Techtextil

Performance, Funktion und smarte Textilien


Der Gang über die Techtextil ist ein Blick auf die Zukunft der Heimtextilien. Was technische Textilien heute schon können, wird morgen auch für die Ausstattung von Wohnungen und Objekten interessant. Wir trafen in Frankfurt bekannte Gesichter unter Besuchern und Ausstellern.

Die Techtextil war in diesem Jahr wieder das "Epizentrum textiler Innovationen", wie Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt zur Eröffnungsveranstaltung formulierte. Tatsächlich kamen insgesamt 1.818 Aussteller und 47.000 Messebesucher an den Main - mehr als jemals zuvor.

Doch nicht rekordverdächtige Zahlen bestimmen die DNA dieser Messe, sondern ihr von Innovationen getriebener Charakter, der für eine unvergleichliche (lebhafte) Stimmung sorgt. Komprimiert auf drei Hallen, ist die Techtextil im Vergleich zur Heimtextil deutlich kleiner und damit wesentlich überschaubarer, zumal etwa die Hälfte der Gesamtausstellungsfläche in diesem Jahr auf die parallel stattfindende Texprocess (Maschinen, Anlagen, Verfahren zur Verarbeitung textiler Materialien) entfiel. Und noch etwas fällt auf: Diese Messe kommt gänzlich ohne Gigantomanie aus. Hier sind die Stände im Durchschnitt kleiner und sehr zweckmäßig gestaltet - Arbeitsplätze eben. Und wenn die Fläche mal überfüllt ist, werden zur Not die Gänge für Gespräche und Produktpräsentationen genutzt. Das stört niemanden und hat den sympathischen Nebeneffekt, dass überall ständig positive Betriebsamkeit herrscht.

Wirtschaftsfaktor Technische Textilien

Europaweit sind technische Textilien einer der stärksten Sektoren der Textil- und Bekleidungsindustrie und damit entscheidender Treiber für die Branche. Daneben finden sie in der Architektur, im Bausektor, in der Automobilindustrie, der Medizin und im Personenschutz Anwendung.

Auch im Heimtextilien-Bereich diversifizieren mehr und mehr Unternehmen mit smarten Produkten in diesem Segment: Akustiktextilien für den Objekt- und Wohnbereich, textile Heizelemente zur Anwendung für Matratzen, Teppiche, Deko-/Möbelstoffe und Markisen oder Leuchttextilien, die mittels LED-Technologie auch im Innendesign eingesetzt werden können, belegen die enorme Innovationskraft eindrucksvoll. Sie liefern damit auch konkrete Vorstellungen davon, wie sich die Bereiche Architektur, Bauen und Wohnen künftig verändern werden.

Textilien in der Stadt der Zukunft

Eine der zentralen Fragen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ist, wie wir in Zukunft leben werden. Alleine in Deutschland sind 41 % aller Haushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mittlerweile Single-Haushalte; die meisten in Großstädten, Tendenz steigend. Bis 2050 sollen weltweit fast 70 % der Menschen in urbanen Regionen, Metropolen und Mega-Cities leben, so die Vereinten Nationen. Das stellt neue Anforderungen an Architektur, an das Bauen, an Mobilitätskonzepte, Gesundheitsangebote sowie an smarte Mode und funktionale Bekleidung.

Vor diesem Hintergrund widmete die diesjährige Techtextil dem Leben in der Stadt der Zukunft mit dem Format "Urban Living - City of the Future" ein eigenes Themenareal. In Zusammenarbeit mit Creative Holland, dem Verband der niederländischen Kreativwirtschaft, hinterfragte die Sonderpräsentation die Rolle, die Textilien und textile Verbundstoffe in der Zukunft der Städte spielen können. Auf über 500 m2 wurde anhand ausgesuchter Beispiele aufgezeigt, wie textile Innovationen schon heute das menschliche Zusammenleben in urbanen Umgebungen verbessern. Innovative Produktentwicklungen wurden dazu in einer inspirierenden architektonischen Landschaft inszeniert, flankiert von einer Material-Galerie mit Best-Practice-Beispielen von Ausstellern. Ergänzt wurde das Ganze durch die Präsentation der Ergebnisse aus dem Techtextil-Studentenwettbewerb zum Thema Textiles Bauen.

Schwerpunkt Nachhaltigkeit

Ein weiteres zentrales Messethema war alles rund um Nachhaltigkeit. Bereits auf der Heimtextil im Januar wurde dieses zukunftsweisende Thema in zahlreichen Sonderveranstaltungen und in den Kollektionen der Aussteller gespielt, zur Techtextil stellte die Messe die Nachhaltigkeitsansätze ihrer Aussteller mit "Sustainability at Techtextil" erstmals explizit in den Fokus. So wurde in diesem Jahr der Techtextil Innovation Award zusätzlich in der Kategorie Nachhaltigkeit verliehen. Ein umfangreiches Rahmenprogramm und zahlreiche Eventformate griffen darüber hinaus das Thema auf, das unter anderem von Branchengrößen wie Kering, Lenzing oder Zalando als Speaker auf die Bühne gebracht wurde.

