EuroComfort Group, Bocholt

"Wir werden versuchen, unsere Marktposition weiter zu stärken"

Die inhabergeführte EuroComfort Group ist nicht nur einer der größten europäischen Hersteller von Matratzen und Bettwaren. Neben Deutschland produziert das Unternehmen auch in China, Frankreich, Polen und Litauen - und ist damit in der Corona-Krise besonders gefordert. CEO Thomas Bußkamp blickt dennoch zuversichtlich nach vorne. Im Haustex-Interview spricht er gemeinsam mit CCO Rainer Brockmöller über die aktuellen Herausforderungen für das Unternehmen und die Branche insgesamt, sowie über die Perspektiven für die Zeit nach der Krise.

Haustex: Herr Bußkamp, Sie haben mit der Corona-Krise schon etwas länger zu tun, weil Sie auch in China produzieren. Trotzdem: Haben Sie sich eine Situation in Deutschland vorstellen können, wie wir sie aktuell erleben?

Thomas Bußkamp: In der vorletzten Haustex-Ausgabe hatte ich mich ja schon einmal zum Thema geäußert. Damals war ich noch anderer Meinung, auch, weil das Thema in China verhältnismäßig schnell geklärt war, unsere ergriffenen Maßnahmen haben Wirkung gezeigt und wir hatten die Situation im Griff. Wir konnten die Lieferkette vergleichsweise schnell wieder aufbauen, weil wir einen guten Standard haben. Damals dachte ich noch, das größte Problem wird sein, die Lieferkette in China wieder zum Laufen zu bringen, um mit all unseren Verpflichtungen lieferfähig zu bleiben.

Haustex: Ist Ihnen das gelungen?

Bußkamp: Das größte Problem damals war zu entscheiden, welche Artikel wir aufgrund der ausgefallenen Produktion zuerst produzieren: Markenartikel für den Fachhandel oder Artikel für Großkunden. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war die Frage, welche Strukturen im Handel wohl zuerst geschlossen würden, sollte es ganz schlimm kommen. Danach haben wir unsere Entscheidung ausgerichtet und die Ware produziert, die wir jetzt auch weiterhin verkaufen konnten: Online und im Lebensmitteldiscount, aber nicht für den Möbelhandel.

Haustex: Wie ist die Situation für Sie in China heute?

Bußkamp: Wir haben mit unserem Werk und den Lieferanten in China das Glück, dass die produzierte Ware auch abgenommen wird. Aber die gesamte textile Kette in Südost-Asien steht vor einem Scherbenhaufen ohne gleichen: Vom Möbler über den Discounter bis zu Textilhändlern haben viele die Ware nicht mehr abgenommen, teilweise können ganze Kollektionen im modischen Bereich nicht mehr abverkauft werden. Das wird in Asien zu massiven Einbrüchen führen.

Haustex: Welche Konsequenzen spüren Sie konkret?

Bußkamp: Unsere Strukturen laufen zu hundert Prozent, so lange wir genug Material haben. Noch haben wir Vorräte, weil wir ein Unternehmen sind, das sich immer erlauben konnte, große Vorräte zu halten. Das hilft in diesem Moment, aber irgendwann ist auch das größte Lager einmal leer. Es gibt in China jetzt gewisse Kapazitätseinschränkungen. Bestimmte Stoffe etwa, die wir für die Encasing-Produktion benötigen, werden jetzt genutzt, um daraus beispielsweise OP-Kittel herzustellen.

Haustex: Welche Folgen hat das für Sie?

Bußkamp: Wir sind momentan damit beschäftigt, Alternativen aufzubauen, auch für Großaufträge, die wir ja haben und liefern müssen. Gleichzeitig bricht unsere Kostenstruktur ein, weil wir bestimmte Materialien gar nicht mehr beschaffen können. Für Polypropylen-Spinnvlies haben sich die Beschaffungspreise in China binnen einer Woche verzehnfacht. Wir verwenden dieses Material für Decken, Kopfkissen oder Matratzenbezüge. Also schicken wir aktuell Material von Europa nach China, um es dort verarbeiten zu können. Aber auch die Kosten für die Luftfracht haben sich verfünffacht.

Haustex: Außer in China produzieren sie an verschiedenen Standorten in Europa. Deutschland, Frankreich, Litauen, Polen - überall herrschen andere Voraussetzungen in Zeiten der Krise. Wie haben Sie hier jeweils reagiert?

