Balta Industries NV

Balta sieht E-Commerce als Chance für Teppichboden

Europas größter Hersteller textiler Bodenbeläge sieht diejenigen Partner, die Teppichboden online vermarkten und sichtbar machen, auf dem richtigen Weg, um erfolgreich etwas gegen Frequenzrückgang und Nachfrageschwund vor allem im Fachhandel zu tun.

Die Balta-Gruppe ist nicht nur der größte Hersteller textiler Bodenbeläge Europas, sondern wohl auch der rentabelste. Die börsennotierten Belgier erwirtschaften eine EBITDA-Marge von 11,2 %. Und das, obwohl der Umsatz insgesamt zuletzt auf 646 Mio. EUR leicht nachgegeben hat. Das liegt primär an dem schon lange anhaltenden Trend, dass Teppichboden vor allem im Privatbereich eben nicht mehr im Trend liegt, und die Nachfrage kontinuierlich sinkt. Ohne Zukäufe wäre der Umsatz deutlicher zurückgegangen und die Rendite kleiner (siehe Kasten Seite 66).

Konzentration
auf Herstellerkompetenz

Vertriebsdirektor Luc Jongbloet, der weltweit und auch in der D/A/CH-Region unter anderem das Teppichboden- und Nadelvliesgeschäft verantwortet, hat in den vergangenen Jahren auf diese Entwicklung reagiert: In dem für das Unternehmen wichtigen Handelsgeschäft in den Absatzkanälen Discount, DIY, Filialisten, Fachmärkte, Großhandel und Kooperationen konzentrieren die Belgier sich auf die großen Kunden und betreuen die Zentralen. Die tiefer gehenden Verästelungen des Marktes überlässt die mittlerweile auf vier Personen verschlankte Außendienstmannschaft komplett den Handelspartnern wie beispielsweise im dreistufigen Vertrieb dem Großhandel. Gleichzeitig hat die Balta-Gruppe den Produktmix verändert, erzielt höhere Durchschnittspreise und konzentriert sich voll und ganz auf Entwicklung, Herstellung und Lieferung der textilen Beläge.

Mit zwei Ausnahmen: Größere Objekte, etwa im Hotelsegment, "in denen Teppichboden nach wie vor geschätzt wird", wie Jongbloet hervorhebt, sowie das Expo- und Messegeschäft mit Nadelvliesbelägen, das Peter Heyndrickx verantwortet. Beide Bereiche werden vom D/A/CH-Team unter Vertriebsleiter Arnold Skiba direkt im Ausschreibungsgeschäft bearbeitet. "Hier steigt auch die Nachfrage nach Teppichfliesen und der kombinierten Verlegung von Bahnenware und Teppichfliese stark an", sagt Skiba.

Handel steckt im Teufelskreis

Jongbloet, Skiba und Heyndrickx gelingt es mit dieser differenzierten Strategie auf den deutschsprachigen Märkten laut eigener Aussage die Auswirkungen des allgemeinen Nachfragerückgangs für ihr Unternehmen etwas abzumildern. Doch die guten Umsätze im Objektgeschäft, die steigenden Teppichfliesenabsätze sowie die anhaltend gute Nachfrage im dreistufigen Vertrieb können die ausgesprochen schlechte Situation in Baumärkten, bei Filialisten und Ketten, bei Fachhändlern sowie mittlerweile auch bei Discountern nicht gänzlich auffangen, gibt Jongbloet unumwunden zu.

Denn der Handel, der sich direkt an die Zielgruppe Endkonsument richtet, sei in einen Teufelskreis geraten. Weil Teppichboden nicht im Trend liegt, werde das Produkt weniger oder gar nicht mehr gezeigt - wie in der großen Mehrheit der Baumärkte - und verliere an Sichtbarkeit im stationären Handel, was weitere Nachfragerückgänge nach sich ziehe.

Nach Ansicht von Jongbloet komme erschwerend hinzu, dass die große Mehrheit der Verkäufer im Handel, im eigenen Zuhause keinen Teppichboden mehr hat beziehungsweise nie hatte. "Wie soll so eine erfolgreiche Beratung gelingen?", fragt auch Skiba nicht zu Unrecht. Außerdem fehlten Anreize, beispielsweise höhere Provisionen für die Verkäufer, wenn sie den Endkonsument von Teppichboden überzeugen. Eine solche Art von Motivation sei möglich, verdiene der Handel im Vergleich zu anderen Bodenbelagsarten wie Laminat oder LVT doch immer noch viel pro Quadratmeter Teppichboden, berichtet Jongbloet.

