett, weil deren Kapazitäten dafür nicht ausreichen. Wir beziehen die Decklamellen nach Möglichkeit in dem Trocknungsgrad, in dem wir sie brauchen, so dass wir sie gleich verarbeiten können. Teilweise wird in der Slowakei auch für uns vorproduziert, d.h. bei Bedarf werden bestimmte Rohdielen vorgefertigt, die wir dann oberflächenveredeln. Das ist historisch so gewachsen.

Wie sieht denn die Zukunft des Sägewerks aus?

Im Moment unverändert. Wir werden beobachten, wie sich der Markt entwickelt, auch der Markt der Zulieferer.

Auf welchem Stand war die Produktion in Rott? Waren Investitionen notwendig?

Nicht im großen Stil, nur kleinere Ersatz- oder Optimierungsinvestitionen. Wir werden sicher in Zukunft das eine oder andere investieren, aber eher in Digitalisierung und Logistik.

Nun ist Hain mit seinem Manufakturcharakter - ich denke da nur an die Hordenwagen, die noch per Hand bestückt werden - technisch ganz anders aufgestellt als die automatisierte, hochindustrielle Produktion der Muttergesellschaft in Meiste... und Familie Schulte ist bekanntermaßen technikaffin. Wirkt sich das in Rott aus?

Sie meinen, inwieweit es einen Produktionsverbund geben könnte? Darüber werden wir sicherlich nachdenken. Finalisiert ist hier zur Zeit aber noch nichts. Das Management der Meisterwerke hat allerdings immer wieder betont, dass die Oberfläche, die schon seit vielen Jahren unser USP ist, dies auch bleiben soll, am Standort Rott.

Das heißt, produktionstechnisch findet derzeit noch keine oder kaum Interaktion zwischen den beiden Standorten statt?

Das ist richtig. Wobei wir natürlich versuchen, Synergien im Einkauf zu bündeln.

Hat sich an der Belegschaft zahlenmäßig
etwas geändert?

Nicht wirklich. Wir haben es geschafft, fast alle Mitarbeiter, die vorher im Werksverkauf und der Verlegung beschäftigt waren, zu integrieren. Die Verleger sind jetzt in der Anwendungstechnik aktiv, die Berater aus den Showrooms im Außendienst. Wir sind zwar zahlenmäßig etwas weniger, das ist aber mehr oder weniger in organischer Fluktuation begründet, es gab keinen direkten Personalabbau. Wir sind jetzt ca. 75 Personen in Rott; das ist eine Personaldecke, mit der wir gut arbeiten können.

Wie passen die beiden Unternehmenskulturen zusammen? Auch wenn beides Familienbetriebe sind, sind die Größenordnungen und Firmenphilosophien doch unterschiedlich.

Zu dem Zeitpunkt, als ich zu Hain kam, war die Übernahme ja schon eine Weile her. Ich habe keine größeren Friktionen gespürt und denke, dass die Integration gut verlaufen und behutsam gemacht worden ist. Es war kein großer Kulturschock.

Kommen wir zum Vertrieb. Sie sagten bereits eingangs, dass Sie die Vertriebsorganisation bereinigt und zusammengeführt haben. Wobei Sie ja durchaus noch zweigleisig agieren: dreistufig über den Handel wie auch zweistufig über den Verleger. Funktioniert das nebeneinander?

Ja, sehr gut sogar. Das liegt aber auch an unseren Produkten. Wir haben uns nicht nur im Vertrieb, sondern auch in unseren Produkten ganz klar für die Profischiene ausgesprochen, d.h. profiorientierte Produkte. Zum Beispiel bieten wir keine Klickprodukte an, sondern nur Nut und Feder. Insofern sind wir schon mal gar nicht für jeden Händler interessant. Und wir verkaufen auch nicht an jeden. Wir sprechen gezielt Verleger mit Ausstellung und den Holzhandel an - und hier sind unsere Hauptzielgruppe wiederum
diejenigen, die sich konzentriert und spezifisch mit dem Thema Parkett und Naturböden beschäftigen.

Was mir früher auch aufgefallen war: es schien keine konsistente Vertriebsstrategie zu geben, wenig zielgerichtet, eher ein Spot-Geschäft, mal hier, mal dort...