Die Ansätze der Unternehmen sind äußerst vielfältig und dokumentieren, dass es den einen Weg, das eine Konzept in Sachen Nachhaltigkeit nicht gibt: Fasern aus recyceltem Polyester, biobasierte Hightech-Textilien, wassersparende Färbe- und Finishing-Verfahren, Funktions- und Arbeitskleidung, die mit weniger oder ohne Lösungs- und Bindemittel auskommt, sind einige Beispiele für innovative Konzepte und Produktentwicklungen. Fest steht ohne Zweifel, dass an diesem Thema weder Hersteller noch Verarbeiter mittelfristig vorbeikommen. Nachhaltigkeit wird auch die Zukunft von Bauen, Wohnen und Einrichten bestimmen und verändern.

Lenzing beschreitet Neuland:
Fasern für die marine Industrie

Eine besondere Innovation präsentierte in diesem Kontext die Lenzing-Gruppe, österreichischer Spezialist für Fasern auf Holzbasis. Mit einer botanischen Lösung für die Anwendung in der marinen Industrie beschritt das Unternehmen absolutes Neuland. Erstmalig werden die Lyocell-Fasern von Lenzing zur Herstellung von Seilen und Netzen für diese Industrie eingesetzt und dienen dort zur Unterstützung für die Zucht von Meereskulturen wie Muscheln oder essbare Meeresalgen, mit dem Ziel, das Aufkommen von Plastik(müll) im Meer zu reduzieren.

Wie Marina Crnoja-Cosic, Head of Application Development New Business Areas, im Rahmen einer Pressekonferenz erläuterte, enden jährlich rund 165 Mio. t Plastikmüll im Ozean. Konventionell verwendete Synthetikfasern und Kunststoffe sind für rund 80 % der gesamten Verschmutzung der Weltmeere verantwortlich.

In Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI) und dem Institut für Fisch & Umwelt (FIUM) initiierte die Lenzing-Gruppe ein Projekt zur Entwicklung einer nachhaltigen Lösung für die marine Industrie, die textile Strukturen als Unterstützung für das Wachstum mariner Organismen nutzt. Die wichtige Eigenschaft dieser Entwicklung liegt darin, dass die textile Struktur aus Zellulosefasern auf Holzbasis besteht. Das hat den Vorteil, dass jede textile Struktur, die in die Umwelt gelangt, innerhalb eines akzeptablen Zeitraums abgebaut wird ohne Rückstände zu hinterlassen. Aktuell werden am häufigsten Nylon und Polypropylen als Leinen- und Netzmaterialien eingesetzt, die im Meer nicht biologisch abbaubar sind.

Trevira bringt Neuentwicklungen
bei Filamentgarnen

Auch bei Trevira spielte auf dem gesamten Gemeinschaftsstand mit den Schwesterunternehmen aus dem Mutterkonzern Indorama Ventures das Thema Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Im Blickpunkt standen dabei Filamentgarne, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt werden; für diese wurde das Umweltzertifikat GRS (Global Recycled Standard) angefordert. Sie stehen als rohweiße und spinngefärbte Garne und Texturgarne in verschiedenen Farben und Titern zur Auswahl. Zudem präsentierte Trevira ein stückgefärbtes Gewebe von Schmitz Textiles, das aus schwer entflammbaren Trevira Filamentgarnen aus recyceltem Material besteht.

Der Trend zum Aufenthalt im Freien gewinnt zunehmend an Bedeutung, was zur Folge hat, dass Außenflächen sowohl im Objekt- als auch im Privatbereich aufwendig und hochwertig gestaltet werden. Dabei sind bei den textilen Materialien insbesondere eine angenehme Haptik sowie ein große Farbpalette gewünscht, um auch im Freien nicht auf Komfort und Design verzichten zu müssen. Um für diesen Einsatzbereich leistungsfähige, designstarke Textilien herstellen zu können, bietet Trevira eine neue Palette von 23 UV-stabilisierten, spinngefärbten Filamentgarnen an. Diese zeichnen sich durch eine hohe Lichtbeständigkeit aus. Außerdem sind spinngefärbte Garne nachhaltiger als garngefärbte Produkte, da die Umwelt nicht durch den zusätzlichen Prozessschritt des Färbens belastet und Energie gespart wird, betont das Unternehmen.

Im Trevira CS Bereich wurden zudem in Kooperation mit der Schwesterfirma PHP Fibres neuartige Kissen hergestellt. Das Innenteil besteht aus Breathair, einem Material für atmungsaktive Polsterlösungen. Der innovative Strukturwerkstoff ist hochwasserabweisend und luftdurchlässig. Da er zugleich elastisch, materialbeständig und bei gleicher Härte leichter als Polyurethan ist, eignet er sich besonders für die Polsterung von Sitzen. | michaela.fischer@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 07/19 (Wirtschaft)