Bußkamp: In China haben wir sofort Hygienemaßnahmen nach westlichem Standard eingeführt. Wir haben dort ja auch eine Fabrik nach westlichem Standard. Sobald die Mitarbeiter wieder arbeiten konnten, haben wir Temperaturkontrollen eingeführt, sie haben komplette Schutzausrüstungen erhalten, also zwei Masken pro Tag und zusätzlich auch Schutzanzüge. In der Kantine wird entsprechend Abstand gehalten, alles läuft umschichtig. Bis heute haben wir keinen einzigen Corona-Fall in China. Wir haben alles dokumentiert und hatten damit eine sehr gute Blaupause für unsere Fabriken in Europa.

Haustex: Welche Maßnahmen greifen an diesen Standorten?

Bußkamp: In Frankreich haben wir als erstem Produktionsstandort schon vor mehreren Wochen Masken eingeführt und auch rechtzeitig dafür gesorgt, dass ausreichend Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. Mittlerweile haben wir an allen Standorten in der Produktion und teilweise in den Büros eine Maskenpflicht eingeführt. Auch in den Büros arbeiten wir teilweise umschichtig, um im Fall des Falles schnell reagieren und den Kreis der Betroffenen eingrenzen zu können. Wir haben aber auch hier in Deutschland Mitarbeiter, die zum Beispiel aus Thailand, Sri Lanka oder aus den Skigebieten in Österreich zurückkamen, auf unsere Kosten sofort nach Hause geschickt.

Haustex: Gab oder gibt es auch größere Ausfälle aufgrund der Pandemie?

Bußkamp: In unserem großen Nähbetrieb in Litauen haben wir die gleichen Maßnahmen ergriffen wie an den anderen Standorten. Das Land ist insgesamt relativ wenig betroffen. Deshalb waren offenbar viele Menschen dort der Meinung, dass die Krise bereits überstanden sei. Nach den Osterferien kam eine Person mit Krankheitssymptomen in die Produktion, wurde von uns zum Arzt geschickt, dort aber nicht getestet. Das war unser Fall Null: Diese Person hat viele Kollegen angesteckt. Unsere 325 Mitarbeiter wurden daraufhin alle gestetet, 80 von ihnen waren infiziert. Die Folge war, dass der gesamte Betrieb stillstand und alle Beschäftigten für zwei Wochen in Quarantäne geschickt wurden.

Haustex: Wie hat sich das innerhalb der Gruppe ausgewirkt?

Bußkamp: Hätten wir nicht auch an anderen Standorten ein flexibles Set-up, hätten wir nichts machen können. In Litauen werden alle Arten von Hüllen produziert, für Polsterkissen, aber auch für hochwertige Matratzenbezüge, und wenn es kapazitätsmäßig passt auch für Massenprodukte. Die Massenprodukte haben wir auf andere Produktionsstätten umgestellt, wo wir teilweise die Kurzarbeit wieder aufgehoben haben, um diese Produktion zu ermöglichen. Das Geschäft der Polsterkissen und Medical-Hüllen läuft über Lagerbestände. Wenn die aufgebraucht sind, ist erst einmal Feierabend. Hier haben wir noch relativ wenige Einschränkungen.

Haustex: Die Vielzahl von Standorten ist also gerade Ihre strategische Stärke?

Bußkamp: Ein Unternehmensberater würde das wahrscheinlich als No-Go sehen, dass wir beispielsweise zwei Fabriken in Deutschland haben, in denen genäht wird, in Polen vier Fabriken und in Litauen, Frankreich und China noch weitere. Das ist unter Kostengesichtspunkten vielleicht nicht die optimale Lösung, aber immer in der Absicht geschehen, dass wir in einem Fall wie diesem flexibel reagieren können. Wir haben, abgesehen von kleinen Einschränkungen im Markenbereich, bis heute jeden Auftrag geliefert.

Haustex: Sehen das Ihre Abnehmer auch so gelassen?

Bußkamp: Die Preisdiskussionen gehen trotzdem weiter. Das ist das Unfassbare an dieser Situation. Den Handel, global gesehen und mit Ausnahmen, interessiert das alles nicht. Es gibt da leider keine Toleranz, kein Verständnis, keine Unterstützung, keine Solidarität. Es geht weiterhin leider oft nur um den Preis.

Haustex: Wie hat sich der Handel angesichts geschlossener Geschäfte Ihnen gegenüber verhalten?

Bußkamp: Wir haben die Situation, dass wir für etliche Millionen Euro Ware am Lager haben, die bestellt und zur Auslieferung bereit war, aber nicht abgenommen wurde.

