FHR Fachhandelsring GmbH

FHR setzt auf Wandel vom Handel zum Handwerk


Das traditionsbewusste Handwerk liegt in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche wieder voll im Trend. Der FHR rät seinen Partnern deshalb, ihre handwerkliche Kompetenz stärker herauszustellen und das Leistungsangebot um Akustikmaßnahmen zu erweitern.

Waren treten im Fachhandel zunehmend in den Hintergrund und überlassen handwerklichen Dienstleistungen die Hauptrolle. Das ist das Fazit des Vortrags "Traditionelles Handwerk wieder im Trend", den Rüdiger Jung bei den Regionaltagungen des Fachhandelsrings (FHR) hielt. Der Geschäftsführer der Akademie für Mode-Management LDT Nagold begründete diese Entwicklung mit den gewaltigen Umbrüchen in Wirtschaft und Gesellschaft, die für große Unsicherheiten sorgten. Bedrohungszenarien seien unter anderem Währungs- und Handelskriege, Demokratiekrisen sowie Digitalisierung. Demgegenüber stehe das traditionsbewusste Handwerk mit seiner Nähe zum Kunden vor Ort, das Sicherheit, Orientierung und Authentizität biete.

Neue Handelskonzepte

"Das Handwerk steht verlässlich für Qualität und Regeln", sagte Jung. Es profitiere aber nicht nur von allgemeinen Ängsten, sondern auch von der Überproduktion im Textilbereich und dem daraus resultierenden Preisverfall. Wie Jung hervorhob, lag das bundesweite Wirtschaftswachstum 2018 bei 1,5 % gegenüber dem Vorjahr, während der Einzelhandelsumsatz im gleichen Zeitraum um 2 % zurück ging. In dieser Situation rechne sich der reine Warenverkauf auf der Fläche nicht mehr wie gewohnt. "Frequenzgetriebene Geschäftsmodelle werden immer weniger funktionieren", zitierte Jung aus einer Studie der Handelsexperten Schwitzke und Schwitzke in Düsseldorf. Digitalisierungs- und Mobilitätsdenken ersetze bisherige Handelskonzepte.

Angesichts der Umsatzrückgänge suchten viele Marktteilnehmer immer noch nach einem Schuldigen statt nach einer Lösung. Den schwarzen Peter würden sie der Digitalisierung zuschieben. Das hält Jung für einen Fehler: "Denn der Onlinehandel hat zwar ein rasantes Plus zu verzeichnen. Aber der Versandhandel hatte früher auch schon einen Anteil von 35 %. Der Onlineshop ist nur ein Katalog in anderer Form", betonte er. Nach der Schwitzke-Studie kaufen Kunden vor allem Basics und Marken im Internet, weil es bequemer sei. In den Innenstädten suchten sie außer Waren auch Erlebnisse. Deshalb sollten sowohl die Handelskonzepte als auch Städte attraktiver werden und Individualisierung sowie Emotionalisierung in den Mittelpunkt rücken.

Dies sei die Chance für den Fachhandel, sich mit neuen Geschäftsformaten stärker auf das Handwerk auszurichten. Dessen Stärken seien nämlich Standortverbundenheit, Persönlichkeit, Ehrlichkeit sowie Serviceorientierung. Handwerk sei neben Hygge, Storytelling im Objekt und Inside-Out-Design ein maßgeblicher Wohn- und Architekturtrend. Jung empfahl den anwesenden Händlern eine umfassende Strategie, um auf das Handwerk aufmerksam zu machen. Er riet zur Herausstellung regionaler Zulieferer und Partnerbetriebe, die Darstellung von Geschichten zur Firmenhistorie, die Vorstellung der Mitarbeiter, Hausmessen mit Partnerbetrieben und besonderen Frequenzbringern, Sponsoring von Vereinen oder Guerillamarketingaktionen.

