Altro Deutschland GmbH & Co. KG

Altro: "Dessau profitiert vom Brexit"


Seit der Komplettübernahme durch die Altro-Gruppe 2018 wird der Debolon-Standort in Dessau umstrukturiert und ausgebaut. Der neue Geschäftsführer Olaf Dany und Communications Specialist Jobst von Heintze berichten, wie Integration und Modernisierung vorangehen.

BTH Heimtex: Wie kommt Altro Debolon am Standort Dessau mit den durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Einschränkungen zurecht?

Olaf Dany: Wir kommen unter diesen außergewöhnlichen Umständen erstaunlich gut zurecht. Die Produktion läuft ohne Einschränkungen. Wir produzieren in Deutschland und sind unabhängig von Lieferketten beispielsweise aus Asien. Wir haben früh auf die Situation reagiert und die Lagerbestände an Rohmaterialien aufgestockt.

Jobst von Heintze: Als europäisches Unternehmen mit Standorten in England und Deutschland haben wir zudem unseren Vertrieb in den vergangenen Monaten immer weiter digitalisiert. Das kommt uns jetzt zugute. Verkauf und Beratung gehen virtuell weiter. Wir stellen sicher, dass die Betreuung unserer Kunden kontinuierlich weiterläuft. Sie sind weiterhin in der Lage, zu spezifizieren und ihre Projekte voranzutreiben.

Dany: Wo gewünscht, sind unsere Vertriebsmitarbeiter auch noch draußen auf der Baustelle und machen Beratung. Der Großteil ist aber im Home Office.

Warenversorgung sichergestellt

BTH Heimtex: Ist die Warenversorgung Ihrer Kunden sichergestellt?

Dany: Ja, das läuft auf einem normalen Niveau. Generell haben wir eine gute bis sehr gute Auftragslage. Unsere Geschäftstätigkeit geht weiter. Es wird weiter gebaut; es werden weiterhin Bodenbeläge benötigt. Und diesen Bedarf decken wir. Wir gehen davon aus, dass nach der Corona-Krise in den Healthcare-Sektor, in dem wir als Altro stark sind, viel investiert wird.

von Heintze: Wir relaunchen gerade unser Looselay-Produkt Altro Cantata, das ohne Klebstoff verlegt wird. Die 2 m-Bahnenware stößt auf viel Interesse, beispielsweise in Krankenhäusern und im Pflegebereich. Der PVC-Belag macht Neuinstallation und Renovierung einfach und schnell - ohne lange Betriebsstörungen oder Sperrungen von Flächen.

BTH Heimtex: Blicken wir erst einmal zurück: Altro, Weltmarktführer für PVC-Sicherheitsböden und Hersteller von hygienischen Wandbelägen, ist seit 2015 Mehrheitsgesellschafter, seit 2018 schließlich alleiniger Eigentümer von Debolon. Wie ist der Stand der Integration der beiden Unternehmen? Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und England?

Dany: Seit der Komplettübernahme wird sehr eng zusammengearbeitet. Wir sind mit der Integration sehr weit vorangekommen. Aktuell packen wir das Thema Kulturwandel an, den wir hier in Dessau insgesamt vorantreiben müssen. Dieser Change-Prozess läuft auf breiter Basis und ist ein Grund gewesen, wieso ich im Mai vergangenen Jahres zu Altro nach Dessau gekommen bin.

Gemeinsame Strategie

BTH Heimtex: Können Sie das konkretisieren: Was tun Sie, um die Unternehmenskultur zu verändern?

Dany: Bis 2018, also vor der Komplettübernahme, waren Altro und Debolon im Prinzip zwei Unternehmen mit zwei Marken, zwei Portfolios, zwei Design- und Entwicklungsabteilungen, zwei Marketingabteilungen und so weiter. Heute ist das anders. Wir agieren global unter einer Marke: Altro. Diese steht für ein breites Gesamtsortiment. Dessen Teile werden zwar an zwei Standorten in Letchworth und Dessau produziert, aber die Durchgängigkeit ist heute eine viel größere als 2018. Die Gruppe hat auf das Gesamtsortiment kompletten Zugriff und kann es allen Kunden anbieten. Alle Abteilungen sind miteinander verzahnt und viel stärker angebunden, so dass wir auch rein organisatorisch in der Lage sind, unsere gemeinsame Strategie zu verfolgen und gemeinsam in eine Richtung zu gehen. Auch von unserem Denken und unserer Mentalität her sehen wir uns als ein gemeinsames, zusammenwachsendes Unternehmen.

BTH Heimtex: Wo wird was produziert? Debolon hat ja bereits einige Jahre vor der Übernahme für Altro Produkte hergestellt...

Dany: Hier in Dessau produzieren wir PVC-Rollenware, Treppenkantensysteme und sämtliche Designbeläge/LVT der Gruppe. Am Stammsitz von Altro im englischen Letchworth, 50 km nördlich von London, stellen wir überwiegend die Sicherheitsbeläge her.