Rainer Brockmöller: Wir hatten aber auch die Situation, dass Möbler nach dem Shutdown ihre Zentrallager noch eine gewisse Zeit geöffnet hatten, so dass wir immer noch anliefern konnten und es nicht sofort von hundert auf null ging. Aber irgendwann waren wir dann an dem Punkt. Es zieht jetzt langsam in Nordrhein-Westfalen wieder an, und ich denke, dass wir das auch in Kürze in den anderen Bundesländern erleben werden. Der Handel wird insgesamt langsam wieder anlaufen, aber sicher nicht gleich auf das Niveau, das wir vorher hatten. Aber die ganze Kette kommt sicher in Kürze wieder in Gang. (Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews durften Möbelhäuser über 800 qm Verkaufsfläche nur in NRW öffnen).

Haustex: Wie hat der Möbelhandel und speziell die Großfläche aus Ihrer Sicht die Schließungen verkraftet?

Bußkamp: Ikea beispielsweise ist nicht komplett auf null runtergefahren. Im Gegensatz zu den traditionellen Großflächen, die irgendwann auch ihre Lager geschlossen haben, weil bestimmte Hersteller dazu übergegangen sind, die Sommerferien vorzuziehen, speziell in Polen. Das Ziel war, jetzt für zwei oder drei Wochen zu schließen, um im Sommer durchproduzieren zu können, je nachdem, wie sich die Lage im Sommer entwickelt. Das haben wir mit unserer Möbelproduktion auch gemacht.

Brockmöller: Wir haben schon gemerkt, dass sich einige Unternehmen stark aufs Onlinegeschäft fokussiert haben. Ikea ist ein gutes Beispiel dafür. Dort hat man das Onlinegeschäft massiv gesteigert und über Maßnahmen wie Click & Collect die Standorte ein wenig am Leben erhalten. Die Kunden konnten online bestellen und in den Möbelhäusern die Ware abholen, die von den Mitarbeitern dort bereitgestellt wurde. Auch andere haben ihr Onlinegeschäft massiv forciert.

Haustex: Das funktioniert doch aber nur, wenn man hier auch vorher schon gut aufgestellt war, oder?

Bußkamp: Die Erkenntnis ist sicherlich in vielen Chefetagen angekommen, dass das nicht von heute auf morgen passiert. Es denken immer noch einige, dass es ausreicht, eine Internetseite mit einem Shop zu haben. Die wirklich erfolgreichen Online-Player haben durch die aktuelle Situation massiv gewonnen.

Haustex: Gilt das auch für die Online-Anbieter am Matratzenmarkt? Gehören auch sie zu den Gewinnern der Krise?

Bußkamp: Mit oder ohne Corona bin ich der Meinung, dass der Abverkauf und das Potenzial insbesondere der Online-Anbieter endlich ist, die sich hierzulande um den besten Test ever streiten. Fakt ist aber, dass andere Marktteilnehmer im Online-Bereich, unter denen wir einige wirklich große Kunden haben, massiv gewonnen haben. Hier reden wir aber über andere Produktgruppen als Matratzen, also über Decken, Kissen oder Gartenstuhlauflagen. Wer sich im Wesentlichen auf ein Produkt konzentriert und nicht breiter aufgestellt ist, verkauft meiner Meinung nach in dieser Lage auch nicht mehr.

Haustex: Wie wird sich die aktuelle Situation auf die unterschiedlichen Vertriebsformen auswirken?

Bußkamp: Ich glaube, dass der Lebensmitteldiscount mit seinen Non-Food-Sortimenten weiterhin zulegen wird. Die Mengen sind bereits in den vergangen Jahren enorm gewachsen. Da gibt es massive Aufträge und momentan auch Zusatzaufträge. Deshalb werden wir unsere Steppkapazität weiterhin ausbauen, weil wir hier jetzt schon absolut voll sind. Ich gehe aber auch davon aus, dass einzelne Vertriebsformen diese Krise nicht überleben werden. Im Matratzendiscount sieht es ja schon seit längerer Zeit nicht gut aus.

Brockmöller: Wer auf der Industrie- wie auf der Handelsseite schwach oder angeschlagen in diese Krise gegangen ist, wird große Probleme bekommen. Dass wir eine gute Qualität anbieten, das weiß man seit vielen Jahren. Aber es freut uns natürlich auch, dass wir in den letzten Tests bei Steppdecken oder Matratzen gut abgeschnitten haben. Das hilft uns jetzt natürlich.

Haustex: Heißt das, dass vor allem die Großen überleben?

Bußkamp: Sie werden auf jeden Fall profitieren.

Haustex: Dann wird sich handelsseitig die Marktmacht weiter konzentrieren. Wie bewerten sie das?