Gleichzeitig ächze der Handel unter einem massiven Frequenzproblem. "Der Endverbraucher geht immer weniger in die Läden, um sich inspirieren zu lassen. Anstatt durch die Ausstellungen zu schlendern und sich beraten und zu Teppichboden hinführen zu lassen, findet eine ausführliche Vorabinformation und konkrete Vorauswahl heute auch für Bodenbeläge online statt", beschreibt Jongbloet. Wozu dann noch viel Teppichboden stationär zeigen, frage sich der Handel zu Recht - womit sich der Effekt der fehlenden Sichtbarkeit nur verstärke und es noch schwieriger sei, den beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen. Denn wenn ein Produkt immer weniger sichtbar ist, werde es auch immer seltener gekauft.

Teppichboden online zeigen

Jongbloet und Skiba raten vor diesem Hintergrund allen Händlern mit Endverbraucherkontakt, ihre Präsenz im Internet auszubauen. "Der Teppichboden muss heute dort gezeigt und beworben werden, wo die Endverbraucher sind, und das ist einfach online", betont Skiba.

Dabei eine große Vielfalt von Teppichboden auf der Homepage zu zeigen, sei das eine. Viel wichtiger sei es aber, das Produkt im Onlineshop ansprechend zu präsentieren, eine intuitive Navigation zu bieten und Direktmarketing wie beispielsweise über einen Newsletter zu betreiben.

Unabdingbar sei auch ein umfassender Service rund um das Produkt, beispielsweise Bestellung, Reservierung, Lieferung, Abholung in der Filiale und auch einen Verlegeservice. Sozusagen ein modernes Komplettpaket rund um Teppichboden. "Im Idealfall profilieren die Filialen sich als Abholmärkte des Onlineshops", schätzt Jongbloet die zukünftige Entwicklung ein. Skiba formuliert zugespitzter: "Wer Teppichboden im Endverbrauchergeschäft ohne digitale Vermarktung und E-Commerce verkaufen will, wird es in Zukunft sehr schwer haben."

Kibek und Hornbach gehen online voran

Kibek im Fachmarkt-, Hornbach im Baumarktsegment und einzelne inhabergeführte Fachhändler sind aus Sicht von Jongbloet und Skiba Beispiele für wichtige Marktmittler, die speziell in Deutschland die Zeichen der Zeit erkannt haben: Sie betrieben beispielhaft und mutig Multichannel-Strategie im Segment Teppichboden. "Manch ein inhabergeführter Fachmarkt ist nicht mehr auf Frequenz angewiesen, weil er mittlerweile eine so große Sichtbarkeit und Verkaufstätigkeit online hat", führt Skiba an.

"Die große Frage wird aber sein, wie viele Verkaufspunkte im D/A/CH-Markt noch verschwinden werden", gibt Jongbloet zu bedenken. Gerade die großen Märkte mit hohem Warendruck benötigten zwingend eine gewisse Frequenz in Hinblick auf ihre Kostenstruktur. Jongbloet verweist in diesem Zusammenhang auf den größten englischen Bodenbelagsfilialisten Carpetright. Die Kette war aufgrund von Frequenzmangel, Kaufzurückhaltung und Brexitverunsicherung in massive finanzielle Schieflage geraten (BTH Heimtex berichtete) und musste mit 200 von 550 Standorten mehr als ein Drittel ihrer Verkaufspunkte schließen. Auch die Situation der deutschen Filialisten sei bekanntlich angespannt, weil sie mit vergleichbaren Problemen zu kämpfen haben, sagt Jongbloet.

Teppichboden-Fans gesucht

"Unsere größte Hoffnung für 2019 und 2020 ist, dass wir wieder mehr Kunden motivieren können, in das Produkt Teppichboden zu investieren. Wir sind da optimistisch, denn es bleibt ein schlüssiges Produkt mit guten Eigenschaften, an dem alle gut verdienen, wenn sie es denn verkaufen", ist Jongbloet überzeugt. | jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 09/19 (Wirtschaft)