Gerade im Hinblick auf den Brexit bauen wir den Standort Dessau aus, und haben in diesem Jahr Anlageninvestitionen von über 1 Mio. EUR geplant, seit 2018 sind mehr als 3 Mio. EUR investiert worden. Mittlerweile betreiben wir hier auch eine Digitaldruckanlage für Boden- und Wandbeläge als komplettes System inklusive Produktionsvorbereitung und digitaler Anbindung des Kunden.

BTH Heimtex: Wie sieht das Gesamtsortiment von Altro aktuell aus?

von Heintze: Unser Portfolio besteht aus Akustik-, Design- und Sicherheitsböden, aus Treppensystemen sowie aus hygienischen Wandbelägen; alles wird aus PVC hergestellt. Wir haben diese Produkte in einem durchdachten, hygienischen und technisch sowie optisch auf einander abgestimmten System aus Boden- und Wandbelägen zusammengebracht. Das ist der große Vorteil von Altro. Wir verkaufen eben nicht nur Böden sondern Lösungen für komplette Gebäude. Das können spezielle Funktionsbereiche wie Großküchen sein, aber auch Eingangsbereiche, Aufenthaltsräume, Sanitär- und Nassbereiche, Lagerräume sowie Treppen.

Dany: Dieser Systemgedanke erstreckt sich beispielsweise im Segment Systemgastronomie und Großküchen auch auf den Unterbodenaufbau, in Kooperation mit Partnern auf Klebstoffe, auf Abdichtungsebenen sowie Abflüsse. Dieses hochfunktionale Konzept mit Wandbelägen und zehn Jahren Gewährleistung für die Böden positionieren wir dann als Alternative zur keramischen Fliese.

Langjährige Debolon-Kunden zufrieden

BTH Heimtex: Nehmen Ihre Kunden, die zum überwiegenden Teil aus Debolon-Zeiten stammen, diese Neupositionierung als Systemanbieter mit Sicherheits- und Wandbelägen wahr? Oder ist das Unternehmen in den Augen vieler noch der traditionsreiche Hersteller von akustisch wirksamen Bodenbelägen vor allem für Mehrfamilienhäuser in Ostdeutschland?

von Heintze: Die überwältigende Mehrheit unserer langjährigen Kunden freut sich, jetzt auf ein größeres und vielfältigeres Sortiment zugreifen zu können. Viele, mit denen wir sprechen, sind auch ein Stück weit stolz und sehen die Einbindung von Debolon in einen weltweit tätigen Konzern als ostdeutsche Erfolgsgeschichte, die ihren Ursprung und viele Meilensteine hier in Dessau hatte. Und diese Erfolgsgeschichte geht jetzt als Teil von Altro weiter.

Dany: Sie haben die akustische Wirksamkeit der Beläge aus Dessau angesprochen. Diese Kompetenz zeichnet unsere Produktion natürlich nach wie vor aus: Auf unserer Anlage stellen wir im Streichverfahren einen speziellen porösen Schaumvlies in unterschiedlichen Varianten als Rückenkonstruktion her, der Geräusche wirksam absorbiert.

von Heintze: PVC-Böden aus Dessau bieten damit in der Branche bei einem der geringsten Flächengewichte/m2 mit 15 dB die höchste Trittschalldämmung in einem Arbeitsgang auf der Baustelle. Andere Beläge benötigen dafür beispielsweise eine Unterlage, die in einem zusätzlichen Arbeitsgang installiert werden muss. Oder sie sind schwerer. Mit diesen Argumenten können wir beim wichtiger werdenden Thema Akustik im Vertrieb punkten.

BTH Heimtex: Sie erwähnten bereits die Looselay-Bahnenware Cantata. Gewinnen ohne Klebstoff zu installierende Bodenbeläge allgemein weiter an Bedeutung? Sie sind bisher der einzige Hersteller von Looselay-Rollenware gewesen, der sie in Deutschland vertreibt. Jetzt hat mit Forbo ein Wettbewerber nachgezogen, der ein solches Produkt - wie weitere Anbieter - bereits auf anderen europäischen Märkten erfolgreich vertreibt.

von Heintze: Unser CEO Richard Kahn ist von der Zukunft dieser Produkte überzeugt. Altro hat bereits seit über zehn Jahren internationale Vertriebserfahrung mit der Looselay-Bahnenware Altro Cantata. Das wird uns auf dem deutschsprachigen Markt jetzt und in Zukunft zugute kommen, weil es einen Looselay-Trend gibt. Wir werden im Marketing deswegen unsere Kompetenz auf diesem Feld in den Fokus stellen. Diese Art der Verlegung wird in immer mehr Bereichen größere Akzeptanz finden, weil sie sicher, sinnvoll und auch nachhaltig ist. Sie spart Ressourcen, Kosten und Zeit und schont die Umwelt, weil der Belag erneut verlegt oder leicht recycelt werden kann.

15 Berater in D/A/CH

BTH Heimtex: Wenden wir uns dem Vertrieb zu. Wie ist dieser in der D/A/CH-Region organisiert?