Bußkamp: Ich habe schon immer gesagt und stehe auch weiter dazu, dass nur ein gesunder, vielfältiger Wettbewerb für alle hilfreich sein kann. Monopolistische Strukturen sind immer kritisch zu sehen, auch für Hersteller. Das zeigt sich momentan: Wer nicht so breit aufgestellt ist, kriegt Probleme. Es hilft einem Unternehmen enorm, einerseits breit aufgestellt zu sein mit Marke, mit Private Label, mit verschiedenen Vertriebsschienen, und andererseits die Hausaufgaben im Bereich von Logistik und Dropshipping gemacht zu haben. Diese Möglichkeiten haben allerdings nicht viele.

Haustex: Befürchten Sie ein Ladensterben?

Bußkamp: Ich glaube, dass der ein oder andere Ladeninhaber jetzt die Krise nutzt, um eine Entscheidung zu treffen und sein Geschäft zu beenden. Aber auch ich als Unternehmer muss Entscheidungen treffen.

Haustex: Zum Beispiel?

Bußkamp: Ich überlege, ob ich alle Produktionen aufrechterhalte. Wir haben es mit erheblichen Kostensteigerungen zu tun. Nicht unbedingt im Rohstoffbereich. Aber wir reden hier über Logistik, über Personalkosten, über Mangel an Fachkräften. Also muss ich Entscheidungen treffen. Ich gehe davon aus, dass auch wir als Unternehmen eine Schrumpfkur einlegen werden. Wir werden in diesem Jahr deutlich Umsatz verlieren und unser vergangenes Rekordjahr nicht ansatzweise erreichen.

Brockmöller: Positiv ist immerhin, dass wir relativ stark aus dem vergangenen Jahr in diese schwierige Zeit hineingegangen sind.

Haustex: Herr Bußkamp, Sie sind Vorsitzender des Matratzenverbandes und Vorstand im Heimtex-Verband. Was hören Sie von Ihren Kollegen zur aktuellen Lage?

Bußkamp: Wir haben in den Verbänden verschiedene Umfragen gemacht. Unisono beklagen die Mitglieder ein Zusammenbrechen des Geschäftes von mehr als 50 Prozent. Beklagt wird auch, dass die staatlichen Maßnahmen nur sehr eingeschränkt helfen. Wir haben im Matratzenbereich einen Fall, der über eine Produktionsschließung nachdenkt. Ansonsten erlebe ich umsichtiges Handeln und es wird Ruhe bewahrt. Viele machen sich Gedanken über die Situation des Handels: Welche Strukturen laufen weiter, was passiert mit der Ware, die am Lager ist? Es herrscht keine Panik unter den Mitgliedern, aber es gibt viele Sorgen. Im Heimtex-Verband gehen wir ebenfalls davon aus, dass es zu Ausfällen kommen wird. So ist leider die Lage.

Haustex: Lassen sich entgangene Umsätze überhaupt kompensieren?

Brockmöller: Ich glaube nicht, dass es in dieser unsicheren Zeit zu Nachholeffekten im Handel kommt, insofern ist der Umsatz dort dann verloren. Die Krise wird zu Wettbewerbsverschärfungen führen, die wir teilweise jetzt schon beobachten können. Es wird sicherlich nicht so sein, dass der Durchschnittspreis einer Matratze in den kommenden Monaten steigt. Er wird weiter unter Druck geraten.

Haustex: Was bedeutet das für Ihre hochwertigeren Bereiche?

Bußkamp: Im Spannungsfeld von Marke und Fachhandel sowie Discount und Private Label sind wir auf beiden Seiten sehr erfolgreich. Wir haben weiterhin eine sehr positive Entwicklung und einen sehr schönen Erfolg mit Brinkhaus, gerade im Fachhandel, wo es eine hohe Akzeptanz gibt. Das wird weitergehen, auch wenn ich nicht weiß, wie groß dieses Potenzial künftig sein wird. Das Markengeschäft, bei dem wir aus dem Lager heraus liefern, ist weniger kritisch für uns. In den anderen Segmenten bereiten wir uns darauf vor, dass wir deutlich größere Aufträge bekommen. Das ist momentan schon der Fall.

Haustex: Größere Aufträge bedeuten aber nicht automatisch bessere Bedingungen.

Bußkamp: Es wird immer Nischen geben, die ihre Daseinsberechtigung haben, es wird auch weiterhin Menschen geben, die 1.000 Euro für eine Matratze ausgeben. Aber das Thema Preis steht absolut im Fokus unserer Vertriebspartner. Auch der letzte Test der StiWa mit einem Sieger, der 100 Euro kostet, geht in diese Richtung. Wir müssen uns künftig damit auseinandersetzen, dass das Low-Interest-Produkt Matratze fast schon zum Wegwerf-Produkt wird und die durchschnittlichen VK-Preise unter 200 Euro sinken.