Der Eindruck war sicher richtig. Das hatte wohl damit zu tun, das man alle Produkte verkaufen wollte, die man machen konnte. Das hat sich inzwischen komplett gedreht, wir sind auf einem ganz anderen Weg. Wir haben eine klare Strategie, jeder weiß, wo es langgeht, jeder hat eine klare Aufgabe, wir haben ein Unternehmensleitbild geschaffen, das jeder Mitarbeiter kennt. Auch das Thema Auslandsmärkte gehen wir strategisch an und nicht mehr als reines Mitnahmegeschäft.

Ist das für Ihre Kunden spürbar?

Ja, die Kunden spüren und honorieren, dass wir anders aufgestellt sind. Sie spüren natürlich auch den Rückhalt der Muttergesellschaft, den wir haben.

Für Hain war immer das Objekt eine wichtige Säule, Ihre Muttergesellschaft baut jetzt das Objektgeschäft auf. Agieren Sie beide separat oder kooperieren Sie?

Wir sondieren gerade, wie weit es Sinn macht, das Thema Objekt gemeinsam zu bearbeiten. Wobei man sehen muss, dass die Objekte, die Hain bearbeitet, nicht unbedingt der Größenordnung entsprechen, die für die Meisterwerke interessant sind. Dafür haben wir wiederum einen guten Zugang zum Verleger.

In den letzten Jahren hat sich Hain im Umsatz zwischen 15 und 17 Mio. EUR bewegt und galt, um es vorsichtig zu formulieren, nicht unbedingt als gesund. Woran lag das? Nur an dieser aufgeblähten Vertriebsstruktur, die Sie vorhin beschrieben haben?

Aufgebläht ist zu hart formuliert. Ich würde es intensive Vertriebsstruktur nennen. Und ja, das war ein Grund, außerdem die Showrooms und die sehr personalintensive, komplexe Verlegung. Ich glaube, man hat unterschätzt, welche Komplexität und welcher Aufwand hinter der Abwicklung größerer Bauvorhaben stehen. Das alles zusammen hat sicher die Kosten in die Höhe getrieben. Wobei wir auf einem guten Weg sind, ohne dass ich zu sehr ins Detail gehen will. Da ist eine deutliche Besserung zu spüren und wir sind moderat optimistisch.

Ihre Muttergesellschaft baut ihr Parkettsortiment mit einem Produkt mit Fichte-Mittellage nach oben aus. Könnte es andersherum sein, dass Sie Ihr Programm mit Klickparkett nach unten abrunden?
Nein. Aus meiner langjährigen Erfahrung im Marketing auch in anderen Industrien weiß ich, dass man unglaubwürdig wird, wenn man jede Möglichkeit nutzt, nach rechts oder links von seiner Positionierung abzuweichen.

Deshalb dürfen wir uns nicht ablenken lassen und sollten zum Beispiel nicht anfangen, unter der Marke Hain PVC o.ä. zu vertreiben. Sicher müssen wir überlegen, was wir in unserem Produktsegment künftig an Innovationen brauchen. Vielleicht fällt uns dazu bis zur Bau in München ja noch etwas ein...

Nun gibt es andere Parketthersteller, die ähnlich agieren wie Hain, bzw. sich ähnlich positioniert haben. Wie differenzieren Sie sich denen gegenüber, was ist Ihr USP?

Bezogen auf das Produkt, ist das auf jeden Fall die Oberfläche. Unsere Öl-Oberfläche ist etwas ganz Besonderes, das wird allenthalben immer wieder bestätigt. Auch die Art und Weise, wie wir sie herstellen, das ist ein schonender, sorgfältiger Prozess. Was uns sicher ebenfalls auszeichnet, sind die anderen Produktfeatures, wie die 4 mm-Nutzschicht. Plus die Tatsache, dass wir eine gewachsene Struktur haben, die sich wirklich ganz flexibel auf die Wünsche der Kunden einstellen kann. Wir sind von Haus aus extrem kundenorientiert.

