Heidelbergcement AG

Estrichlegern das Leben auf der Baustelle erleichtern

Wenn es um nachhaltige Baustoffe geht, kann auch der Estrich einen Beitrag liefern. Im Interview gaben Lennart Wentker, Produktmanager Sackzement bei Heidelbergcement, und Dr. Robert Bachmann, Leiter Technischer Vertrieb bei Heidelberger Beton, Einblicke in aktuelle Estrich-Themen. Ihre Motivation bei Neuheiten wie dem Sackzement Easycem besteht darin, die Arbeit des Estrichlegers auf der Baustelle zu erleichtern.

FussbodenTechnik: Wer Heidelbergcement hört, denkt immer noch in erster Linie an Beton und erst in zweiter Linie an Estrich. Welche Bedeutung hat das Estrichgeschäft im Konzern?

Dr. Robert Bachmann: Das Estrichgeschäft ist vom Gesamtumsatz her gesehen eher ein kleineres Marktsegment. Nichtsdestotrotz sehen sich Heidelbergcement und Heidelberger Beton in erster Linie als Lösungsanbieter. Wir platzieren nicht einfach nur Produkte im Markt, sondern wir wollen unseren Kunden ein Vollsortiment anbieten. Bei der Auswahl leisten unsere Experten gerne Hilfestellung. Ob der Kunde über das Marktsegment Estrich oder über den Transportbeton beliefert wird, ist für uns zweitrangig. Unser Anspruch ist es, als kompetenter Ansprechpartner im Estrichmarkt wahrgenommen zu werden.

Lennart Wentker: Das Estrichsegment ist so vielseitig, dass wir dort sehr viele Ansatzpunkte haben und aus dem Vollen schöpfen können. Man kann zwischen Fließestrichen und den normalen Sackzementen wählen. Faktoren wie Restfeuchte, Belegreife oder Festigkeiten spielen dabei eine elementare Rolle. Mit unserem neuen Sackzement Easycem beispielsweise lässt sich die Wartezeit bis zur Belegreife verringern. Alternativ kann man den Estrich mit Cemflow Top versiegeln, um den weiteren Fußbodenaufbau zu beschleunigen. Es geht uns einerseits um die Breite der Palette, und andererseits um technische Lösungen, die dem Estrichleger einen gewissen Spielraum bieten.

FT: Was kann Heidelberger besser als andere Wettbewerber?

Dr. Bachmann: Durch die Breite unseres Portfolios können wir individuelle Lösungen anbieten. Wir sind nicht festgelegt auf ein Schema und auch nicht in eine bestimmte Produktkategorie getrieben, die wirtschaftlich oder technisch nicht sinnvoll wäre. Wir verfügen über einen großen "Werkzeugkasten", aus dem wir uns frei bedienen können.

Wentker: Eine unserer Stärken ist, dass wir intensiv in den Dialog mit den Kunden gehen. Wir erarbeiten Lösungen immer gemeinsam, da sind wir im Markt sicherlich weit vorne. Für mich persönlich ist es ein klarer Fokus, dem Estrichleger das Leben auf der Baustelle zu erleichtern.

FT: Können Sie sagen, welches die Top-3-Produkte in Ihrem Sortiment sind?

Dr. Bachmann: Bei den Fließestrichen haben wir mit unserem Calciumsulfatestrich Anhyment und dem Zementfließestrich Cemflow Produkte, die bei Schnelligkeit, ergonomischem Einbau und Energieeffizienz ihre Stärken ausspielen. Ergänzend dazu haben wir mit unserem Poriment einen zementgebundenen Porenleichtmörtel, der als Bettungs- und Ausgleichsschicht das System für einen normgerechten Fußbodenaufbau abrundet.

Wentker: Wenn wir die Sackzemente betrachten, sind die CEM II-Zemente führend, aber es gibt auch immer noch Anhänger der CEM I-Zemente. Ich halte das grundsätzlich für unnötig, da die Untersuchungen am Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) ergeben haben, dass die CEM II-Zemente genauso gut geeignet sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen CO2-Diskussion muss sich sicherlich etwas ändern. Man darf nicht vergessen, dass ein CEM II-Zement in der Herstellung deutlich weniger CO2 emittiert.

FT: Wie argumentieren Sie für einen Wechsel zu CEM II, wenn ein langjähriger Estrichleger von seinen positiven Erfahrungen mit einem CEM I-Zement schwärmt?

Wentker: Ich würde es den Estrichleger ausprobieren lassen. Ich kann sicherlich mit wissenschaftlichen Argumenten aufwarten, die alle korrekt sind. In Bezug auf Festigkeiten und Restfeuchte ist der CEM II absolut ebenbürtig. Der Estrichleger wird bei einem Test feststellen, dass der CEM II auch in der Verarbeitung gleichwertig ist. Wie immer bei einem bewährten Konzept, gilt bei vielen Verarbeitern eine "Never change a winning Team-Einstellung". Hier müssen wir Überzeugungsarbeit leisten und helfen, das Bewährte weiterzudenken. Am Ende geht probieren über studieren.