Brockmöller: Unser Vorteil ist, dass wir alle Bereiche bedienen können. Vom Preiseinstieg im Bereich Discount und Online über den mittleren Bereich mit der Marke Irisette bis hin zum hochwertigen Segment mit der Marke Brinkhaus, die eine sehr positive Entwicklung hat. Bestes Beispiel dafür ist die Eröffnung eines Brinkhaus Shops im KaDeWe in Berlin. Natürlich bleibt die Frage, wie sich das nach der Krise weiter entwickelt.

Haustex: Und die Frage, wer dann noch da ist...

Bußkamp: Wir als Hersteller sind nicht für den Handel verantwortlich. Wer ein Geschäft hat und gut verkaufen kann, egal welches Sortiment, wird auch weiterhin gut verkaufen, weil er seinen Job gut macht.

Haustex: Rechnen Sie bei den Online-Anbietern mit einer weiteren Marktbereinigung?

Bußkamp: Ein paar Anbieter sind ja bereits weggebrochen. Auch im Bettwarenbereich gibt es mittlerweile eine kaum noch überschaubare Zahl an Online-Shops, auch auf den verschiedenen Marktplätzen. Das Problem ist, dort Geld zu verdienen. Das gelingt, soweit ich das beurteilen kann, den wenigsten. Und irgendwann ist das Risikokapital einmal zu Ende. Vielleicht ist Corona hier auch eine bereinigende Situation. Handel ist nun einmal rein liquiditätsgetrieben. Es interessiert weniger, ob jemand Gewinn oder Verlust macht, es geht nur um Cash. Solange man noch Geld hat, dreht sich das Rad weiter, aber es muss immer schneller und immer größer werden. Da gibt es irgendwann eine Grenze.

Haustex: Um die Liquidität zu sichern, haben Bund und Länder diverse Hilfspakete geschnürt. Verdienen die Maßnahmen diesen Namen?

Bußkamp: Es bekommt nur derjenige Geld, der eine positive Fortführungsprognose hat und im Controlling sowie seinen Zahlen eine gewisse Professionalität aufweisen kann. Damit ist diese Frage schon beantwortet. Wer diese Prognose nicht hat, wird leer ausgehen. Darüber kann man sicher streiten, das ist zum Beispiel für ein Restaurant oder eine Kneipe bedauerlich, wenn man die Vielfalt mag. Aber wer im Handel kein Geld mehr hat und auch kein Geld mehr verdient, muss irgendwann abschließen. Man muss im Sinne von Gerechtigkeit und Gleichheit auch fragen, warum eine schwächelnde Struktur noch Zuwendungen erhalten soll, sofern sie nicht systemrelevant oder wichtig für das Land ist. Ich muss auch alles wieder zurückzahlen. Und wenn ich nicht darlegen könnte, dass ich ein gutes Geschäftsmodell habe, würde ich keine Unterstützung bekommen.

Haustex: Also rechnen auch Sie mit einer Pleitewelle?

Bußkamp: Die wirkliche Pleitewelle wird nicht jetzt kommen, sie kommt mit Verzögerung - Ende des Jahres, vielleicht im nächsten. Da werden viele Leute erkennen, dass sie ihre Verpflichtungen nicht mehr bedienen können. Das bezahlt dann die Gemeinschaft. Und deshalb werden wir auch nicht erleben, dass die Steuern sinken. Sie werden steigen. Dann wird jemand wie ich, der international tätig ist, schauen, wo er sein Geld verdient.

Haustex: Können Sie sich auch weitere Übernahmen vorstellen?

Bußkamp: Die Dinge sind schwer vorherzusagen und die Karten werden neu gemischt, das werden wir abwarten. Niemand weiß, wie es im Möbel- oder im Bettwarenbereich in sechs Monaten oder einem Jahr aussehen wird. Es wird sich möglicherweise die eine oder andere Möglichkeit ergeben, weil andere schwächeln. Hier sind wir bereit und verfügen auch über Mittel, um strategisch voranzugehen.

Haustex: Sie bleiben also trotz der Krise optimistisch?

Bußkamp: Wir sind trotzdem zuversichtlich. Als Unternehmer muss ich sagen: In diesem Jahr werde ich wahrscheinlich keinen Gewinn machen. Meine Finanzpartner sagen, dass dies noch eine relativ komfortable Situation ist. Die Maßstäbe ändern sich hier momentan ja auch. Und im kommenden Jahr wird dann wieder geschaut, wie die Performance ist.

Haustex: Sie beschäftigen über 6.000 Menschen. Welche Perspektiven können Sie Ihren Mitarbeitern geben?