Jörg Peterburs: Was uns ganz wichtig ist, zu unterstreichen: Hain fertigt sehr hochwertige Produkte, stellt sich vertrieblich neu auf und was wir als Muttergesellschaft dazu beisteuern können, ist dass wir diese Hochwertigkeit und Exklusivität über die Marketinginstrumente kommunizieren wollen.
Wir sind gerade dabei, sie zu erstellen, digital ebenso wie analog. Wir haben bereits das Logo verändert, neue Farbe und neue Typo, ohne den bajuwarischen Charakter zu verlieren. Den wollen wir durch die Bildsprache sogar besonders in den Vordergrund stellen. Neben den Produktfeatures ist die Story immer noch ein gutes Differenzierungskriterium. Wir wollen mit dem gesamten Vermarktungsansatz deutlich hervorheben, dass das Produkt aus der Region kommt. Im Export treten wir sogar bewusst mit "Made in Bavaria" auf. Dieser Markenrelaunch ist ein klares Indiz für die Neuausrichtung. Das komplette neue Erscheinungsbild wird bis zum Herbst fertig sein.

Schwab: Im Zuge des Markenrelaunch werden wir auch den Showroom in Rott komplett umgestalten. Das neue Konzept geht mehr in Richtung Verleger; wir wollen sie an das Produkt heranführen und vermehrt praktisch schulen - angefangen bei der Untergrundvorbereitung über die Verlegung bis hin zum Ölen auf der Baustelle und der richtigen Pflege.

Herr Schwab, Sie scheinen, anders als bei übernommenen Unternehmen in der Regel üblich, in Rott relativ autark und unabhängig agieren zu können....

Schwab: Ja, wobei man ein paar Dinge unterscheiden muss: Auf der einen Seite haben wir den Markt, den Vertrieb und die Marke, die tatsächlich bewusst unabhängig von der Muttergesellschaft gesehen werden. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich Synergien schaffen und suchen den Schulterschluss, zum Beispiel im Einkauf, im Marketing, in der IT und in der Buchhaltung.

Peterburs: Hain ist aus unserer Perspektive komplett eigenständig, weil sie auch in einem eigenständigen Segment unterwegs sind. Wenn wir aus Meiste zu sehr eingreifen würden, würden wir aus meiner Sicht die Marke und das Produkt beschädigen. Deshalb unterstreichen wir den Manufakturcharakter des Unternehmens und des Produktes.

Das heißt, der Name Hain bleibt erhalten, obgleich keine Verbindung mehr zur namensgebenden Familie besteht?

Schwab: Ja. Der hat einen guten Klang, ist hier auch regional bekannt. Normalerweise hat der Endverbraucher keine Parkettmarken im aktiven Markengedächtnis, aber hier in der Region kennen die Menschen Hain als Parkettmarke.

Herr Schwab, mit Ihrer Beratungsgesellschaft waren Sie in den letzten Jahren vornehmlich im Interims-Management unterwegs. Sehen Sie Hain als eine längerfristige Aufgabe an?

Schwab: Unbedingt. Das ist zumindest mein Wunsch. Und auch in Rott ist alles darauf angelegt, dass ich gemeinsam mit meinem Team die Früchte dessen ernte, was wir jetzt säen. Das Gespräch führte Claudia Weidt im Februar 2020.



Tomas Schwab, Dipl.Kfm., startete seine berufliche Karriere im Vertrieb bei Villeroy & Boch. Von 1993 bis 1996 kam er zum ersten Mal mit der Parkettbranche in Berührung, als er für den finnischen Hersteller Paloheimo die deutsche Vertriebsgesellschaft für dessen Lamella-Parkett aufbaute. Danach bekleidete er Führungspositionen bei Fissler, der Brita Group, Soda Stream und Stiebel Eltron. 2011 machte er sich mit der Beratungsgesellschaft TS Consulting selbstständig und übernahm Mandate im Interims-Management in verschiedenen Branchen. Zum 1. August 2019 wurde er zum Geschäftsführer von Hain Naturböden berufen, nachdem die frühere geschäftsführende Gesellschafterin Susanne Hain wenige Monate zuvor ausgeschieden war. Tomas Schwab lebt in München.
aus Parkett Magazin 03/20 (Wirtschaft)