Dr. Bachmann: Bei Heidelbergcement steht das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. Wir haben es in unseren Nachhaltigkeitsverpflichtungen verankert. Unser Ziel ist es, bis spätestens 2050 die Vision eines CO-neutralen Betons zu realisieren. Dabei wollen wir bereits in den kommenden Jahren maßgebliche Fortschritte erzielen. Das ist kein Lippenbekenntnis, sondern wir arbeiten intensiv daran.
FT: Wenn Sie mit großen Bauherrn sprechend, werden Sie ja sicherlich immer häufiger eine Nachhaltigskeitsdebatte führen, wenn es um Umweltzertifizierungen geht, wie DGNB und BREEAM. Wie sieht ein nachhaltiger Estrich aus?

Dr. Bachmann: Ja natürlich, die Fragen kommen. Schlussendlich tragen wir dem Rechnung über Zertifizierungen und Implementierung in Ausschreibungen. Wenn ich einen Bauherrn überzeugt habe, dass die CO-Bilanz eines bestimmten Produktes besser ist, dann muss er es zwingend in den Ausschreibungstext aufnehmen. Ansonsten liegt die Wahl beim Bauunternehmen und dieses wird in der Regel das kostengünstigste Produkt auswählen.

FT: Warum setzt sich der ergonomische Einbau von Estrich nicht schneller durch? Spielt die Auslastung der Kolonnen in den Betrieben eine Rolle?

Dr. Bachmann: Wir benennen natürlich ganz klar die Vorteile von Fließestrichen. Der Einbau bietet in puncto körperlicher Belastung deutliche Vorteile. Das heißt aber nicht, dass Fließestrich überall eingebaut wird. Der klassische Schaufelestrich ist immer noch führend, wie die Zahlen des Verbandes für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) beweisen. Die Gründe sind vielfältig: Es geht darum, mit welcher Kundengruppe wir es zu tun haben. Vielfach sind es kleine Familienbetriebe, die den Schaufelestrich einsetzen. Manchmal sind es kleine Baustellen, wo es sich gar nicht lohnt, ein Silo oder einen Transportbeton mit einem Fahrzeug anzuweisen. Dort ist man flexibler mit der Sackware.

Wentker: Normalerweise müsste der Fließestrich sich durchsetzen, weil die Estrichlegerbetriebe damit deutlich weniger Personal benötigen. Manche Estrichleger sagen: Dann habe ich gar keine Arbeit mehr für meine Mitarbeiter. Das ist sicherlich einer der Gründe, an dem Schaufelestrich festzuhalten. Wir bieten ganz bewusst beide Varianten an, beide haben ihre Daseinsberechtigung.

Das Schöne an unserem Produkt Cemflow ist natürlich, dass ich Vorteile von beiden "Universen" miteinander verbinde. Ich habe den Fließestrich und ich habe trotzdem eine Lösung für Feuchträume - quasi die klassischen Vorteile eines Zementestrichs.

FT: Der Ruf von Zementfließestrichen hat vor einigen Jahren gelitten, als manche Verwendungen nicht erfolgreich waren. Wie sehen Sie den aktuellen Entwicklungsstand von Zementfließestrichen?

Dr. Bachmann: Wir kennen die Bedenken, die auch weiterhin im Markt vorhanden sind. Wir sind über unsere Transportbetonwerke in der Lage, das System soweit einzustellen, dass eine gleichmäßige und gute Qualität auf der Baustelle ankommt. Schlussendlich steht und fällt das Produkt mit dem Einbau. Der Anwender, der dem Produkt mit dem notwendigen Respekt und der Ernsthaftigkeit begegnet, wird auch ein qualitativ hochwertiges Produkt einbauen können. Wir sind davon überzeugt, dass es funktioniert, sonst würden wir es nicht anbieten.

FT: Für Estrichleger, die das neueste Produkt aus Ihrem Hause noch nicht kennen: Was ist Easycem?

Wentker: Easycem ist ein genormter Zement, der im Vergleich zu den anderen Zementen die Zeit bis zur Belegreife durch niedrigeren Wasseranspruch deutlich verringert. Ich brauche 20 bis 25 % weniger Wasser und erlebe damit zahlreiche Vorteile: Das heißt einmal niedrigere Restfeuchten von Anfang an und höhere Festigkeiten. Außerdem benötigt der Estrichleger keine Zusatzmittel mehr. Das ist natürlich in erster Linie ein Handlingsvorteil. In zweiter Linie gibt es einen wirtschaftlichen Vorteil, weil der Verarbeiter immer eine gleichbleibende, optimale Qualität erhält.

Dr. Bachmann: Easycem ist ein Produkt, in dem alles bereits in einem System enthalten ist. Es müssen nicht wesentliche Komponenten erst auf der Baustelle einzeln dosiert werden. In diesem Fall muss nur noch Wasser und Sand dazu und dann kann der Einbau starten. Der willkommene Nebeneffekt ist natürlich die frühere Belegreife, weil der Zeitgewinn auf der Baustelle immer eine Rolle spielt.