Bußkamp: Ich stehe zu meinen Leuten. Wir haben bislang niemand entlassen und werden auch vorerst niemanden entlassen. Wir machen Kurzarbeit, aber sehr unterschiedlich, und wir werden aufstocken, auch dort wo wir keine Tarifverträge haben. Wir behandeln alle Mitarbeiter in Deutschland gleich. Ich nutze die Mittel, die mir gegeben sind. In Polen beispielsweise gibt es Unterstützungsprogramme, wenn man einen Umsatzeinbruch nachweisen kann. Auch das hilft ein wenig.

Haustex: Aber den wesentlichen Beitrag müssen Sie selbst leisten. Wie schaffen Sie das?

Bußkamp: Die strukturellen Vorteile, die wir uns erarbeitet haben, helfen uns jetzt enorm, etwa unsere IT oder die Logistik. Im vergangenen Jahr habe ich gesagt: Logistik ist wichtiger als Produktion. Und das zeigt sich immer mehr.

Haustex: Allein in Ihr neues Logistik-Zentrum in Polen sind zuletzt 20 Mio. Euro geflossen. Bleibt Ihre Strategie auf weiteres Wachstum ausgerichtet?

Bußkamp: Wir werden jetzt erst einmal ein Jahr der Konsolidierung vor uns haben. Dennoch planen wir, ab August wieder auf altem Niveau zu sein. Das kommende Jahr wird voraussichtlich wieder positiv werden. Das vorausgesetzt, müssen wir auch die Kapazitäten entsprechend bereitstellen. Wir gehen auch mit strategischen Projekten voran und werden versuchen, unsere Marktposition weiter zu stärken, sei es in der Beschaffung, sei es in der weiteren Vertikalisierung der Produktion. Aber auch in Produktionsstätten, mit denen wir weitere Flexibilität bekommen. Wir sind in Polen logistisch gesehen an einem sehr interessanten Standort, aber produktionstechnisch nicht mehr optimal aufgestellt. Wir können durch unser Werk und unsere Partner in China eine Menge kompensieren, was uns weiterhin in eine gute Lage versetzt, auch wenn jetzt für eine gewisse Zeit die Beschaffungskosten höher sein werden. Aber wir werden uns weiter mit dem Thema einer Produktionsausweitung im osteuropäischen Raum auseinandersetzen.

Haustex: In Leszno haben sie bereits 35.000 Quadratmeter Logistikfläche geschaffen. Wird das noch weiter ausgebaut?

Bußkamp: Das war die erste Stufe. Entscheidend für uns ist, dass die Ware von einer Produktionsstätte auf direktem Weg zum Endkunden oder ins Geschäft kommt. Beim Dropshipping geht es nicht nur um das Thema Online, sondern um alle Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir hatten das Lager eigentlich geplant, um unsere Großaktionen abzuwickeln. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass das Thema Dropshipping so explodieren wird. Mittlerweile haben wir aber kaum noch Aktionsware, sondern fast nur noch Dropshipment-Ware im Lager - und es ist jetzt schon wieder zu klein. Im vergangenen Jahr waren wir bei etwa 20.000 Paketen, die pro Woche von dort verschickt wurden, aktuell gehen wir auf bis zu 40.000 Pakete. Und da ist noch kein Ende in Sicht.

Haustex: Wie schnell können sie angesichts dieser Entwicklung liefern?

Bußkamp: Wir liefern zwischen 24 und 48 Stunden. Auch unsere Handelspartner erkennen strategisch, dass es eine Win-Win-Situation für beide Seiten ist, wenn ein Paket nicht mehrfach angefasst werden muss, bevor es direkt zum Endkunden geht. All dies setzt voraus, dass man seine Hausaufgaben gemacht und auch rechtzeitig investiert hat. Wer hier nicht in Vorleistung tritt, ist auch kein richtiger Gesprächspartner für die Paketdienstleister - wer nicht groß ist, zahlt mehr.

Haustex: Lassen Sie uns über die neueste Marke in Ihrem Portfolio sprechen, Ewald Schillig. Auf der Möbelmesse in Köln haben Sie an Ihrem Stand damit überrascht, dass dort sehr viele Sofas zu sehen waren. Wie passt das zu einem Anbieter von Betten und Bettwaren?

Bußkamp: Man muss immer schauen, womit man strategisch sein Geschäft ausbauen kann. Schlafen und Sitzen gehört für mich zusammen, auch in der Produktion und ihren Abläufen passt das perfekt. Was Köln betrifft: Wir wollten nicht zwei Stände machen, was vielleicht logisch gewesen wäre. Unsere Position in Halle 9 ist gut, die Frequenz auch. Wir haben auf der Messe gut verkauft und im Bereich Polstermöbel unsere Platzierungen in Handel um mehr als 300 Platzierungen auf jetzt rund 1.400 ausgebaut.