Dany: Verkaufsleiter Deutschland ist Rolf-Dieter Proch. Die Mannschaft besteht aus 15 Vertriebsmitarbeitern plus drei Anwendungstechnikern, die sich je nach Aufgabenstellung auf der Baustelle eng mit den englischen Kollegen abstimmen. Eine Ebene höher ist die europäische Vertriebsleitung, die wiederum an die Gesamtvertriebsleitung berichtet, die in England sitzt.

Ich kümmere mich als Geschäftsführer hier in Dessau um alle lokalen Belange wie beispielsweise Produktion, Personal und Finanzen und mache auch regelmäßig Kundenbesuche. Ich stehe mit allen entsprechenden Abteilungen in England im engen Austausch, stimme mich mit der dortigen Geschäftsführung ab und nehme an den regelmäßigen Vorstandssitzungen in Letchworth teil. Diese Matrix-Organisationsstruktur ist hilfreich, die Belange der D/A/CH-Region mit denen des Gesamtkonzerns zu verzahnen.

BTH Heimtex: Welche Zielgruppen und Marktsegmente sind für Altro in D/A/CH wichtig?

von Heintze: Unsere Ansprechpartner sind Architekten und Planer, Betreiber sowie der Verleger. Unser Betätigungsfeld teilen wir in die beiden Bereiche Bauwesen und Transport ein. Im Bauwesen sind die Segmente Healthcare, Großküchen und Gastronomie sowie Hotels die wichtigsten. Transport als eigenständiger Sektor ist uns aber genauso wichtig wie der Bereich Bauwesen.

BTH Heimtex: Welche Bedeutung haben für Sie im Vertrieb in Deutschland der Groß- und Fachhandel?

Dany: Diese beide Kanäle sind absolut wichtig für Altro in Deutschland.

BTH Heimtex: Sprechen wir über die wirtschaftliche Situation Ihres Unternehmens: Wie läuft es in Dessau und insgesamt für die Altro-Gruppe?

Dany: Die wirtschaftliche Situation für die Altro-Gruppe sieht sehr gut aus. Die Umsätze und Margen entwickeln sich über unseren Planungen. Bitte sehen Sie mir nach, wenn ich keine Details dazu nennen möchte. Der Standort Dessau wächst durch steigende Produktionsmengen ebenfalls über den Erwartungen.

BTH Heimtex: Welche Auswirkungen hat der Brexit für die Unternehmensgruppe aktuell, worauf stellen Sie sich ab 1. Januar 2021 ein?

Dany: Momentan verkaufen wir noch viele Produkte über England. Das wird sich mit dem Brexit sicher ändern. Wie genau, kann heute niemand sagen, weil die Neugestaltung der Handelsbeziehungen noch völlig unklar ist. Die Corona-Krise erhöht die Komplexität der Situation momentan zusätzlich.

Wir sind als Gruppe insgesamt ganz gut aufgestellt beim Thema Brexit, weil wir einen Standort innerhalb und einen zweiten außerhalb der Europäischen Union in Großbritannien haben. Das werden wir zu nutzen wissen auf den globalen Märkten. Der Standort Dessau profitiert vom Brexit, wir werden weiter wachsen. Wir werden mehr Lagerkapazitäten haben und mehr produzieren, weil es unser Ziel ist, einen möglichst großen Teil des Gesamtsortiments von Altro in Dessau herstellen zu können, um möglichst viele Märkte versorgen zu können.

Das Gespräch führte Jochen Lange per Videokonferenz. jochen.lange@snfachpresse.de


Olaf Dany zur Person

Olaf Dany ist seit Mai 2019 Geschäftsführer von Altro Debolon in Dessau. Der 57-Jährige verfügt über viel Erfahrung als Manager von produzierenden Unternehmen. Der studierte Elektrotechniker mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik ist unter anderem für 3M, Philips, Panasonic und auch ein amerikanisches Start-up tätig gewesen. Die Stationen waren in Deutschland, den USA, Japan und der Schweiz in der Medizin-, Elektronik-, Automobilzulieferer- und Solartechnikbranche. Als Prokurist und Geschäftsführer hat er in einigen dieser Unternehmen grundlegende Änderungs- und Integrationsprozesse im Rahmen von Change Management beispielsweise in den Bereichen Digitalisierung, Produktion und Unternehmenskultur umgesetzt. Mit diesem breiten Erfahrungsschatz soll Dany die Integration von Debolon in den Altro-Konzern weiter vorantreiben und den traditionsreichen Standort in Dessau modernisieren.


Jobst von Heintze zur Person

Jobst von Heintze bekleidet seit April 2018 bei Altro die Position des Communications Specialist für die deutschsprachigen Märkte. Der 49-Jährige studierte Crossmedia Design in Magdeburg und war in den Bereichen Marketing, Fotografie, TV- und Videoproduktion sowie Werbung freiberuflich tätig, zuletzt insbesondere für Unternehmen aus dem Bereich der Energiewende.
aus BTH Heimtex 05/20 (Wirtschaft)