FT: Ein willkommener Nebeneffekt ist sicher auch, dass man nicht mehr die Diskussion führen muss, ob die Estrichzusatzmittel auch wirklich in den Estrichmörtel dosiert wurden.

Dr. Bachmann: Das ist ein wesentlicher Punkt an der Stelle. Das Zusatzmittel ist nicht über- und auch nicht unterdosiert, sondern genau in der richtigen Menge vorhanden. Der Ansatz ist die Minimierung von Fehlerquellen. Das ist auch der Ansatz vom Fließstrich, wenn sie den aus dem Fahrmischer bekommen. Sie kriegen ein fertiges Produkt mit gleichbleibendem Qualitätsanspruch. Sie können sich darauf verlassen: Das, was da rauskommt, funktioniert und ist einbaufertig.

FT: Easycem ist ein genormter Zement. Wie ist es mit Schwinden des Estrichmörtels bestellt?

Wentker: Die Verarbeitung funktioniert so wie bei jedem anderen Zement auch. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns in einer schwindfreien Liga bewegen. Das heißt, der Estrichleger muss auf die Umgebungsbedingungen und verwendetete Wassermenge achten. Durch die verringerte Wassermenge bei Easycem reduziert sich natürlich der Umfang des Schwindens.

FT: Stichwort Forschung & Entwicklung: Wohin geht die Reise bei neuen Estrich-Rezepturen?

Dr. Bachmann: Die Nachfrage nach Designestrichen ist immer noch vorhanden. Die Verarbeitung stellt hohe Anforderungen an den Verlegebetrieb, das gilt im besonderen Maße bei Zementfließestrichen. Mineralische Designböden und Designestriche sind für Planer immer ein Thema, weil man sie im Gegensatz zum klassischen Estrich auch sieht.

Wentker: Nach wie vor müssen wir weiter daran arbeiten, das Standing des Estrichs zu verbessern. Wenn ich mir anschaue, dass um die letzten 20 Cent pro m2 gefeilscht wird, stimmt die Relation zu den Bodenbelägen nicht. Auf dem wichtigen Bauteil Estrich wird das 120 EUR pro m2 teure Parkett daraufgelegt. In der Hinsicht sind natürlich Designböden vorteilhaft, um zu zeigen, da liegt etwas Hochwertiges auf dem Boden.

FT: Bei Verlegewerkstoffen hat es im laufenden Jahr aufgrund von gestiegen Rohstoff- und Transportkosten Preiserhöhungen gegeben. Ist das bei Heidelbergcement auch der Fall?

Dr. Bachmann: Ja, wir mussten genauso mit Preiserhöhungen reagieren. Meiner Meinung nach sollte man Preisanpassungen auch positiv gegenüberstehen, weil das immer einen Qualitätsanstieg und auch eine Wertschätzung der Arbeit der Estrichleger bedeutet. Die verbreitete Geiz-ist-geil-Mentalität führt doch unter anderem dazu, dass wir einen Nachwuchsmangel haben, weil man das Handwerk nicht mehr wertschätzt. Man muss ganz deutlich sagen: Das ist seinen Preis wert. Das gilt für unsere Produkte genauso wie für die Handwerksleistung. Der Estrichleger auf der Baustelle macht einen super Job - das Verständnis aller Beteiligter muss stärker in diese Richtung gehen.


Dr. Robert Bachmann - zur Person
Dr. Robert Bachmann (41) ist Leiter Technischer Vertrieb bei Heidelberger Beton in Königs Wusterhausen. Er war zunächst als Trainee und anschließend als Materials Engineer beim HTC der Lehigh Cement Company in Atlanta, einem Tochterunternehmen des Heidelbergcement Konzerns, tätig. Nach fünfjähriger Tätigkeit als Leiter der Betontechnologie im Betonstraßenbau wechselte er 2016 als Projektmanager Infrastruktur zur Abteilung Engineering und Innovation von Heidelbergcement. Seit 2019 ist er als Leiter Technischer Vertrieb für die Spezialprodukte der Heidelberger Beton im Pre-Sales-Bereich zuständig und somit Ansprechpartner für Bauherren, Architekten und Planer. Weiterhin ist er als Referent bei diversen Fachveranstaltungen und Leiter des Arbeitskreises Bankettbeton der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) aktiv.


Lennart Wentker - zur Person
Lennart Wentker (31) ist Produktmanager Sackzement bei Heidelbergcement in Heidelberg. Er startete nach seinem Studium der Wirtschaftschemie 2012 als Trainee bei Heidelbergcement. Nach verschiedenen Vertriebsstationen, u. a. für den Tunnelbau, den Porenbeton und die Bauchemie, übernahm er 2016 die Position des Produktmanagers Sackzement. Als solcher ist er verantwortlich für den Sackzement von Heidelebergcement in Deutschland und setzt den Fokus auf die Estrichleger als größte Kundengruppe.
aus FussbodenTechnik 06/19 (Wirtschaft)