Brockmöller: Die Gruppe hat schon immer viele Polstermöbel verkauft, auch wenn das vielleicht kaum jemand wusste. Davon sehr viel im Preiseinstieg mit großen Key Accounts. Aber wir haben auch immer schon als verlängerte Werkbank für Ewald Schillig und andere Hersteller gearbeitet. Angesichts unserer Mehrmarken-Strategie passte eine Marke wie Ewald Schillig, die im mittleren bis hochwertigen Bereich angesiedelt ist, ideal ins Portfolio. Wir haben die Marke insgesamt neu aufgestellt und auch das Marketing etwas emotionaler, etwas weiblicher gestaltet. Das ist auf der Messe sehr gut angenommen worden, und es wurde auch im Nachgang noch viel darüber gesprochen. Wir haben bereits die ersten 30 Shops, die jetzt im Möbelhandel als Shop-in-Shop-Konzept der Marke platziert werden.

Haustex: In Köln haben Sie angedeutet, im nächsten Jahr auch eine Betten-Kollektion unter Ewald Schillig zu lancieren. Bleibt es dabei?

Brockmöller: Wir haben im Bereich Boxspringbetten eine richtig schöne Steigerung erlebt, im letzten Jahr von über 35 Prozent. Wir haben sowohl im Fachhandel als auch im Möbelhandel eine schöne Platzierung im hochwertigen Bereich erreicht und sind hier auch überhaupt nicht im preisaggressiven Bereich unterwegs, sondern mit Irisette oder Badenia und Brinkhaus. Auch unser Boxspring-Konfigurator, den wir bereits vor einigen Jahren präsentiert haben, ist im Handel anerkannt und meines Wissens der beste, der momentan am Markt ist. Von daher ist der Druck, unter der Marke Ewald Schillig eine Kollektion an Betten anzubieten, nicht ganz so groß. Sicher liegt es nahe, damit irgendwann zu beginnen. Aber es muss auch in die Zeit passen.

Haustex: Vor Corona waren Klimaschutz und Nachhaltigkeit die beherrschenden Themen, auch in Ihren Sortimenten haben Sie darauf reagiert. Wie geht es hier weiter?

Brockmöller: Das Thema ist angesichts von Corona etwas in den Hintergrund gerückt. Jeder versucht, ums Überleben zu kämpfen. Da wird das Thema Nachhaltigkeit eher zurückgestellt. Aber es ist auf der Möbelmesse sehr gut angekommen. Nicht nur bei uns, es war überall ein Thema. Was bei uns den Unterschied macht ist, dass wir das Thema nicht nur im Hochwert-Bereich unter Brinkhaus Blue anbieten, sondern auch unter Irisette. Wir werden Irisette Greenline jetzt mit einem Großkunden zu einem bezahlbaren Preis umsetzen und platzieren. Andere Anbieter haben das in einem Bereich angesiedelt, von dem ich glaube, dass es vor allem ein jüngerer Kunde, der für das Thema offen ist, nicht bezahlen kann.

Bußkamp: Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an diesen Themen und haben mit Großkunden wie Ikea oder Lidl auch interessante Konzepte entwickelt. Wenn wir Anfragen bekommen, können wir mit vernünftigen Lösungen darauf reagieren, weil wir sie längst haben. Das war schon Teil der DNA bei XDream. Deshalb können wir auch mit Irisette Greenline eine Kollektion recht smart aufbauen. Wir versuchen Lösungen zu schaffen, die umsetzbar sind.

Haustex: Wird Corona das Nachhaltigkeits-Thema beflügeln?

Brockmöller: Ich glaube, dass auch globale Themen wie Nachhaltigkeit kurzfristig eher in den Hintergrund treten werden. Auch weil es jetzt in erster Linie um das Überleben eines jeden Unternehmens in der Krise geht und wir im Handel wahrscheinlich Preisschlachten erleben werden, um überhaupt wieder Frequenzen zu schaffen. Mittelfristig wird das Thema aber durch Corona weiter an Bedeutung gewinnen.

Bußkamp: Ein Umdenken muss definitiv stattfinden. Wir können mit unserer Umwelt nicht weiter so umgehen wie in der Vergangenheit. Wir investieren viel, auch in Zukunft. Nicht nur in Lagerkapaziäten, IT oder neue Maschinen, sondern auch in Ökologie.

Haustex: Wie sieht Ihre Zielstellung für die kommenden Monate aus?