Initiative für Handwerkskompetenz

Als ein Beispiel intelligenter Forcierung des Handwerks nannte Jung den Workshop "Aus Alt macht Neu" von Rickmann Wohn- und Objektgestaltung in Gütersloh, in dem die Teilnehmer gegen Gebühr lernen, wie sie einem alten Möbelstück wieder neuen Chic verleihen können. FHR-Geschäftsführerin Sabine Wiegand stellte den Fachhändlern ein Vermarktungskonzept für handwerkliche Leistungen vor. "Mein Handwerk - Initiative für handwerkliche Kompetenz" hält eine Vielzahl an Werbemitteln wie Flyer, Plakate oder Roll-ups parat, über die der Handel auf sein Angebot an Dienstleistungen gezielt aufmerksam machen kann.

Jung ist sicher: Wenn ein Teil der genannten Maßnahmen passgenau umgesetzt werde, "braucht der Fachhandel vor Digitalisierung keine Angst zu haben". Schließlich vereine das Handwerk auch die Megatrends Technik und Nachhaltigkeit. Darüber hinaus appellierte Jung an die Fachhändler, ihre Handwerksleistungen zu erweitern, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Vor allem die Verbesserung der Akustik sei angesichts glatter Wände sowie Beton- und Glasflächen im Raum ein Trendthema.

Der FHR bietet dazu ein umfassendes Beratungskonzept an. Es beinhaltet ein Seminar zum vom TÜV-Rheinland zertifizierten Fachberater Raumakustik. In dem dreitätigen Lehrgang werden die Grundlagen der Raumakustik vermittelt, passende Produkte genannt und in praktischen Anwendungen das Gelernte umgesetzt. Als Unterstützung dient der im Auftrag des FHR von Fuchs-Raumingenieure entwickelte digitale Raumakustik-Rechner, in den der Benutzer alle relevanten Raumdaten eingeben muss. In der Expertise werden Vorschläge gemacht, welche Maßnahmen zur Optimierung der Raumakustik zu ergreifen sind. Im Rechner hinterlegt sind alle bekannten Produkte aus dem Raumausstatterbereich, die der Verbesserung dienen.

"Laut Umweltbundesamt fühlen sich 76 % der Bevölkerung von Lärm in ihrem Wohnumfeld gestört", unterstrich Michael Bergfeld, Leiter des FHR-Seminarwesens. Dies zeige, welche Bedeutung der Akustik in modern gestalteten Innenräumen einnehme. Zwar könne der Fachhändler nicht den Bedarf an benötigten Maßnahmen decken. Er könne aber partizipieren.

Neue Kunden durch E-Business

FHR-Prokuristin Ann-Kathrin Schmidt, die für E-Business und Produktmanagement Fenster/Wand zuständig ist, forderte den Handel trotz der größer werdenden Rolle des Handwerks auf, sich auch mit dem Internet und den sozialen Medien zu beschäftigen, um neue Kunden zu akquirieren und vorhandene zu binden. Mit einem Fahrplan in die digitale Welt stellte sie eine Onlinestrategie vor, die mit der kostenlosen Plattform Google My Business beginnt und über Unternehmenswebseite, Virtueller Raumplaner, Social Media und Onlinemarktplatz Schritt für Schritt zum Onlineshop führt.

Rüdiger Jung machte die männerdominierte Branche einen weiteren Trend aufmerksam, der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft möglicherweise ebenso verändern wird wie die revolutionäre Digitalisierung: die Feminisierung. Mehr Frauen als Männer machten Abitur, ihre Universitätsabschlüsse seinen im Durchschnitt besser als die ihrer männlichen Kommilitonen. Das habe sowohl Auswirkungen auf die Arbeitswelt als auch die Nachfrage im Fachhandel. Der FHR hat diesbezüglich mit Sabine Wiegand und Ann-Kathrin Schmidt die Weichen gestellt. | cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 07/19 (Wirtschaft)