Bußkamp: Jedes Unternehmen muss Geld verdienen und wachsen, um Forderungen zu erfüllen, Arbeitsplätze zu sichern und Perspektiven zu bieten. Das ist natürlich auch immer unser Ziel. Mir ist allerdings auch bewusst, dass unter diesen besonderen Umständen eine "schwarze" Null ein eher positives Unternehmensergebnis ist. Keine Erlössteigerung erzielen zu können, ist für mich absolut neu und ich gebe zu, dass es mir schwer fällt, mich damit zu arrangieren. Das Wichtigste ist aber im Moment, die Liquidität zu sichern, und da haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Wir werden sicherlich auch mit Forderungsausfällen zu tun haben und werden kämpfen müssen, um an unser Geld zu kommen. Darauf sind wir eingestellt. Wir für unseren Teil werden weiterhin ein solider und zuverlässiger Partner für alle Marktsegmente sein. Wir sind zuversichtlich und planen deshalb derzeit auch weiterhin unsere Messebeteiligung zur M.O.W. in Bad Salzuflen im September. Hier werden wir uns auf einer Standfläche von rund 700 Quadratmetern präsentieren.


Die wichtigsten Aussagen im Überblick:

- Die Produktion läuft zu hundert Prozent

- Ausfälle werden über die Standorte flexibel kompensiert

- Der Logisitik-Ausbau in Polen wird fortgesetzt

- Die Steppkapazitäten werden weiter ausgebaut

- Die Integration der Marke Ewald Schillig läuft erfolgreich

- Größerer Auftritt auf der M.O.W. geplant



Thomas Bußkamp

Thomas Bußkamp studierte in Krefeld Maschinenbau mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik und absolvierte gleichzeitig die Ausbildung zum Technischen Zeichner. Seine berufliche Laufbahn begann der Diplom-Ingenieur 1991 bei Lück als Assistent des Konstruktions- und Betriebsleiters. 1996 wurde er im gleichen Unternehmen Geschäftsführer und baute das Unternehmen kontinuierlich zur heutigen EuroComfort Group auf. 2014 erwarb er durch ein MBO die Mehrheitsanteile der EuroComfort Group. Seit 2017 ist Bußkamp alleiniger Inhaber der Unternehmensgruppe.


Rainer Brockmöller

Rainer Brockmöller begann seinen beruflichen Werdegang mit einer Ausbildung beim Bekleidungsunternehmen C&A und durchlief das Management-Trainee-Programm. Zusätzlich absolvierte er erfolgreich ein Studium an der St. Gallen Business School, das er als Diplom-Betriebswirt abschloss. 2001 wechselte er ins Bettwaren-Segment als Geschäftsführer bei der niederländischen Beter Bed Holding. 2006 kam er zur Fachmarktkette Matratzen Concord und wurde 2014 zum Geschäftsführer von Matratzen Concord DACH berufen. Seit November 2017 bekleidet Brockmöller bei der EuroComfort Group die Position des Chief Commercial Officers (CCO).


EuroComfort Group - in Kürze

Euro Comfort Holding GmbH
Vennweg 22
46395 Bocholt
Tel.: 02871/9979-0
Fax: 02871/9979-13
E-Mail: info@eurocomfort.de
Internet: www.eurocomfort.de
Geschäftsführer: Thomas Bußkamp,Dr. Brigitte Nimnate, Rainer Brockmöller, Andreas Buß

Beschäftigte: 6.300

Umsatz 2019: 380 Mio. Euro

Beteiligungen: Lück GmbH & Co. kg , Bocholt; Brinkhaus GmbH , Bocholt, Badenia Bettcomfort GmbH & Co. KG, Friesenheim ; Abeil SAS , Aurillac/ Frankreich ; Euroline Sp. z o.o. , Leszno/ Polen
Produktionsstandorte: Bocholt (Lück, Brinkhaus), Friesenheim (Badenia), Lezno/PL (Euro Comfort, Euroline, TB Logistic), Trzebien/PL (Textil Boleslawiec), Nemencine/LT (UAB Vilnika), Chuzhou/CHN (EuroComfort Asia Pacific), Kostrzyn/PL (Brinkhaus Polska), Aurillac/F (Abeil).

Produkte (rund 30.000 Artikel): Steppbetten und Kopfkissen mit Faser- und Naturhaarfüllung; Daunendecken und Kissen in vollstufiger Produktion; Nackenstützkissen; medizinische Liegehilfen; Polsterkissen; Matratzen; Verwandlungsmöbel aus Schaumstoff; Matratzenbezüge; Polstermöbelgarnituren, Polstermöbel-Elemente und Kissen für Polstermöbel, Caravaning, Schiffe; Boxspringbetten; Schlafcouch-Systeme, Outdoor-Möbel.
aus Haustex 05/20 (Wirtschaft)